NZZ-Chefredaktor Gujer sorgt sich um die Weltherrschaft der USA
«Ohne die Bereitschaft zur begrenzten Offensive gibt es keine glaubwürdige Abschreckung», warnt Eric Gujer in seinem Leitartikel vom 17. August und bedauert: «Amerika und seine Verbündeten fürchten die Eskalation so sehr, dass ihre Verteidigungsfähigkeit darunter leidet.»
Besonders Europa beschwöre die «Bedrohung durch einen Flächenbrand, der sich – zusammen mit der Ukraine und Taiwan – zum Weltkrieg oder gar zum atomaren Inferno ausweitet». Doch «viel gefährlicher als die herbeigeredete Apokalypse» seien Iran und Russland, welche die geopolitischen Gewichte zu ihren Gunsten verschieben würden.
So sei den palästinensischen «Handlangern» Irans sogar «eine Invasion Israels» gelungen.
Gemeint ist der Terroranschlag vom 7. Oktober 2023. Gujer erwähnt nicht, dass die Hamas mindestens so stark von Katar unterstützt wurde – mit der Einwilligung Israels.
Mit seinen «Satelliten» Hamas, Hizbullah, Huthi und den schiitischen Milizen in Irak führt Iran laut Gujer einen «konventionellen Krieg gegen Israel». Vor diesem Hintergrund versteht Gujer nicht, dass man «in Amerika empört» war über die Ermordungen des Militärchefs der Hizbullah und des Hamas-Führers, und dass Präsident Biden kritisierte, die Ermordungen des Militärchefs der Hizbullah und des Hamas-Führers würden «die Verhandlungen mit der Hamas erschweren».
Und Gujer weiter:
«Dass Washington nicht mehr Enthusiasmus zeigte, als ihm Israel den Kopf des Erzschurken Shukr (Militärchef der Hizbullah) auf dem Silbertablett lieferte, verdeutlicht das Ausmass des Problems.»
Gujer stört es offensichtlich nicht, dass die Ermordung der beiden Gesuchten in einem fremden Land gegen das Völkerrecht verstösst, und dass die Ermordung Iran das Recht einer verhältnismässigen Vergeltung gibt.
Der Westen soll, schreibt Gujer weiter, die Angst vor einer militärischen Eskalation ablegen, vielmehr die Ukraine bedingungslos unterstützen und gegen Iran in eine «begrenzte Offensive» gehen. Im Gazastreifen dürfe es kein Ende der Kämpfe geben, so lange die Hamas an der Macht ist.
Unterdessen gibt es in Gaza keine funktionierende Regierung mehr.
Der Ukraine würden Amerikaner und Europäer «nur das Nötigste» liefern, kritisiert Gujer. Man lege der Ukraine «künstliche Fesseln» an, um Moskau nicht zu provozieren. Doch wenn Putin mit Atomschlägen drohe, wolle er damit lediglich den westlichen Verteidigungswillen testen und die Zögerlichkeit mit den westlichen Waffenlieferungen zum Aufrüsten nutzen. Inzwischen könne sich Putin geradezu «aussuchen, wo er die Nato als Nächstes herausfordert».
Gujer erwähnt nicht, dass die Nato Russland herausgefordert hatte, als diese Russland immer mehr einkesselte und als letzte grosse Puzzle-Teile Georgien und die Ukraine ins Bündnis aufnehmen wollte. Die USA würden es nie hinnehmen, wenn etwa in Venezuela russische oder chinesische Militärstützpunkte errichtet würden.
Für Gujer sind es jedoch Russland und Iran, welche «die geopolitischen Gewichte verschieben». Solange der Westen «das Heft des Handelns nicht zurückgewinnt, bestimmen Aggressoren wie Moskau und Teheran, was auf der Welt geschieht.»
Der Chefredaktor der NZZ sehnt sich nach alten Zeiten der amerikanischen Überlegenheit und Machtpolitik zurück: «Während der Invasion im Irak 2003 war die Dominanz der amerikanischen Streitkräfte noch erdrückend.»
Gujer beanstandet nicht, dass die USA den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Irak unter falscher Flagge lostraten. Dieser Krieg kostete rund einer Million Irakerinnen und Irakern das Leben und schuf den Nährboden für den IS.
Gujer weiter: «2011 stürzte eine Koalition den libyschen Diktator Ghadhafi. Es herrschte kein Zweifel daran, wer überlegen war.»
Kein Wort davon, dass auch dieser Krieg völkerrechtswidrig war und in Libyen bis heute ein Chaos anrichtete.
