Kurz vor Papstbesuch indigene Rebellion in Chiapas
upg. Autor Philipp Gerber ist Projektkoordinator der Mexiko-Projekte von «Medico International Schweiz» in Oaxaca und arbeitet als freier Journalist. Über die Lage der Indigenen in Mexiko ist in unseren Breitengraden kaum je etwas zu lesen.
Nach monatelangen Mobilisierungen hat die Protestbewegung der chiapanekischen Gemeinde Oxchuc ihr Ziel erreicht: Die Bürgermeisterin María Gloria Sánchez Gómez von der Grünen Partei Mexikos (PVEM) reichte am 5. Februar 2016 ihren Rücktritt ein. Seit ihrer umstrittenen Wahl im Juli 2015 verhinderte eine breite Oppositionsbewegung ihren Amtsantritt. Sánchez war von 2005 bis 2007 schon einmal Bürgermeisterin des 115 Gemeinden zählenden Bezirks Oxchuc, ihr Ehemann Norberto Sántiz López regierte die Gemeinde ebenfalls zweimal und war auch Abgeordneter der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI). Die Protestbewegung bezichtigte die Familie des Wahlbetrugs und besetzte das Bürgermeisteramt.
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Am 8. Januar eskalierte die Situation, als das Innenministeriums des ebenfalls von der Grünen Partei Mexikos regierten Bundesstaates Chiapas die Anführer des Protests zu Verhandlungen in das nahe gelegene San Cristóbal de Las Casas einluden, dort jedoch 37 Indigene verhaftete. Die Bevölkerung von Oxchuc besetzte darauf die Bundesstrasse zu Palenque, zündete mehrere Häuser der Politikerfamilie an und widersetzte sich mit einem Grossaufgebot der Polizei, die trotz Helikoptereinsatz und Tränengas nicht Herr der Lage wurde. 27 Polizisten wurden von der aufgebrachten Bevölkerung festgesetzt.
Auch Touristen, darunter viele Europäer, gerieten an diesem Tag auf der beliebten Route nach Palenque mitten in den Konflikt: «Die Unsicherheit im Bus war gross. Wir wussten nicht, was los ist, hörten jedoch die Helikopterflüge und gelangten letzlich nach vielen Stunden über einen grossen Umweg an unser Ziel», berichtet eine Deutsche gegenüber «amerika 21». Andere hatten weniger Glück, wurden von den Busfahrern im Stich gelassen, ihre Busse mitsamt Gepäck angezündet.
Angezündeter Touristenbus (Bild: www.chiapasenlamira.com.mx)
Die Touristen, die mit dem Schrecken davonkamen, beklagten fehlende Entschädigungen der Busunternehmen und verdächtigten die Behörden des Touristenziels, den Vorfall aus Imagegründen vertuschen zu wollen.
Die am Tag der Auseinandersetzungen von der Bevölkerung festgehaltenen Polizisten wurden kurz darauf gegen die verhafteten indigenen Anführer ausgetauscht. Die Protestbewegung von Oxchuc machte mit weiteren grossen und friedlichen Demonstrationen auf sich aufmerksam. Kurz vor dem Besuch des Papstes Franziskus, der am 15. Februar in San Cristóbal de Las Casas erwartet wird, scheint der lokale Machtkampf entschieden. Nun sollen die 115 Dörfer von Oxchuc ihre neue Vertretung nach indigenen Bräuchen bestimmen, diese muss dann vom chiapanekischen Parlament bestätigt werden.
Oxchuc zählt gemäss dem mexikanischen Geografie-Institut zu den ärmsten Bezirken in ganz Mexiko: Von den gut 43’000 BewohnerInnen leben über 30’000 in extremer Armut. Umliegende Gemeinden sind von Armut und politischer Korruption ähnlich hart betroffen: Auch in Altamirano, Chanal und Ixtapa formiert sich Widerstand gegen die in feudalem Stil herrschenden Politikerfamilien, der sogenannten Kaziken. Der Journalist und Beobachter Isain Mandujano resümiert die Krise so: «Was in Oxchuc begann, ist der Kampf gegen die politischen Kaziken, welche in der Mehrheit der 122 Bezirke in Chiapas regieren. Oxchuc ist nur die Spitze des Eisbergs aller Konflikte, die vor sich hinschwelen und noch nicht explodiert sind». Rund um den Papst-Besuch wird die ungelöste soziale Spannung in Chiapas erneut in die Öffentlichkeit gerückt.
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Dieser Artikel erschien auf dem Portal «amerika 21»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der freie Journalist Philipp Gerber ist auch Projektkoordinator der Mexiko-Projekte von «Mexico International Schweiz» in Oaxaca.