Kommentar
Jetzt führt die UBS das dunkle Mosambik-Kapitel der CS weiter
Red. Thomas Kesselring berichtete auf Infosperber seit 2016 über den Kreditskandal in Mosambik, in den die Credit Suisse verwickelt war. Es ist eine der noch nicht verdauten Altlasten, welche die UBS übernommen hat und für welche die Steuerzahler jetzt teilweise haften.
Kesselring unterrichtete jahrelang an einer Universität in Mosambik. Folgender Beitrag erschien am 17. Juni in etwas kürzerer Form auf InsideParadeplatz.
Zum schmuddeligen Teil des Erbes, das die UBS von der CS übernahm, gehören die Aktenordner zum Kreditskandal mit Mosambik.
Im September oder Oktober sollten am London Court diverse Klagen und Gegenklagen zu diesem Kasus verhandelt werden, darunter auch eine Klage des Staates Mosambik gegen die ehemalige CS.
Jetzt ist unsicher, ob diese Klage überhaupt verhandelt werden wird. Die Credit Suisse hat am 14. Juni beim Gericht die Abweisung dieser Klage beantragt.
Milliardenkredite und Bestechungsgelder
2013 respektive 2014 vergaben die CS London und die russische Bank VTB London an Mosambik drei Kredite von insgesamt 2,07 Milliarden Dollar.
Die CS zahlte zwei Kredite in der Höhe von 1’004 Millionen Dollar an die libanesische Firma Privinvest für den Bau einer Küstenschutz- und Thunfisch-Fischereiflotte in Mosambik.
Das afrikanische Land sollte für diese Kredite geradestehen. An die gleichen Projekte finanzierte die russische Staatsbank VTB weitere 1’003 Millionen.
Im Vorfeld waren Bestechungsgelder von rund 200 Millionen Dollar geflossen. Die Kredite waren verfassungswidrig, weil sie vor dem Parlament Mosambiks, das sie hätte absegnen müssen, geheim gehalten worden waren.
Und sie waren auch weder dem IWF noch den Geber-Ländern gemeldet worden.
Als das Ausmass des Skandals im April 2016 international publik wurde, froren IWF und die Geberländer die Budgethilfe an Mosambik während der folgenden fünf bis sechs Jahre ein.
Das Land musste Insolvenz anmelden, und mindestens eine Million Menschen fiel unter die Armutsgrenze.
Die Schiffbaufirma lieferte übrigens nach und nach die Schiffe. Von mosambikanischer Seite verlautete aber, sie hätten sich als unbrauchbar erwiesen. Überteuert waren sie auch. Seit einigen Jahren rosten sie im Hafen von Maputo still vor sich hin. Drei Investmentbanker der CS London hatten zwei dieser Kredite vorbereitet und dafür eine zweistellige Millionen-Summe kassiert.
Zwei der Banker verliessen gleich danach die Bank und eröffneten in einem schmucken Zürcher Altstadthaus – als Filiale des libanesischen Schiffbauunternehmens – eine Firma namens Palomar Capital Advisors, die den Zahlungsverkehr zwischen dem Schiffbauer und Mosambik abwickeln sollte.
Im März 2016, als einer der Kredite umgeschuldet wurde, waren die beiden Ex-Banker wieder mit von der Partie, diesmal aber auf der Gegenseite.
Dass ein führender Mitarbeiter der CS London, der sich von Anfang an gegen die Mosambik-Kredite ausgesprochen hatte und der gegen alle Versuche, ihn umzustimmen, resistent blieb, am Tag nach der Beschlussfassung die Bank verlassen musste – wegen einer „Umstrukturierung“, wie es im CS-Jargon hiess – sagt einiges aus über die „Kultur“ des damaligen Investment-Business der CS.
Als die Audit-Firma Kroll 2017 sechs Monate lang den Fall Mosambik untersuchte, kooperierte die CS nicht und beschwerte sich im Nachhinein stattdessen bei der Audit-Firma, sie habe die von der Bank eingenommenen Gebühren viel zu hoch angesetzt.
Die CS-Chefs waren Meister im Wegsehen und Verdrängen der internen Probleme.
Diese (und diverse andere) eigenartigen Vorfälle fielen alle in die Ära, als Urs Rohner den CS-Verwaltungsrat präsidierte. An Aktionärsversammlungen auf die Vorfälle angesprochen, erweckte Herr Rohner den Eindruck, die Geschichte teils anzweifeln, teils bagatellisieren zu wollen. Als er im April 2019 zum vierten Mal darauf angesprochen wurde, antworteten er und Chefjurist Romeo Cerutti einhellig, sie hätten die Interna zu dieser Kreditvergabe erst vor kurzem erfahren: durch die Anklageschrift eines New Yorker Gerichts gegen die drei fehlbaren CS-Banker. Das Aktionariat nahm diese Erklärung der hohen Herren kopfnickend zur Kenntnis. Weder von der Bankenaufsicht Finma noch von den Medien ging jemals der geringste Druck auf die Teppichetage der CS aus, die obskuren Vorfälle zu untersuchen. Die Chefs sahen keinen Anlass, proaktiv tätig zu werden und die interne Kultur auch nur zu durchleuchten.
