Kriegsgewinnler

Schlagzeile von «Yale Insights»: Professor Jeffrey Sonnenfeld: «Wie die USA von der Unterstützung der Ukraine profitieren können.» © Yale Insights

Mit Ukraine-Hilfe wollen USA und EU ihre Wirtschaft ankurbeln

Urs P. Gasche /  Ein fragwürdiges Motiv: Mehr Milliarden für das Militär sollen das Wirtschaftswachstum fördern und mehr Arbeitsplätze schaffen.

Damit wird wohlweislich nicht zuvorderst argumentiert, um die Bevölkerung für Militärhilfe an die Ukraine und für die Aufrüstung im eigenen Land zu gewinnen. Aber das Ankurbeln der eigenen Wirtschaft sowie das Schaffen von Arbeitsplätzen kommen Regierungen entgegen und werden als Nebeneffekte erwähnt.

Für zivile Projekte könnten Politiker den nächsten Generationen kaum so hohe Schulden aufbürden, wie sie es jetzt für Militärausgaben tun.

250414 NZZ Autoland
NZZ vom 14. April 2025

Statt «Schwerter zu Pflugscharen» lautet die Devise heute im Gegenteil «Vom Autoland zum Panzerland». So titelte die «NZZ» am 14. April einen Artikel über die Aufrüstung in Deutschland und meinte:

«Deutschland könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die angeschlagene Autoindustrie hat Überkapazitäten bei Fachkräften und Werken, die boomende Rüstungsbranche hat Bedarf an beidem. Nun ist die Politik gefragt.»


«Ein Motor für das Wachstum»

Vor kurzem beschloss die britische Regierung eine zusätzliche Ukrainehilfe in Höhe von 4,5 Milliarden Pfund, darunter 1,6 Milliarden für 5000 Luftabwehrraketen, die in Nordirland produziert und an die Ukraine geliefert werden. Am 10. April 2025 rechtfertigte die Regierung in einer Medienmitteilung diese Ausgaben auch mit folgenden Argumenten:

«Diese Unterstützung ist entscheidend für die Sicherheit Europas, fördert aber auch das Wachstum im gesamten Vereinigten Königreich. Die Verteidigung ist ein Wachstumsmotor. Im vergangenen Monat kündigte der Premierminister ein historisches Abkommen im Wert von 1,6 Milliarden Pfund an, das die Lieferung von mehr als 5000 Luftabwehrraketen an die Ukraine vorsieht und damit 200 neue Arbeitsplätze schafft und weitere 700 sichert. Der Verteidigungssektor beschäftigt im Vereinigten Königreich mehr als 434’000 qualifizierte Arbeitskräfte.»

Einen Tag später ergänzte die britische Regierung:

«Zu den diesjährigen Rekordausgaben des Vereinigten Königreichs für die militärische Unterstützung der Ukraine in Höhe von 4,5 Milliarden Pfund gehören 160 Millionen Pfund für die Reparatur und Wartung von Fahrzeugen und Ausrüstung, die das Vereinigte Königreich bereits an die Ukraine geliefert hat – in Zusammenarbeit mit britischen Unternehmen und der ukrainischen Industrie. Das unterstützt die britische Wirtschaft und sorgt für qualifizierte Arbeitsplätze.
Dank der Unterstützung können britische Unternehmen Lehren aus den Kriegserfahrungen ziehen und die industriellen Kapazitäten des Vereinigten Königreichs stärken.»

«Im Eigeninteresse der EU»

Am 18. Oktober 2024 informierte «ZDF heute» unter dem Titel «Ein Sieg über Russland hätte immense positive Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland und der EU»:

«Besonders für Deutschlands Wirtschaft kann die Ukraine bei einem Sieg eine Schlüsselrolle übernehmen. Die russische Invasion in der Ukraine sowie der Zwist zwischen China und den USA machen deutlich, wie wichtig widerstandsfähige Lieferketten für Deutschland und die EU sind.

Unsere Demokratien sind auf kritische Rohstoffe angewiesen. Es gehe dabei um Komponenten für Hightech-Produkte, Batterien für Elektroautos, Smartphones oder Windturbinen, sagt Miriam Kosmehl, Expertin für Osteuropa der Bertelsmann Stiftung.

In der EU wird die Ukraine daher als strategischer Partner angesehen, der zur Unabhängigkeit von China und Russland beitragen kann. Das Potenzial der Ukraine, Spitzentechnologien und eine umweltfreundliche Wirtschaftspolitik aktiv zu unterstützen, liege im Eigeninteresse der EU, schreibt die Bertelsmann Stiftung in einer Studie.

Die Vorstellung von der ‹Goldgrube› für Deutschland und die EU hat allerdings einen Haken: Wesentliche Teile der Vorkommen befänden sich leider in Gebieten, die entweder besetzt oder von Kampfhandlungen betroffen waren oder es noch sind, erklärt Kosmehl. Das treibe die Kosten des Abbaus in die Höhe.

Sollte der ‹Siegesplan› des ukrainischen Präsidenten Selensky aufgehen, dann könnte die Ukraine ein Schlüsselpartner Deutschlands und der EU für die Zukunftstechnologien und die ‹grüne› Transformation der Industrien werden.»

