Jungspund Kim: Bomben, Lippen, Zähne
Wer nur hätte das für möglich gehalten – der Sohn ist nicht wie der Vater, noch weniger der Enkel wie der Grossvater, wie an dieser Stelle vor kurzem behauptet worden ist. Vielmehr: der Sohn übertrifft beide. Vom Kim Jong-un und von Nordkorea ist hier die Rede.
Jungspund Kim Jong-un liess kürzlich die Erde beben. Es war nach 2006 und 2009 der dritte unterirdische Atomversuch Nordkoreas. Wie mächtig das Bömbchen war, ebenso ob aus Plutonium oder Uran gefertigt, ist noch unklar. «Erzfeind Amerika» und die internationale Gemeinschaft sind empört und bereiten im Rahmen der UNO neue Sanktionen vor. China, Nordkoreas letzter diplomatischer Freund, ist überrascht und peinlich berührt. Parteichef Xi Jinping steht vor seinem ersten weitreichenden aussenpolitischen Test.
Die «starke Atommacht»
Den Mut zur Bombe ihres «lieben Kim Jong-un» priesen überschwänglich hunderttausend Nordkoreaner und Nordkoreanerinnen auf dem Kim-Il-sung-Platz im Zentrum von Pjöngjang. Der Atomtest, lobhudelten die Redner, sei eine «wunderbare Vorführung der Kraft einer wissenschaftlichen Macht, die jeden Schlag ausführen kann».
Als Nordkorea mit allem Staats-Brimborium den 71. Geburtstag des im Dezember 2011 verstorbenen «Geliebten Führers» Kim Jong Il beging, nutzte das protokollarische Staatsoberhaupt des Landes, Kim Yong Nam, nach Berichten der Staatsmedien die Gelegenheit, den Atomtest als grossen Erfolg zu preisen. Das nordkoreanische Volk und das Militär hätten der Welt klar gezeigt, dass Nordkorea eine «starke Atommacht» sei.
Die härtere Gangart
Ein bis zwei weitere Atom- sowie Raketentests werden noch dieses Jahr folgen, meldete die Nachrichten-Agentur Reuters gestützt auf Aussagen einer sowohl in Peking als auch in Pjöngjang gut vernetzten Quelle. Wie in der Vergangenheit macht Pjöngjangs Propaganda die Detonation weiterer Atomsprengsätze davon abhängig, ob «Erzfeind Amerika» sein Verhalten ändere und die «feindselige Politik» aufgebe.
Der junge Kim – obersten Führer der Partei, des Volkes und der Streitkräfte – setzt damit nahtlos die Politik seines im Dezember 2011 verstorbenen Vaters Kim Jong-il fort. Nur härter und entschlossener. Während Beobachter im Westen wenig realistisch bereits Anzeichen von Öffnung und Wirtschaftsreform wahrzunehmen glauben, setzt der junge Kim ganz auf die «Militär-Zuerst»-Politik.
Wer mit Nordkoreanern spricht, merkt bald, dass sich Nordkorea militärisch bedroht fühlt. Vom «Erzfeind Amerika» und den «südkoreanischen und japanischen Marionetten». Man mag das als Propaganda abtun, doch klar ist auch seit über einem Jahrzehnt, dass Pjöngjang direkte Gespräche mit den USA, diplomatische Anerkennung durch Washington und einen Friedensvertrag anstrebt. Noch nämlich gibt es auf der koreanischen Halbinsel keinen Frieden, sondern nur einen nach dem Koreakrieg 1953 abgeschlossenen Waffenstillstand.
Gebrochene Versprechen
Die neueste Entwicklung hat China in eine schwierige Lage versetzt. Nach allen Atomtests hat Peking die «betroffenen Länder» jeweils mantramässig dazu aufgerufen, die anstehenden Probleme «durch diplomatische Verhandlungen» zu lösen. Eigens dafür hat die chinesische Führung 2003 die sogenannten Pekinger 6er-Gespräche (Nord- und Südkorea, Japan, China, Russland, USA) eingerichtet. Dort hat Nordkorea für wirtschaftliche Gegenleistungen stets das Blaue vom Himmel versprochen, zum Beispiel die Einstellung seines Atomprogramms. Doch nie wurden die Versprechen eingelöst. Nach den zwei Atomtests 2006 und 2009 verabschiedete sich Nordkorea vom diplomatischen Pekinger Parkett und setzte ganz auf die atomare Lösung.
Für Chinas neuen Parteichef Xi Jinping ist der nordkoreanische Atomtest und das selbstbewusste, in chinesischen Augen gar arrogante Handeln des jungen Kim eine grosse aussenpolitische Herausforderung. Die ersten Reaktionen Pekings nach dem Test fielen wie gewohnt relativ milde aus mit einem Aufruf zur Mässigung und zur Einhaltung des Versprechens einer atomwaffenfreien Koreanischen Halbinsel. Doch dann berief Chinas Aussenminister Yang Jiechi den nordkoreanischen Botschafter Ji Jae Ryong ins Aussenministerium, um ihm die Leviten zu verlesen. Das war ungewöhnlich und deutete einen neuen Tiefpunkt in den gegenseitigen Beziehungen an.
