Jetzt ist der Plastik-Müll im Blut von Menschen nachweisbar
Nur neun Prozent des weltweit verwendeten Kunststoffs werden recycelt. Zu diesem Schluss kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die mit dem «Plastics Outlook» im Februar einen umfangreichen Report über die globale Verwendung von Plastik vorgelegt hat.
Bildlich gesprochen ginge von den Coronamasken, Plastiksäcken, Sandkastenschaufeln, Damenbinden, Colaflaschen, Badelatschen, Polyesterhemden, Zigarettenkippen, Wäschekörben, dem Plastikbesteck und dem Gehäuse der kaputten Bohrmaschine, die sich vielleicht in Ihrem Müllkübel finden, am Ende nur das Polyesterhemd in die Wiederverwertung.
Nicht, dass mit dem grossen Rest annähernd nachhaltig umgegangen würde: Die Hälfte des global benutzten Plastiks wird deponiert, ein kleiner Teil verbrannt, 22 Prozent verschmutzen die Umwelt direkt. Die OECD fordert globale Lösungen, die auch die einkommensschwachen Länder mit einbeziehen.
Die Müll-Politik schlägt zurück: Kunststoff-Rückstände in Blutproben
upg. «Mikroplastik im Blut» titelten kürzlich Zeitungen: Forscher haben in 17 von 22 Blutproben Rückstände von Kunststoff gefunden. Die Auswirkungen auf die Gesundheit werden sich erst noch zeigen. Es ist noch nicht klar, ob sich die Mikro-Plastikteile im Körper anreichern oder wieviel davon ausgeschieden wird. Am häufigsten war das Blut mit PET (von Getränkeflaschen) belastet. Es folgte Polystyrol (von Lebensmittelverpackungen) und Polyethylen (von durchsichtigen Folien). Forscher der Freien Universität in Amsterdam haben ihre Studie in der Fachzeitschrift «Environment International» veröffentlicht.
Die Forscher haben akribisch darauf geachtet, dass die Blutproben bei der Entnahme und während des Testverfahrens mit keinem Kunststoff in Berührung kamen. Der Mikro-Kunststoff gelangte also mit kontaminierten Nahrungsmitteln in den Körper.
Mehr in «The Guardian».
Müllberg wächst schneller als die Plastikproduktion
2019 wurden 460 Millionen Tonnen Kunststoff verwendet, doppelt so viel wie 19 Jahre zuvor. Noch schneller wuchs seit der Jahrtausendwende der daraus entstehende Plastikmüllberg. Dieser hat sich auf 353 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt. Die Eindämmung der Plastikflut ist bisher also wenig erfolgreich.
Die meisten Kunststoffprodukte haben eine absehbar kurze Lebensdauer. Fast zwei Drittel aller weggeworfenen Plastikprodukte wurden weniger als fünf Jahre lang verwendet. 2019 waren zwei Fünftel des Plastikmülls Verpackungen, 12 Prozent Konsumgüter und 11 Prozent Kleidung.
Kreislaufwirtschaft? Kaum
Mehr als ein Fünftel dieses Mülls (22 Prozent) wird unkontrolliert entsorgt, offen verbrannt, gelittert oder in die Umwelt gekippt. Die Hälfte wird auf kontrollierten Deponien entsorgt. Aus dem knappen Fünftel, das verbrannt wird, liesse sich theoretisch noch thermische Energie gewinnen. Wegen der dabei entstehenden Abgase geht Verbrennung aber auf Kosten des Klimas. Die meisten Klimagase entstehen aber bei der Herstellung von Plastik.
Von Kreislaufwirtschaft also keine Spur. Oder nur sehr wenig: Von den 55 Millionen Tonnen Kunststoffmüll, die 2019 zur Wiederverwertung eingesammelt wurden, blieben 22 Millionen Tonnen Recyclingrückstände übrig, die weiter entsorgt werden mussten. Recycelt wurden also unter dem Strich nur neun Prozent der Plastikproduktion.
Nur sechs Prozent des Weltmarkts bestehen aus Recyclingplastik
Der allergrösste Teil aller Kunststoffe weltweit wird direkt aus Öl und Gas hergestellt. Seit 2000 hat sich der Anteil an Recyclingplastik zwar vervierfacht. Mit 29 Millionen Tonnen oder sechs Prozent Produktionsanteil ist er 2019 aber noch immer klein. Über die Stoffströme von Recyclingkunststoff gebe es auch vergleichsweise wenig Daten, bemängelt die OECD.
Neben den zahlreichen Hindernissen bei der Wiederverwertung wie Trennung, Sammlung und Sortenreinheit liegt der geringe Recyclinganteil zuallererst am Preis. An diesen Stellen könnte die Politik eingreifen.
