Kommentar

Korea-Konflikt droht zu eskalieren

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA nehmen zu. Nur gemeinsame Verhandlungen könnten die Krise entschärfen.

Der nordkoreanische Diktator Kim-Jong-un betreibt mit scharfen Worten und immer häufigeren Raketen- und Nuklear-Tests eine zunehmend aggressive Militär- und Sicherheitspolitik. Doch diese Politik dient nicht der Abwehr realer oder vermeintlicher Bedrohungen durch die USA, Südkorea, Japan oder andere Länder. Militärisch wäre Nordkorea gar nicht in der Lage, einen Angriff dieser Länder abzuwehren. Selbst dann nicht, wenn alle militärischen Tests der vergangenen Jahre erfolgreich verlaufen wären, wie Pjöngjangs Propaganda behauptet. Mit seiner aggressiven Politik will Kim-Jong-un in erster Linie seine Macht im Innern sichern und das Volk hinter sich scharen, dem er sonst nur Armut, Hunger, Unterdrückung und internationale Isolation anzubieten hat.
Das derart motivierte Verhalten einer Diktatur lässt sich durch Druck von aussen oder gar durch militärische Drohungen nicht beeinflussen und korrigieren. Auch nicht mit der letzte Woche begonnenen Stationierung eines Raketenabwehrsystems der USA in Südkorea – das zudem die grenznahen, bevölkerungsreichen Städte des Landes nicht gegen Artilleriebeschuss aus Nordkorea schützen könnte – oder durch gemeinsame Grossmanöver dieser beiden Verbündeten.
USA behält sich «präventiven» Militärschlag vor
Das hat die Entwicklung des Nordkorea-Konflikts in den letzten 15 Jahre deutlich gezeigt. Im Januar 2002 hatte US-Präsident George Bush Nordkorea gemeinsam mit Iran und Irak zur «Achse der Bösen» in der Welt erklärt. Bush reklamierte für die USA das Recht auf «präventive» Militärschläge gegen diese drei «bösen Staaten» und beauftragte das Pentagon, entsprechende Angriffsszenarien auszuarbeiten – inklusive des Einsatzes atomarer Waffen. Damit kündigte Bush die Nichtangriffsgarantie auf, die sein Vorgänger Bill Clinton dem Regime in Pjöngjang in einem Abkommen gegeben hatte. Das im Okober 1994 in Genf vereinbarten Abkommen versprach Nordkorea zudem die Lieferung von verbilligten Nahrungsmitteln und Öl sowie von nicht zu militärischen Zwecken nutzbaren Leichtwasser-Reaktoren für die Energieversorgung. Im Gegenzug verpflichtete sich Pjönjang, sein militärisches Nuklearprogramm einzustellen und allen Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) nachzukommen. Bis zur Rede von Bush hielt sich Nordkorea strikt an das Genfer Abkommen. Erst in Reaktion auf diese Rede suspendierte das Land  2003 seine Mitgliedschaft im NPT-Vertrag und nahm das militärische Nuklearprogramm wieder auf.
China drängt auf Verhandlungen
Die chinesische Regierung hat völlig Recht mit ihrer dringenden Aufforderung an die USA und Nordkorea, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und damit zu dem schon einmal erfolgreichen Ansatz des Abkommens von 1994. Anders lässt sich eine Deeskalation des Konflikts nicht erreichen. Und ohne eine Deeskalation dieses internationalen Konflikts ist auch eine innenpolitische Erosion der Diktatur in Pjöngjang nicht absehbar. Peking handelt mit der Aufforderung an Washington und Pjöngjang auch in eigenem Interesse. Denn das jetzt von den USA in Südkorea errichtete Raketenabwehrsystem liesse sich bei Bedarf auch gegen China einsetzen – um die USA nach eigenen Angriffen unverwundbar zu machen und zur Spionage. Das ist technisch genauso möglich wie bei den von USA und NATO in Osteuropa stationierten und mit der Gefahr von Angriffen aus Iran begründeten «Raketenabwehr»-Anlagen, die sich gegen Russland nutzen lassen.
Die grosse Frage ist, ob US-Präsident Donald Trump zu einem Deeskalationsschritt im Nordkorea-Konflikt bereit ist. Oder ob er den Konflikt mit der Diktatur in Pjöngjang mit allen seinen Eskalationsrisiken bis hin zu einer militärischen Konfrontation mit China für eigene innenpolitische Zwecke instrumentalisieren wird: um von seinen schon bald absehbaren wirtschaftspolitischen Misserfolgen abzulenken und so die enttäuschten WählerInnen bei der Stange zu halten und die erneute Mehrheit der republikanischen Partei bei den Kongresswahlen 2018 oder auch für seine eigene Wiederwahl 2020 zu sichern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Andreas Zumach arbeitet als Korrespondent bei der UNO in Genf u.a. für die «Tageszeitung» (taz Berlin) und «Die Presse» (Wien).

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