Kopper: «Die Grossbanken sind die Opfer»
Vor der ersten Finanzkrise im Jahr 2008 hätten die Grossbanken zwar einige Fehler begangen, doch am heutigen Schlamassel seien die Regierungen selber schuld. Diese hätten die Defizitwirtschaft der Staaten zu verantworten. Das erklärte Hilmar Koppler am Sonntag in der ARD-Talkshow von Günther Jauch. Koppler war von 1989 bis 1997 Vorstandssprecher der Deutschen Bank.
Josef Ackermann, heutiger Chef der Deutschen Bank, hatte schon vorher behauptet, das «wirkliche Problem» bestehe darin, dass Staatsanleihen «nicht mehr als risikolos gelten», und daran seien «politische Fehler» schuld.
Schützenhilfe bekommen Ackermann und Koppler von Schweizer Bankern, deren PR-Strategen sich auf folgende Aussage geeinigt haben: «Es geht heute um eine Staatsschuldenkrise, nicht um eine Bankenkrise.»
Die Risiken den Staaten aufgehalst
Diese Aussage unterschlägt zweierlei.
Erstens: Die Staaten wären längst nicht im heutigen Ausmass verschuldet, wenn es nicht die erste Finanzkrise im Jahr 2008 gegeben hätte. Damals hatten die Staaten zuerst viele Grossbanken und Versicherungen vor dem Konkurs gerettet. Und dann mussten sie mit Steuersenkungen und Milliardenprogrammen die Konjunktur am Laufen halten, um eine Massenarbeitslosigkeit wie nach 1929 zu verhindern.
Diese neuen Schulden auf den bereits vorhandenen Schulden führten dann unweigerlich dazu, dass die Zahlungsfähigkeit etlicher Länder in Zweifel geriet.
Man kann natürlich argumentieren, dass die nationalen Gesetzgeber dem internationalen Treiben der Grossbanken seit den Neunzigerjahren tatenlos zugesehen haben. Doch die Banken haben stets für «weniger Staat» gekämpft, gegen «nationale Alleingänge» mit Abwanderung gedroht, und obendrauf haben sie die meisten Parteien finanziell unterstützt.
Zweitens: Niemand hat die Grossbanken gezwungen, Staatsanleihen bestimmter Staaten zu kaufen. Sie kauften solche Obligationen, um mit den Zinsen Geld zu verdienen. Griechische Anleihen warfen einen leicht höheren Zins ab als deutsche Anleihen. Die Banken spekulierten darauf, dass bei einem drohenden Zahlungsausfall eines Euro-Landes die übrigen Euro-Länder einspringen würden. Doch das hat sich nun als Fehlspekulation erwiesen.
Grossbanken könnten sich heute nicht damit herausreden, dass die gekauften Staatspapiere an ihren Schwierigkeiten schuld seien, schreibt Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli in der NZZ: «Die Einschätzung von Schuldnerrisiken sollte zur Kernkompetenz von Banken gehören – ob es sich um private oder staatliche Schuldner handelt.»
Für ihre Fehlspekulation mit Staatsobligationen müssten die Banken nach allen Regeln der Marktwirtschaft eigentlich die Verantwortung übernehmen.
Banken müssen Verantwortung nicht übernehmen
Doch sie müssen es nicht – wie schon bei der Finanzkrise von 2008. Weil Grossbanken zu gross sind, wagen die Regierungen nicht, sie pleite gehen zu lassen. Nach monatelangem Hin und Her haben die Grossbanken im Fall Griechenland zwar «freiwillig» auf die Hälfte ihrer Obligationen-Guthaben verzichtet. Doch die Freiwilligkeit hat ihren Preis: Alle betroffenen Grossbanken mussten sich auf die Bedingungen einigen und dem Euro-Gipfel blieb nichts Anderes übrig, als den gemeinsamen kleinsten Nenner der Banken zu akzeptieren. So müssen die EU-Regierungen den betroffenen Grossbanken, die sich zu wenig Kapital auf dem Markt beschaffen können, garantieren, sie mit Steuermilliarden über Wasser zu halten.
Ein Konkursrisiko hätte die Krise verhindert
Die Grossbanken müssen nicht mit einem Konkursrisiko rechnen, weil sie dieses faktisch schon längst dem Staat angehängt haben. Das weg bedungene Unternehmerrisiko erlaubt ihnen, hohe Risiken mit hohen Gewinnaussichten einzugehen. Dazu gehört auch, überschuldeten Staaten weiterhin Milliarden auszuleihen.
Dies wiederum führt dazu, dass sich diese Staaten trotz enormer Schulden und unter Inkaufnahme einer noch grösseren Überschuldung weiterhin einen hohen Konsum und eine wenig effiziente Wirtschaft und eine ausufernde Bürokratie leisten können. Die Regeln der Marktwirtschaft sind auch hier ausgehebelt.
«Wenn Banken nicht untergehen können, werden die Fundamente einer Marktwirtschaft untergraben», schreibt NZZ-Redaktor Matthias Benz. Und der designierte Chefredaktor der «Finanz und Wirtschaft, Mark Dittli, doppelt nach: «Die wahre Tragödie dieses Herbstes besteht darin, dass Europa in Geiselhaft seiner Grossbanken steht.»
Zu späte Einsicht
Diese Einsicht kommt zu spät. Schon anfangs der Achtzigerjahre hatte der damalige Nationalbankpräsident Fritz Leutwiler den Schweizer Grossbanken mehrmals auch öffentlich zugesichert, dass ihnen «nichts passieren» kann. Die Nationalbank würde finanziell einspringen. Es gab auch kleinere Präzedenzfälle: Als sich die damals viertgrösste Bank, die Schweizerische Volksbank, wegen spekulativen Geschäften mit Silber in Schwierigkeiten kam, half ihr die Nationalbank aus der Bredouille.
Nicht nur Banken, auch andere Grosskonzerne profitieren schon lange von einer faktischen Staatsgarantie: Damals waren es Chrysler, Lockheed, Penn Central, Semperit, Carl Zeiss oder AEG: Alle konnten sich nur dank staatlichen Finanzspritzen und Steuergeldern über Wasser halten. Inzwischen sind viele weitere Konzerne dazu gekommen, die Regierungen mit Steuergeldern gerettet hat.
Wer dieses «Staatsnetz für bankrotte Konzerne» damals kritisiert hatte, wurde als «links» abgespempelt und nicht ernst genommen.
In den letzten dreissig Jahren konnten sich Grossbanken und viele Grossunternehmen zu noch viel grösseren internationalen Konzernen zusammen schliessen – unter dem Applaus auch der NZZ.
Erst nach den jüngsten beiden internationalen Krisen grössten Ausmasses ist das Problem «Too Big to Fail» ein salonfähiges Thema geworden. Doch gehandelt wird nicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Co-Autor des Buches «Das Geschwätz von der freien Marktwirtschaft – Wie Unternehmer den Wettbewerb verfälschen, die Natur ausbeuten und die Steuerzahler zur Kasse bitten», K-Sachbuch, 1996. Urs P. Gasche, Hanspeter Guggenbühl, Werner Vontobel.
Bin ganz Ihrer Meinung ! MfG Uwe Böhm