OECD fordert koordinierte globale Anstrengungen
Die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung der Müllproblematik, das ist an diesen Zahlen sichtbar, sind deutlich zu gering. Die OECD fordert darüber hinaus koordinierte und globale Lösungen, die die weniger wohlhabenden Länder mit einbeziehen. Die Umweltorganisation Greenpeace hat im September 2021 dargelegt, dass Kreislaufwirtschaft kein Ausweg aus dem Mülldilemma ist, und fordert umfassende Mehrweglösungen (Infosperber: «An Mehrweg führt kein Weg vorbei»).
Grossen Einfluss auf die Müllmenge hat unser Verhalten, das zeigt die Bilanz des Covid-Jahres 2020. In diesem Jahr wurden weltweit rund zwei Prozent weniger Einmalplastik verwendet, bei sonst stetig steigenden Zahlen. Am meisten ging die Müllmenge in den USA zurück.
Reifen fliegen in die Arktis, Flüsse bekommen ein Plastikbett
Verringern muss sich laut der OECD vor allem die Plastikmenge, die unkontrolliert entsorgt wird. Allein 2019 gelangten beispielsweise 6,1 Millionen Tonnen Plastikmüll in Gewässer, wo sich bisher schätzungsweise 139 Millionen Tonnen Plastik angesammelt haben. Über kurz oder lang landet dieses in den Ozeanen, wo es sich kaum noch entfernen lässt. Nach Schätzungen des «Pew Research Centers» von 2020, die etwas höher ausfallen als die der OECD, gelangen jedes Jahr etwa 11 Millionen Tonnen Plastik ins Meer.
Ein kleinerer Teil der globalen Plastikverschmutzung sind Mikroplastik-Partikel, vor allem aus Brems- und Reifenabrieb. Sie entstehen hauptsächlich in urbanen Ballungsräumen, sind aber sehr mobil. Plastik reist so bis in die Arktis und schneit auf die Rocky Mountains (Infosperber «Es regnet Plasik»).
OECD mahnt bessere Regulierung an
Länder gehen mit Plastikmüll unterschiedlich um. Die OECD-Mitglieder Kanada, USA und die EU-Länder verursachen gemessen am Gesamtaufkommen einen relativ kleinen Anteil an Umweltverschmutzung. Grösser ist er in Indien, Lateinamerika und Afrika. Die Industrieländer produzieren pro Kopf aber auch am meisten Plastikmüll, Schwellenländer holen mit steigendem Wohlstand auf. In der Bilanz gelangt mehr Plastikmüll in die Umwelt, als zur Wiederverwertung eingesammelt wird.
120 Länder haben bereits Gesetze und Regulierungen für Einmalplastik, einige betreiben Pfandsysteme, die meisten erheben Gebühren für Deponiemüll. Die Schweiz hat zwar gute Mülltrennungssysteme, verbrennt aber ausser PET-Flaschen den meisten Plastikmüll. Von diesen kommen dann 40 Prozent tatsächlich auch im Kreislauf an – das allerdings ist der beste Wert weltweit. Deutschland hat den Gelben Sack und verwertet etwa die Hälfte seines Plastikverpackungsmülls, will diese Quote aber steigern. Beide Länder exportieren Müll ins Ausland.
Lokale Anstrengungen zur Mülltrennung und Förderung von Recycling müssten mehr unterstützt, internationale Kooperationen verstärkt werden, schlägt die OECD vor. Die Organisation rät, innovative Verbesserungen wie die Verringerung der Menge an benötigtem Rohplastik bei der Produktion verstärkt zu fördern, Materialien länger zu nutzen und Recylingprozesse zu verbessern.
Bei der fünften Tagung der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) die Ende Februar kurz nach der Veröffentichung des OECD-Reports stattfand, einigten sich die Teilnehmer, bis 2024 ein bindendes Abkommen aufzusetzen, das den gesamten Plastik-Lebenszyklus umfasst.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Warum wird der Kunststoff nicht einfach verboten? Ich weiss, Wirtschaft ist dagegen…, aber ich frage mich gerade warum es uns erlaubt ist mit Kunststoffen biologisch zu vergiften und die Umwelt zu grunde richten?
Mir fällt beim besten Willen nicht ein einziges Produkt aus Kunststoff ein, welches nicht auch durch ein anderes ungiftiges und umweltschonendes Material ersetzt werden könnte.
Weil das a) unverhältnismässig und b) zum Teil sogar kontraproduktiv wäre. Letzteres weil Ersatzmaterialien unter Umständen eine schlechtere Ökobilanz aufweisen. Ersteres weil korrekt entsorgter oder gar recyclierter Plastik im schlimmsten Fall ein Nebenproblem ist, aber vielleicht sogar für eine vollständige Verbrennung des Kehrichts nötig ist, d.h. sonst durch Zugabe von Brennstoff ersetzt werden müsste. Das wirkliche Problem sind wie bereits erwähnt die roten Balken des «mismanaged & littered» Plastiks.