Den Krieg, den die Nato unter Führung der USA während 20 Jahren in Afghanistan führte, erwähnt Gujer nicht. Er war kein Beispiel für die früher erdrückende Dominanz der amerikanischen Streitkräfte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die NZZ ist vom seriösen Journalismus zum US-Propagandablatt mutiert.
Die USA sind seit 9/11 im «Kampf gegen die Achse des Bösen» für rund 4 Mio. Opfer verantwortlich und haben mit ihren Einsätzen nur Not, Zerstörung und Terrorismus zurückgelassen. Und jetzt spielen sie mit einem Atomkrieg mit Europa als Speerspitze.
Wann verstehen wir, dass es bei diesem Wahnsinn nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern nur um die Macht und die Wirtschaftsinteressen eines einzigen Landes mit seinem Anspruch zur Weltherrschaft geht!
Da bin ich gleicher Meinung: die NZZ ist leider zu einem NATO-Propagandablatt mutiert und hat grosse Teile der einst liberalen DNA verloren.
Ist das erstaunlich Herr Gasche? Schauen Sie sich das «Schweizer Transatlantik Netzwerk der Medien» an und der Vorhang des Erstaunens lichtet sich. Abrufbar sind die Verbindungen auf «Swiss Policy Research», swprs. org
Das wird sich erst ändern, wenn an den Zeitungsverkaufsstellen die Stapeln der abendlichen unverkauften Rücksendungen gleich hoch sind, wie die Stapeln der morgendlichen Einlieferungen.
Wieder einmal das verbreitete westliche Narrativ: Wir, der US dominierte, «freie Westen» sind die «Guten». Alle anderen, die teils andere Vorstellungen als die Ideen als «Freiheit und Demokratie» im westlichen Sinne haben (das aktuelle Trauerspiel der US Präsidentschaftswahl spricht Bände) sind die «Bösen». Unbestritten gibt es im «Osten» allerlei Despoten, Lügner und sonstwie üble Gestalten, jedoch sehen wir uns doch mal im ach so «freien und demokratischen Westen» um: auch hier jede Menge ähnlich übler Gesellen…
Dass die eigentlich journalistisch hervorragende NZZ dieses einseitige «westliche» Narrativ übernimmt und kritiklos weiter verbreitet, empfinde ich als zutiefst verstörend und beängstigend.
Na dann ab an die Front in Kursk, Herr Gujer. Verteidigen Sie da mit geschwollener Brust die Hegemonieansprüche der USA (Wer auch immer da das Sagen hat).
Absolute Dummheit – und dies vom Chefredaktor, doch bei der NZZ wundert mich schon länger nichts mehr. Glaubt er im ernst dass die Ermordung Shukr‘s etwas an der der schwierigen Situation ändern wird? Im Gegenteil, andere werden folgen und die Radikalisierung wird sich tendenziell verstärken.
Gujer, immer wieder Gujer. Er hätte gut in die 50iger Jahre Adenauers gepasst. Ein klassischer Kalter Krieger eben, der auf die USA große Stücke hält und den Rest der Welt an ihrem Wesen genesen lassen will. Völkerrecht ist nicht sein Spezialgebiet wie es scheint und etwas Anteilnahme an fremdem Blutvergiessen wohl auch nicht. Gujer sollte einmal eine anschauliche Safari durch die Palästinensergebiete nehmen oder sich im Irak das Elend besehen, vielleich sogar mit Hinterbliebenen vom durch Drohnenangriffe ausgelöschten Großfamilien unterhalten. Aber ich glaube, dass würde er gar nicht wollen, weil das seinen ideologischen Vorhang ein bißchen verwirbelt. Es gab und gibt große Journalisten, die die ganze Welt bereisen und überall hinter die Kulissen schauen: Scholl-Latour etwas blieb Zeit seines Lebens Gaullist und konnte trotzdem differenziert aus Vietnam berichten. Gujer gehört hier nicht dazu. Er genügt sich also Sprachrohr us-amerikanischer Interessen.
Die NZZ ist nur noch ein Sprachrohr der USA und Israels. Hängt das damit zusammen, dass die FDP in die NATO will?
Danke für diesen Kommentar, Urs Gasche.
Gujer übernimmt das Vokabular und die Argumentation von Putin: Die USA sollen eine «begrenzte Offensive» gegen den Iran durchführen.
Wozu soll es bedauerlich sein, wenn «der Westen» an Macht verliert? Wenn wie bei Gujer Menschenrechte und internationales Recht keine «westlichen» Werte sind, dann gibt es keinen Grund dafür.
Wie es den anständigen Redaktorinnen und Redaktoren in der NZZ wohl geht, wenn ihr Chef solche Leitartikel veröffentlicht?