Überschätzter Einfluss Chinas
So wird sich China denn auch an den UNO-Sanktionen beteiligen. Allerdings werden diese nicht viel ausrichten. Nordkoreas wirtschaftlicher Austausch mit dem Ausland ist gering. Tatsache ist, dass es kaum Alternativen gibt. Das einzig wirksame wäre eine See-Blockade, doch das verbietet sich nach Einschätzung aller beteiligten Nationen nur schon darum, weil das Krieg bedeuten würde. Nur China als diplomatischer Freund Nordkoreas könne etwas ändern. Das jedenfalls glauben die USA, Südkorea und Japan. Denn China liefert dem isolierten Nordkorea Erdöl, Gas, Nahrungsmittel und Investitionen. Ohne Chinas wirtschaftliche Unterstützung wäre Nordkorea nicht überlebensfähig.
Der Einfluss Pekings auf Pjöngjang freilich wird, wie eben der dritte Atomtest und die Ankündigung weiterer Tests zeigen, masslos überschätzt. Kim Jong-un, so sieht es jetzt aus, agiert auf Augenhöhe mit Peking. Parteichef Xi Jinping wird darum jetzt am Anfang seiner zehnjährigen Amtszeit wichtige aussenpolitische Entscheidungen treffen müssen. Mit den USA will er «einen neuen Typus von Beziehungen zwischen zwei Grossmächten» etablieren. Für die USA, welche die aufstrebende Nuklearmacht Nordkorea als eine «Bedrohung der nationalen Sicherheit und des internationalen Friedens» wahrnehmen, wäre beispielsweise grösserer Druck Chinas auf Nordkorea ein gutes Zeichen für künftige Kooperation.
Nationale Interessen statt Freundschaft
Doch für Chinas Parteichef Xi ist die Frage nicht leicht zu lösen. Ein grosses Dilemma also. Zuwenig Druck, so chinesische Politikwissenschafter, erhöht die Gefahr eines noch stärkeren Engagements der USA in Asien sowie eine Verstärkung der amerikanisch-japanischen ballistischen Raketen-Abwehr. Zuviel Druck andererseits bedeute Destabilisierung, vielleicht gar den Kollaps Nordkoreas. Ein vereinigtes Korea als US-Verbündeter ist der ultimative Albtraum Chinas.
Mit andern Worten, die Chinesen fürchten Chaos und Instabilität in Nordkorea mehr als die zwar wachsende, aber bescheidene Nuklear- und Raketenmacht Nordkorea. Peking würde wohl erst dann den Druck auf Nordkorea erhöhen, wenn das nordkoreanische Atomwaffen-Arsenal so gross wird, dass es zu einem Wettrüsten in Asien führte. So wird die Volksrepublik China fürs erste zwar versuchen, Nordkoreas atomare Ambitionen zu behindern.
Trotz aller Bedenken aber werden Nordkorea und China in jedem Fall enge diplomatische Partner bleiben. Parteichef Xi Jinpings Nordkorea-Prioritäten sind klar: Kein Krieg, kein Chaos, keine Instabilität und erst zuletzt keine Atomwaffen. Dass ist auch der Grund, warum Nordkoreas «Junger General» Kim Jong-un wohl richtigerweise kalkuliert, dass auch ein vierter und fünfter Atomtest an den Beziehungen zu China nichts ändern wird. Die Freundschaft ist zwar nicht mehr so eng «wie Lippen und Zähne» wie zur Zeit von Kims Grossvater Kim Il-sung. Doch für den knallharten Realpolitiker Kim junior sind eh nicht Freundschaft, sondern nationale Interessen das Markenzeichen einer ernst zu nehmenden Regionalmacht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Langweiliges Säbelrasseln; seit 1953. Die USA haben gar kein Interesse daran, dass in dieser Region je Frieden einkehrt. Hier in Südkorea sind seit sechzig Jahren 50`000 US-Soldaten anwesend. Bis an die Zähne bewaffnet und, wenn es sein muss, innerhalb kürzester Zeit in Pjöngjang, beim “lieben Führer Kim“. Zehn Minuten Flugzeit.
Meine Copiloten sind ehemalige F-16 und F-15 Kampf-Piloten der südkoreanischen Luftwaffe. Deswegen weiss ich auch, dass Südkorea niemals eine Wiedervereinigung mit dem Norden anstreben wird. Der Status Quo ist für fast alle eine win-win Situation. Ausser für das nordkoreanische Volk, welches den Preis dafür bezahlt. Südkorea könnte sich einen Zusammenschluss gar nicht leisten (siehe Deutschland).
Aber die USA sind ja bekannt dafür, weltweit diese George Bush-Feuer am Leben zu halten. Ihre Waffensysteme müssen schliesslich Abnehmer finden. Die zuständigen Regierungsmitglieder erhalten dafür die Kickbacks in US-Dollars. Natürlich nur, wenn sie ihrem Volk glaubwürdig erzählen, wie böse der Feind ist. Das funktioniert in Afrika genauso wie in Asien.
Nordkoreas Kim spielt in diesem Monopoly kräftig mit. Mit Unterstützung aus Beijing und Washington, natürlich. Und die Presse tappt, wie weiland Derrick, im Dunkeln. Harry, hol` den Wagen. Die USA brauchen einen Kim Jong Un, welcher ab und zu einen Test macht. Nordkorea wäre innerhalb drei Tagen von ihm und seinen Schergen befreit. Das kann so schwer nicht sein. Ich bin selber schon zigmal über Nordkorea geflogen. Ich denke, dass die hier stationierten F-15 und F-16 leichtes Spiel hätten mit den steinalten, unbrauchbaren MiG21 des Nordens. Ich kenne viele Militärpiloten der US Air Force, welche exakt zum gleichen Schluss kommen. Das Ganze ist ein Theater. Und vor allem nichts Neues. Die Instabilität wird von allen beteiligten Regierungen professionell im Äquilibrium gehalten. So hoffen wir wenigstens…
Gruss aus Seoul