Kontrastreicher Wechsel an der Spitze der UNO
Noch nie seit Gründung der Vereinten Nationen war der Wechsel im Amt des Generalsekretärs so kontrastreich wie an diesem Wochenende, an dem der Südkoreaner Ban ki moon nach zehn Dienstjahren das Chefbüro im 38. Stock der New Yorker UNO-Zentrale verlässt und der Portugiese Antonio Guterres dort einzieht.
Ban ki moon – für niemanden eine Bedrohung
Bereits die Auswahlverfahren für die beiden Männer verliefen höchst unterschiedlich. Ban wurde im Herbst 2006 erst gewählt, nachdem die beiden mächtigsten UNO-Mitglieder USA und China durch gemeinsame Vetoankündigungen bei den Probeabstimmungen im Sicherheitsrat drei sehr viel profiliertere Kandidaten aus Indien sowie weitere asiatische Bewerber aus dem Rennen geworfen hatten. Von der Rolle als kleinster gemeinsamer Nenner der Interessen Washingtons und Pekings konnte sich Ban nie emanzipieren. Weder die Völkerrechtsverstösse der USA noch die Menschenrechtsverletzungen Chinas hat der scheidende Generalsekretär jemals kritisiert. Auch die bis heute weitgehend unerledigten 101 Vorschläge zur Reform der Weltorganisation, die Vorgänger Kofi Annan der Generalversammlung 2005 vorlegte, hat Ban nicht ernsthaft weiterverfolgt. Seine erst in den letzten drei Amtsmonaten geäusserte Kritik am bereits fünf Jahre währenden Versagen des Sicherheitsrates im Syrienkonflikt kam viel zu spät.
Erwünscht war eine profilierte Persönlichkeit
Guterres hingegen erhielt bei sämtlichen Probeabstimmungen des Sicherheitsrates über sechs weibliche und vier männliche Kandidaten die meisten Stimmen. Und dies, obwohl die Generalversammlung den Rat mit großer Mehrheit aufgefordert hatte, nach neun männlichen Generalsekretären seit 1945 diesmal endlich eine Frau auszuwählen. Und obwohl nach den ungeschriebenen Regeln des UNO-Regionalproporzes eigentlich ein Osteuropäer oder eine Osteuropäerin an der Reihe gewesen wäre, was Russland mit mehrfachen Vetoankündigungen gegen Guterres und alle anderen nicht-osteuropäischen Bewerber zunächst auch durchzusetzen versuchte. Nachdem Moskau diese Vetoabsicht aufgegeben hatte, bestimmten der Sicherheitsrat und anschliessend auch die Generalversammlung den 67-jährigen Portugiesen mit demonstrativer Einstimmigkeit zum neuen Generalsekretär.
Guterres braucht Rückgrat und Rückendeckung
Diesen Vertrauensvorschuss kann Guterres gut brauchen, denn keiner seiner Vorgänger seit 1945 hat den Posten unter derart schwierigen Rahmenbedingungen übernommen. Ob es im Syrienkonflikt nach der am Freitag in Teilen des Landes eingetretenen Waffenruhe zu einer dauerhaften Deeskalation kommt, die dann auch die humanitäre Versorgung der Bevölkerung und die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen ermöglicht, bleibt abzuwarten.
Trump möchte die Uno schwächen
Der künftige US-Präsident Donald Trump hat deutlich gemacht, wie wenig er von der UNO und von multilateraler Kooperation versteht und hält. Die von ihm angekündigte Aufkündigung des Klimaabkommens, das in jahrelangen, mühsamen Verhandlungen errungen wurde, würde den noch verbliebenen Glauben an gemeinsame Handlungsfähigkeit der Staatengemeinschaft zur Überwindung globaler Herausforderungen vollends zerstören und die Institution der UNO in eine schwere Krise stürzen.
Guterres ist gefordert
Angesichts all dieser Widrigkeiten als UNO-Generalsekretär gegenüber den Regierungen der Mitgliedsstaaten leise zu treten, wäre die falsche Strategie. Als UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge in den Jahren 2005-2015 hat Guterres bewiesen, dass er zu einem couragierten Auftreten gegenüber den Mitgliedsstaaten fähig ist. Auch in seinem künftigen Amt als Generalsekretär kann er nur gewinnen und die Institution der UNO in ihrer Handlungsfähigkeit stärken, wenn er von allen Mitgliedsstaaten deutlich und öffentlich Kooperation einfordert, ebenso wie die Einhaltung und Umsetzung aller Normen und Konventionen (Abkommen) der Weltorganisation. Und, nicht zuletzt, wenn er Verstösse und die dafür Verantwortlichen jederzeit klar benennt. Dabei hätte Guterres einen wichtigen und verlässlichen Verbündeten in dem couragierten UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein.
Dringendste Reform: die Finanzierung der humanitären Hilfsaktionen
In seinem letzten UNO-Amt hat Guterres die bittere Erfahrung gemacht, dass ihm die Mitgliedsstaaten die erforderlichen finanziellen Mittel zur Versorgung der syrischen Flüchtlinge im Libanon, in Jordanien und im Irak verweigert haben. Das wichtigste Reformvorhaben, das der neue Generalsekretär sich für seine erste Amtsperiode vornehmen sollte, ist ein neues Finanzierungssystem, das die realen Kosten für humanitäre Notversorgung und alle anderen Aufgaben des UNO-Systems verlässlich deckt und Planungssicherheit ermöglicht. Zum Beispiel durch eine globale UNO-Steuer, berechnet nach dem Bruttosozialprodukt der Mitgliedsstaaten pro Kopf ihrer Bevölkerung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.