Danke. Nachdem meine Lebensgefährtin einen kleinen Buckel am Rücken rechtsseitig bekam, mit Juckreiz, 1 cm Durchmesser, hatte ich diesen steril eröffnet. Unter einem braunen nun entfernten Deckel geronnenen Blutes und nekrotisiertem Gewebe konnte ich ca. 7 bis 9 feine Fäden, bis 1 cm lang, aus dem Gewebe ziehen. Diese waren nahezu senkrecht im Gewebe drin. Danach wurde die Stelle welche das rosarote Unterhautgewebe zeigte, mit einer Sulfonamid-silberionen haltigen Salbe und einem Pflaster abgedeckt. Nach 3 Tagen war es sauber verheilt. Das Dunkelfeld (1000x mit Immersionsoel) zeigte Kunststoff-Fäden, der Bildvergleich mit Mikroskopievorlagen ließ auf Phtalate schließen. Die Rauchprobe hinterließ einen Plastikgestank. Der Luftwäscher (Dest.Wasser) zeigte, daß die Kunststoffe in der Luft sind. Phtalate neigen dazu, sich als Moleküle fadenartig aneinander zu heften. Das was die meisten für Spinnenfäden halten im Morgentau über dem Weizen, stinkt beim Rauchtest überwiegend nach Plastik.
Allein schon durch die schiere Menge der hier präsentierten Hiobsbotschaften könnte man leicht den Überblick verlieren. Einordnung tut deshalb not. Wie relevant ist z.B. der Beitrag der Plastikherstellung (und -verbrennung) zum globalen CO2-Ausstoss? (Vermutlich nicht sehr gross.) Die OECD hat deshalb recht, wenn sie Prioritäten setzt und den Finger auf den ganz grossen wunden Punkt legt, nämlich die unkontrollierte Entsorgung von 22 % des Plastiks -d.h. dir hellroten Balken in obiger Grafik. Wenn man schaut, wo genau dieses Problem besteht, kommt man schnell auf die Idee, dass es hierfür eine Art weltweiten «Marshallplan» zur Schaffung sachgerechter Entsorgungsstukturen braucht.
Mülldeponien verursachen auch klimarelevante Emissionen:
https://www.geo.de/natur/oekologie/methan-emissionen-von-muelldeponien-staerken-klimawandel-30925082.html
Abgesehen davon wird der Plastik im Blut vieler Leute kaum aus dem pazifischen Ozean kommen, sondern eher aus unserer Umwelt.
Ja wow, und das überrascht jetzt jemanden ? Vor ein paar Jahren als gemeldet wurde, dass sich Mikroplastik in Fischen anreichert hab ich bei anderer Gelegenheit geantwortet, «aha, und das ist ok solang es nur in den Fischen ist ? Ihr werdet euch noch wundern.»
Guten Abend,
hier eine Abbauliste von einigen Stoffen in der Umwelt:
Abbauzeiten von ….
– Speiseresten 3 Monate
– Zigarettenkippe 2 . 60 Jahre
– Schrott(Dosen) 150 Jahre
– Plaste 500 Jahre
– Glas (Flaschen) 4000 Jahre
– Informationen, die von den Naturfreunden im Harz aufgestellt waren
Datei erstellt am 02. April 2022
Der Natur ist es völlig egal, wie der Mensch mit ihr umgeht. Den Schaden hat allein der Mensch zu verkraften. Die Menschheit schafft sich durch die Umweltverschmutzung selbst ab.
«Natur unter Beschuß/Die Zerstörung der Natur durch Militär und Kriege» D2013 ( Siehe Reihe von Gerd Scobel auf 3sat u.a.
Mit einem Schwert kann keiner gegen eine Atombombe fechten!
Viele Grüße,
Kurt Wolfgang Ringel aus Braunschweig.
Plastik wäre eine Rohstoffquelle, je nach Arte der Kunststoffe könnten diese viel Energie abgeben beim Verbrennen oder bei chemischen Reduktionsprozessen. Es liegt an der Regierung, durch Lenkungsabgaben und Subventionen, diesen Prozess in Gang zu setzen. Da der Kapitalismus nach oben noch nicht reguliert ist und Konzerne nicht haftbar gemacht werden, lockt das schnelle Geld mit Hype-Produkten welche die Umweltverschmutzung noch vergrößern. Vielleicht wird es eines Tages Plastik Fischer geben in den Weltmeeren…Die Konzerne sind ja oft mächtiger als die Regierungen.