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Trump vs. Kim: Kriegerische Wortgefechte statt diplomatische Gespräche © mwn

Kim: USA haben «Strick um den Hals»

Peter G. Achten /  Trump zwitschert laut, sehr laut. Doch Kim Jong-un ist ohne Twitter noch lauter. Kommt es zum Krieg? – Gemach.

Nicht zum ersten Mal stehen die Zeichen zwischen Nordkorea und den USA auf Sturm. Schon die drei Präsidenten vor Trump – Clinton, Bush Jr. und Obama – kennen das. Ungleich Trump agierten sie anders und erreichten gar nichts. Clinton und Bush verhandelten noch und wurden von Kim Jong-il, dem Vater des jetzigen Führers Kim Jong-un, jeweils mit feiner bis kruder Diplomatie, dennoch aber ganz rational, übers Ohr gehauen. Obama schwieg, setzte auf Sanktionen und war sich mit China, Russland sowie den Verbündeten Südkorea und Japan einig, dass ein atomar bewaffnetes Nordkorea inakzeptabel sei. Obamas Nordkorea-Politik wurde offiziell mit dem Gütesiegel «strategische Geduld» bedacht. Auch dieser Zugang zur Frage einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel blieb freilich ohne den kleinsten Fortschritt.
«Strategische Ungeduld»
Seit Anfang Jahr bringt nun US-Präsident Trump eine neue Dimension ins Spiel, welche als «strategische Ungeduld» bezeichnet werden könnte. Während des Wahlkampfes gab sich Trump noch durchaus offen und gegenüber Kim Jong-un schon fast kumpelhaft. Doch mit den Tests von Mittel- und Langstreckenraketen in Nordkorea änderte sich der Ton. Trump steigerte sich in den letzten Monaten in ein immer aggressiveres Gezwitscher und drohte den Nordkoreanern und vor allem dem jungen General Kim Jong-un mit «Feuer und Zorn». Ein allfälliger Angriff auf die amerikanische Pazifikinsel Guam, so Trump, hätte unabsehbare Folgen, man sei bereit und die Streitkräfte hätten «geladen und entsichert».
«Rücksichtsloser militärischer Lärm»
Marschall Kim Jong-un und dessen Propaganda-Maschine liessen sich wie seit Monaten und Jahren auch diesmal nicht bitten. Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA textete rüd-poetisch: Die USA spürten bereits «den Strick um den Hals», verursacht durch ihren «eigenen rücksichtslosen militärischen Lärm». Die USA, so der Ratschlag aus Pjöngjang, sollten gefälligst «mögliche Gewinne oder Verluste mit klarem Kopf abwägen». Kim Jong-un wiederum verbat sich die «arroganten Provokationen» und «einseitigen Forderungen» der USA und forderte Washington auf, «durch Handlungen zu zeigen, ob sie wirklich die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verringern und einen gefährlichen militärischen Zusammenstoss verhindern wollen». Was Raketenabschüsse in die Gewässer von Guam betreffe, sei «das Militär jederzeit einsatzbereit», doch wolle er abwarten.
Raketen als Überlebensversicherung
Kim Jong-un lernte den Umgang mit dem imperialistischen Erbfeind Amerika von seinem Vater Kim Jong-il und seinem Grossvater Kim Il-sung. Seit seinem Machtantritt vor fünfeinhalb Jahren hat sich der junge «Grosse Führer» offenbar mit harter Hand innenpolitisch durchgesetzt und hat mit einem zwar illegalen aber geduldeten Laissez-faire der Wirtschaft ein klein wenig auf die Sprünge geholfen. Die Hauptstadt Pjöngjang, wo die Privilegierten des 25-Millionen-Volkes wohnen, ist freilich noch nicht «fast wie New York», wie neulich ein naiver westlicher Journalist zu berichten wusste. In weiten Teilen des Landes ist nach allem, was man weiss, die Nahrungsmittelsituation noch immer prekär.
Trotz der enormen Kosten aber wird Kim Jong-un und die schmale militärische und zivile Elite auf ihrem Atom- und Raketenprogramm beharren. Es ist die Überlebensversicherung. Nicht ganz ohne Grund fühlt sich Kim Jong-un wie schon sein Vater und Grossvater von den USA bedroht. Kim Jong-un hat die Regimewechsel in Irak und Libyen aufmerksam analysiert und daraus Schlüsse gezogen. Mit andern Worten: Kim Jong-un ist nicht ein irrational handelnder Halbverrückter mit einer komischen Frisur, wie ihn viele westliche Medien immer wieder darstellen, sondern ein rational, hart und präzis kalkulierender Diktator.
