Kampf gegen Plünderung der Westsahara zeigt erste Erfolge
In der Westsahara liegt eines der grössten Phosphatvorkommen der Welt. Und diese Bodenschätze werden seit Jahrzehnten von Marokko widerrechtlich ausgebeutet. Denn: Als die spanische Kolonialmacht abzog, marschierte Marokko 1975 in das Territorium im Nordwesten Afrikas ein und kontrolliert seitdem den grössten Teil der Westsahara. Seitdem kämpfen die rund 600’000 Einwohnerinnen und Einwohner der ausgerufenen Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) für ihre Unabhängigkeit. Die Uno hat die Besetzung nicht anerkannt, trotzdem warten die Sahraouis nun seitdem gewaltfrei auf das Referendum, dessen Durchführung von Marokko blockiert wird. Die Uno ist lediglich mit der Mission Minurso präsent, die aber nicht einmal Menschenrechtsverletzungen dokumentieren darf.
Immerhin gelingt es jetzt den Sahraouis die Schätze, die in ihrem Boden ruhen, langsam zurückzuerobern: Seit 2011 überwacht die Western Sahara Resource Watch WSRW, eine internationale Nicht-Regierungsorganisation, den Abbau von Bodenschätzen und den Schutz der natürlichen Ressourcen im besetzen Gebiet. Ziel ist es, das Land für die Sahraouis zu schützen und alle Abbauaktivitäten zu verbieten, bis eine endgültige Lösung des Konflikts gefunden wird.
Dünger aus der Sahara
Das Phosphatvorkommen im Nordwesten des Landstreifens gehört zu den grössten weltweit und ist von ausgezeichneter Qualität. Phosphat wird vor allem als Dünger für die Landwirtschaft genutzt – und die Böden durch Überdüngung oft übernutzt. Der Abbau unter der Ägide von Marokko findet im Ort Bou Craa statt. Von dort wird der Rohstoff mit dem längsten Förderband der Welt über 100 Kilometer in den Hafen El Aaiun am Atlantik transportiert. Seit Beginn der systematischen Dokumentation von WSRW ist der Export nun massiv zurückgegangen. 2011 waren es 15 Firmen, die in der Westsahara Phosphat abgebaut haben, 2019 sind es noch sechs oder sieben, wie aus dem neusten Bericht hervorgeht. Grosse Firmen aus anderen Ländern, wie den USA und Kanada, haben sich nach Druck von WSRW zurückgezogen. Letztes Jahr ging das Konflikt-Phosphat laut Bericht nach Indien, Neuseeland, China und Brasilien. Die Firma, die 2019 mit einem Anteil von 43 Prozent am meisten Phosphat bezog, ist Paradeep Phosphates LTD, ein Joint-Venture-Unternehmen, das der marokkanischen und der indischen Regierung sowie einem indischen Privatunternehmen gehört, wie WSRW aufschlüsselt. An zweiter Stelle stehen zwei Firmen in Neuseeland mit gesamthaft 32 Prozent der Importe, an dritter Stelle China mit zwölf Prozent, gefolgt von Brasilien mit sieben Prozent. Der Wert der Phosphatexporte betrug letztes Jahr rund 90 Millionen US-Dollar. Das ist noch rund die Hälfte der letzten Jahrzehnte. Besonders stossend bezeichnet WSRW die Tatsache, dass Marokko an den Abbaufirmen beteiligt ist und sich so einen grossen Teil der finanziellen Gewinne einverleibt.
Auch Schweizer Firmen beteiligt
Der Bericht kritisiert auch die staatliche marokkanische Phosphatfirma OCP (Office Chérifien des Phosphates), die unter dem Namen Saftco ein Büro in Genf hat. Der OCP gehört die Mine in der besetzten Westsahara, die von der OCP-Tochter Phosboucraa betrieben wird. Auch die Schiffsunternehmen, die sich 2019 am Transport des Phosphats beteiligten, werden von WSRW aufgelistet. Der Beobachtungsstelle helfen dabei moderne Technologien wie GPS-Tracking. Eines der 19 Schiffe wird von der in Lugano ansässigen Firma Nova Marine Carriers SA betrieben. Gemäss Bericht verliess ein Schiff von Nova Marine Carriers SA die Westsahara mit Ziel Paradip, Indien. An Bord der «Sider Tis» befand sich Phosphatgestein von geschätzten 54’400 Tonnen. WSRW hat der Firma am 9. Januar dieses Jahres geschrieben und um Stellungnahme gebeten, bisher blieb die Antwort aus.
Das Verfolgen der Schiffe, die vom Hafen El Aauin ablegen, ist für die Beobachtungsstelle eine wichtige Informationsquelle, mit der sie konkret Firmen und Ladungen identifizieren können. Mit diesem Tracking konnte die Frente Polisario, der politische Arm der DARS, 2017 einen Durchbruch zur Ächtung des Phosphatabbau in der Westsahara erzielen: Sie liessen ein Schiff in Südafrika anhalten, mit der Begründung, dass die Besitzverhältnisse der Phosphatladung nicht geklärt seien. Ein südafrikanisches Gericht sprach das Phosphat an Bord des Schiffes dann der Regierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) als deren rechtmässige Besitzer zu. Dieses Gerichtsurteil hat dazu geführt, dass das juristische und auch finanzielle Risiko für in der Westsahara engagierte Unternehmen nun gestiegen ist.
Schweiz soll sich klar positionieren
terre des hommes schweiz ist Ansprechsstelle von WSRW in der Schweiz und unterstützt Projekte in der Westsahara. Sylvia Valentin von terre des hommes schweiz betont, dass nicht nur der Phosphatabbau allein dem Selbstbestimmungsrecht der Sahraouis schade, sondern auch der Bau von Infrastrukturprojekten. «Diese schaffen Tatsachen und ziehen immer mehr marokkanische Siedler an.» In diesem Zusammenhang kritisiert terre des hommes schweiz die Zementfabrik Lafarge Holcim Maroc, die zur Hälfte der Lafarge Holcim, mit Sitz in der Schweiz und dem marokkanischen Königshaus gehört. Für Valentin ist klar: «Schweizer Firmen sollen sich weder am Phosphatabbau, noch am Transport oder an Infrastrukturprojekten beteiligen.» Investoren sollten auch nicht in Firmen, die an der rechtswidrigen Ausbeutung von Ressourcen in der besetzten Westsahara beteiligt sind investieren. Und an den Bundesrat richtet Valentin den Appell: «Die Schweizer Regierung soll eine klare Position einnehmen und Firmen von Aktivitäten in der besetzten Westsahara abraten.»
Infosperber hat immer wieder über den vergessenen Konflikt in der Westsahara berichtet.
5. Januar 2016
«Mohamed Abdelaziz kämpfte, wo Völkerrecht seit Jahren nicht gilt. Nach seinem Tod könnte sich der Frente Polisario radikalisieren.»
5. Januar 2020
«Grosses Schweigen zu Marokkos Kriegsverbrechen in Westsahara»
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Infosperber Dossier
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Wo nichts ist, kann wohl auch nichts geplündert werden. V.a. in einem Markt ohne Zukunft.