Herr Bonjour
Den „anständigen“ Redaktoren steht es frei, bei der NZZ zu arbeiten oder nicht. Decken sich die Werte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht oder zu wenig sollte die Arbeitsstelle gewechselt werden, falls der Chef nicht ersetzt wird. Ansonsten trage ich als „Untergebener“ die Meinung bis zu einem gewissen Grad mit. Alles andere ist Ausrede/Selbstlüge.
Tja, die alte Tante hat ihren Zenit schon lang überschritten. Wer nicht mit der Zeit geht, geht bekanntlich mit der Zeit. Dass die Leute dahinter den guten alten Zeiten nachtrauern ist daher verständlich. Danke, dass Sie kritisch bleiben, denn zu lange konnten die tun, walten und manipulieren was das Zeug hält.
In was für einer Blase Herr Gujer lebt weiss ich nicht, aber einige seiner Artikel in der NZZ während meiner Zeit als Abonnent und sein Interview mit Sara Wagenknecht haben mir den Eindruck vermittelt, dass da ein Journalist das Wort hat, der glaubt besser zu wissen was geschieht, als die Akteure die das Geschehen bestimmen.
Völlig einverstanden mit den Bemerkungen zur Ukraine und zum allzu schnell vergessenen Vorgehen der Westmächte in Libyen. Jedoch vermögen die jüngsten israelischen Tyrannenmorde auch mich nicht so recht in Empörung zu versetzen. Die feinen Herren im sicheren und gediegenen Qatar wussten ganz genau, mit welcher Art Reaktion von Seiten Israels zu rechnen war, und haben ihr eigenes Volk wissentlich, willentlich und kaltblütig ans Messer geliefert. Dass die Ausschaltung solcher Elemente vom Völkerrecht strenger beurteilt wird als das massenhafte Abschlachten Unschuldiger, scheint mir eines der leider wohl schwer zu lösenden Probleme dieses Rechtsinstituts.
Ich habe von keiner Seite gehört, dass das Völkerrecht die staatlich angeordnete Ermordung von Politikern im Ausland strenger beurteilt als ein massenhaftes Abschlachten von Unschuldigen. Das steht auch nicht in meinem Artikel. Eine noch so grobe Verletzung des Völkerrechts erlaubt jedoch nicht, im Gegenzug das Völkerrecht ebenfalls zu verletzen.
Die letzten freuen Wahlen in Gaza fanden 2006 statt. Ich teile deshalb Ihre Ausführungen, wonach der Chef der Hamas ein Politiker gewesen sei nicht, da ihm jegliche domokratische Legitimierung fehlte. Dasselbe gilt für den getöteten Hizbollahführers. Bei Letzterem gilt dies umso mehr, da sie Hizbollah kein Staatsgebiet hat, sondern sich parasitär I’m Libanon eingemistet hat.
@Walter Helbling Gemäss NZZ «sei den palästinensischen ‹Handlangern› Irans sogar ‹eine Invasion Israels› gelungen». Gemäss mir «sei den ukrainischen ‹Handlangern› der USA sogar ‹eine Invasion Russlands› gelungen». Wobei ich diesen Vergleich sogar noch hinkend finde zuungunsten USA/Israel.
Die USA waren seit den 60/70-er Jahren (Zentralamerika/Vietnam u.a.) bis aktuell im Irak, in Afghanistan und in etlichen anderen Länder immer aktiv und nie reaktiv, vorallem militärisch und geo-politisch sowieso. Die Resultate waren nie ermutigend. Die USA konnten jedes Land früher gängeln mittels Diktat. Kanonenpolitik wie damals vor Japan. Länder im Mittleren/Nahen Osten, Indien, China, diese damals wirtschaftlich Kleinen sind erwachsen geworden durch Fleiss, Geschick, Intelligenz und Disziplin. Wir durch unseren Konsum waren auch ein Teil davon. Diese Ära geht zu Ende. Damit sind die USA überfordert. Es sind die USA selbst, die ihr Gebahren weltweit überdenken müssen. Das Militär als force majeur ist das eine. Ein konstruktiver Dialog bedingt zwingend auch Akzeptanz des Gegenübers. Da mangelt es teils gewaltig bei den USA.
Vielen Dank, Herr Gasche, für die Zurechtweisung von Herrn Guyers Äusserungen. Die NZZ war mal ein Vorzeigeblatt auch in geopolitischen Belangen.
Jetzt müssten die Mitkommentatoren nur noch mit der gleichen Verve Gujers andauernde, reaktionäre Anbiederung bei der neuen Rechten beklagen. Aber das Woke Mind Virus ist ja bestimmt das drängendste Problem, das wir zur Zeit haben.