China fordert diplomatische Lösung
Nach den Langstrecken-Raketentests im Juli ist nun die Situation erneut eskaliert. Amerikanische Qualitätsmedien berichteten plötzlich, dass Nordkorea in der Lage sei, die USA mit atomar bestückten Raketen ins Visier zu nehmen. Experten wurden zitiert, vor allem jene, die eine unmittelbare Gefahr für möglich halten. Andere Experten wiederum mahnten zur Vorsicht. Doch niemand weiss genau, was wirklich in Nordkorea vor sich geht. Auch die Experten nicht. Alle waren sich jedoch einig, dass Nordkorea angesichts der relativ häufigen Raketentests, in nicht allzu ferner Zukunft eine ernst zu nehmende Atommacht sein werde.
Was China seit Jahr und Tag vorschlägt, nämlich Verhandlungen und Gespräche, ist wohl die einzige Lösung. Peking hat als Vorbedingung für solche Diplomatie vorgeschlagen, dass die USA und Südkorea die jährlichen Manöver vorläufig einstellen und Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm einfrieren sollten. Bislang ohne Erfolg. Washington hat bereits ablehnend reagiert.
Unmittelbare Gefahr?
In vielen westlichen Medien wurde in den letzten Tagen schon die unmittelbare Gefahr eines neuen Atomkrieges heraufbeschworen. Die Hälfte dieses Hypes ist wohl auf das Sommerloch zurückzuführen. Wie sonst könnte das Deutschschweizer Boulevardblatt die Schlagzeile «Welt in Angst!» in fettesten Lettern auf die Frontseite knallen, notabene mit dem Untertitel: «Atomkrieg – das Unvorstellbare ist plötzlich eine echte Bedrohung». In vielen andern Blättern und Online-Medien wurde ähnlich, wenn auch nicht so marktschreierisch getextet und kommentiert. Allerdings gibt es auch löbliche Ausnahmen. Das Deutschschweizer Leitmedium von der Zürcher Falkenstrasse titelte den samstäglichen Kommentar auf der Frontseite analytisch distanziert: «Hysterie ist kein Rezept gegen Nordkorea». Auch chinesische und indische Medien berichteten und kommentierten sachlicher.
Präsident Trump jedenfalls hat die amerikanische Nordkorea-Politik, je nach Ansicht, vom Kopf auf die Füsse oder von den Füssen auf den Kopf gestellt. Die «strategische Ungeduld» hat in den letzten Monaten durchaus etwas in Bewegung gebracht. Die schrill-schrägen Töne aus Pjöngjang überraschen schon lange niemanden mehr, hat doch schon Kim Jong-uns Vater Kim Jong-il versprochen, im Notfall die südkoreanische Hauptstadt Seoul in einem «Feuersturm in Schutt und Asche» zu legen. Die krass-martialischen Töne aus Trumps «geladenem und entsichertem» Mundwerk hingegen sind neu und deshalb gefährlich, weil irgendwann der Punkt kommt, wo sie bei diplomatischem Misserfolg eingelöst werden müssten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Peter Achten berichtet seit Jahrzehnten als Korrespondent aus China.

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Eine Meinung zu

  • am 16.08.2017 um 16:08 Uhr
    Permalink

    "Peking hat als Vorbedingung für solche Diplomatie vorgeschlagen, dass die USA und Südkorea die jährlichen Manöver vorläufig einstellen und Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm einfrieren sollten. Bislang ohne Erfolg. Washington hat bereits ablehnend reagiert."

    Da stellt sich doch die Frage «Wieso lehnt Washington Verhandlungen kategorisch ab, mit denen man erreichen könnte, dass Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm einfrieren muss?».

    Geht es da vielleicht um etwas ganz Anderes, als um die vermeintliche atomare Gefahr, die laut den «Qualitätsmedien» von Nordkorea ausgeht? Hmmmm…

    Stichwort: Mediale Feindbilder

    PS: Gibt es eigentlich klare Beweise dafür, dass Nordkorea tatsächlich über Atomwaffen verfügt oder ist dies einfach wieder so ein «westlicher Konsens"?

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