«Die Schlagkraft der USA stärken»

Nach einer Analyse des amerikanischen Lansing Institute profitieren insbesondere die USA wirtschaftlich von ihrer Militär- und Finanzhilfe an die Ukraine. Ein erheblicher Teil der US-Hilfsgelder werde für die Produktion von Waffen und Munition im eigenen Land verwendet, was das Wirtschaftswachstum ankurble und Arbeitsplätze schaffe. Die gestiegene Nachfrage nach US-Rüstungsgütern stärke zudem die Exporte und die internationale Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen.

Unter dem Titel «Verbesserte Einsatzbereitschaft des US-Militärs» schrieb das Lansing Institute am 13. Januar 2025:

«Der Konflikt in der Ukraine ist ein realer Testfall für moderne Waffen, Taktiken und Verteidigungskonzepte:

  • Innovation in der Kriegsführung: Der Krieg hat es den USA ermöglicht, die Leistungsfähigkeit fortschrittlicher Systeme zu bewerten, beispielsweise elektronische Kriegsführungsausrüstung gegen Drohnen und gepanzerte Einheiten, die unter Drohnenüberwachung operieren.
  • Modernisierung des Verteidigungssektors: Die erhöhte Produktion zur Unterstützung der Ukraine beschleunigt die Modernisierung der amerikanischen Verteidigungsindustrie.

Die Unterstützung der Ukraine bleibt für die USA eine lohnende Investition, die wirtschaftliche Vorteile bringt, die nationale Sicherheit stärkt und die internationale Ordnung aufrechterhält. Die Fortsetzung der Hilfe sichert den USA ein günstiges globales Kräfteverhältnis, während sie ihre Führungsrolle festigt und stärkt.»


«90 Prozent der Hilfsgelder an die Ukraine bleiben in den USA»

Bereits am 15. Februar 2024 analysierte Professor Jeffrey Sonnenfeld von der Yale School of Management in Connecticut, «wie die USA von der Unterstützung der Ukraine profitieren können»

«Ausgaben für Waffen und Hilfe kurbeln die US-Wirtschaft an, stärken das Nato-Bündnis und schwächen die russische Kriegsmaschinerie. 90 Prozent der Ausgaben für die Ukraine bleiben in den USA und schaffen Tausende von Arbeitsplätzen.

Auch wenn manche behaupten, dass die US-Hilfe in einem Sumpf aus unkontrollierter ukrainischer Korruption verschwinde, hat eine Studie gezeigt, dass 90 Prozent der Hilfsgelder für die Ukraine gar nicht in die Ukraine gelangen. Vielmehr verbleiben diese Gelder in den USA, wo führende Rüstungsunternehmen Dutzende Milliarden Dollar in über 100 neue industrielle Produktionsstätten investierten, wodurch direkt Tausende von Arbeitsplätzen in mindestens 38 Bundesstaaten geschaffen wurden, wobei wichtige Teilkomponenten aus allen 50 Bundesstaaten stammen.

Nahezu alle Munition, auf die die Ukraine am stärksten angewiesen ist, wird vollständig in den USA hergestellt, von Speergeschossen aus Alabama bis hin zu Lenkraketensystemen (GMLRS) aus West Virginia, Arkansas und Texas. Nicht zu vergessen sind kleinere Posten wie Nachtsichtgeräte, medizinische Hilfsgüter und Munition für Kleinwaffen, die alle in den USA hergestellt werden. Jede zusätzliche Hilfe für die Ukraine würde wahrscheinlich nur der US-Wirtschaft noch mehr helfen, da frühere Waffenlieferungen grösstenteils Entnahmen aus veralteten Beständen und vorhandenen Lagerbeständen und nicht aus neuen Lieferungen waren.

Die militärische Macht Russlands wurde erheblich geschwächt, ohne dass es einen einzigen Todesfall unter den aktiven amerikanischen Soldaten gab.

Obwohl Kritiker darauf hinweisen, dass sowohl die Ukraine als auch Russland militärisch weitgehend in einer Pattsituation sind und seit Herbst 2022 keine der beiden Seiten wesentliche Gebietsgewinne erzielen konnte, sind die USA dennoch der grösste Gewinner, da eine der drei mächtigsten Militärmächte der Welt schwer geschwächt und gedemütigt wurde, ohne dass ein einziger amerikanischer Soldat im aktiven Dienst ums Leben kam, und das bei einem Einsatz von nur 5 Prozent des US-Verteidigungsbudgets und weniger als 1 Prozent unserer gesamten Staatsausgaben – eine Summe, die dem Betrag entspricht, den die USA für so alltägliche Dinge wie Software für Regierungsbehörden, Mietzuschüsse aufgrund der Covid-Pandemie und Verkehrszeichen auf zwischenstaatlichen Autobahnen ausgeben.

Im Gegensatz dazu gibt Russland mittlerweile 40 Prozent seines Staatshaushalts für Verteidigung aus und schlachtet den Rest der produktiven Wirtschaft aus, um den Krieg zu finanzieren, nachdem es in den letzten zwei Jahren 50 Prozent seiner militärischen Macht verloren hat.

Allein in den letzten fünf Monaten hat Russland mindestens ein Fünftel seiner wertvollen Marineflotte verloren – die vor dem Krieg nach einigen Massstäben mächtigste Marine der Welt –, obwohl sein Gegner, die Ukraine, nicht einmal über eine Marine verfügt.»


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