Die grösseren Schweizer Medien griffen das Kredit-Schlamassel mit Mosambik nie ernsthaft auf. Ganz anders die Beschattungsaffäre gegen Iqbal Khan im Spätsommer 2019. Genüsslich wurde diese wochenlang von den Medien hin- und hergewälzt. Den um Dimensionen schwerer wiegenden Mosambik-Skandal hatten sie hingegen kaum auf dem Radar. Mangelnder Druck von aussen dürfte dabei mitgespielt haben, dass der CS-Verwaltungsrat dem Zerfall des Firmen-Ethos weiterhin freien Lauf liess – mit den Folgen, die inzwischen jeder kennt.
Dass die Credit Suisse just am Tag, nachdem sie offiziell zu existieren aufgehört hat, erneut ins Schlaglicht rückt, und dies zudem mit der Mitteilung, ihre Anwälte hätten beim Londoner Gericht eine Abweisung der mosambikanischen Klage beantragt, dürfte weitherum Kopfschütteln auslösen.
Mosambiks Regierung ist an einer gerichtlichen Aufklärung wenig interessiert
Wer aber die Hintergründe kennt, für den ist diese neue Entwicklung nicht allzu erstaunlich. Denn der gegen die CS klagende Staat Mosambik – besser gesagt seine Repräsentanten – hat leider ebenfalls Dreck am Stecken.
Mosambiks Präsident Filipe Nyusi ist nämlich tief in den Kreditskandal verwickelt. Zur Zeit der Kreditvergabe war er als Verteidigungsminister zuständig für das Dossier Küstenschutz. Sein Vorgänger, Präsident Armando Guebuza, war ebenfalls involviert. Seinen Sohn verurteilte das mosambikanische Gericht letzten Dezember wegen seiner Rolle im Skandal zu 12 Jahren Haft, und die Sekretärin des Ex-Präsidenten zu 11 Jahren – den Ex-Präsidenten selbst wagte man nicht anzutasten.
Dennoch hat Senhor Nyusi allen Grund, sich vor dem Verlust seiner Immunität, die er als Präsident noch geniesst, zu fürchten. In knapp anderthalb Jahren sind Präsidentschaftswahlen. Und was tut er? Etwas ganz Ähnliches wie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: Nachdem sie sich allzu lange als über dem Gesetz stehend betrachtet haben, klammern sich die beiden an ihr Amt, weil es sie vor Strafverfolgung schützt. Netanyahu wollte durch Verfassungsänderung die Unabhängigkeit des Gerichts aufheben. Nyusi möchte ebenfalls die Verfassung ändern, um sich in eine dritte (von der Verfassung nicht vorgesehene) Amtszeit flüchten zu können.
Am Londoner High Court ist neben der Klage Mosambiks gegen die Ex-CS eine Gegenklage der Bank gegen Mosambik hängig, ferner eine Klage der russischen Bank gegen Mosambik sowie eine Klage Mosambiks gegen die Schiffbaufirma Privinvest und deren Gegenklage gegen Mosambik. Und so weiter.
Nicht zuletzt bereiten die Gläubiger des 850-Millionen schweren Thunfischflotten-Kredits gegen die einstige CS auch noch eine Sammelklage vor, weil die Bank den Kredit mit schmackhaften Bonds finanziert und die Käufer über die dubiose Natur des Kredits getäuscht hatte.
Deswegen wurde die CS im Oktober 2021 von der amerikanischen und englischen Banken-Aufsicht zu einer Busse von 475 Millionen Dollar verknurrt. (Die Finma schloss sich dem mit einem leisen Rüffelchen an.)
Weshalb sind gerade jetzt die Anwälte der Bank aktiv geworden? Das Londoner Gericht hat seit Jahresbeginn von Mosambik mehrfach Dokumente zu den Umständen angefordert, unter denen die Regierung in den Jahren 2012 bis 2014 dem Deal mit den Banken zugestimmt und die weiteren Prozesse begleitet hatte. Diese Akten sind unerlässlich, denn in den Klagen und Gegenklagen steht Aussage gegen Aussage. Aber das Gericht wartet noch immer auf die erbetenen Akten.
Nun steht bald die Sommerpause an – die Zeit wird knapp.
Die Schiffbaufirma Privinvest hielt in ihrer Klage gegen Mosambik nicht ohne Häme fest, welche Rolle Präsident Nyusi bei der Kreditvergabe gespielt hatte. Und Zeugen vor dem mosambikanischen obersten Gericht bestätigten, dass Nyusi unter anderem mit zwei Millionen Dollar geschmiert worden war. Die Situation ist heikel. Mosambik gehört zu den zehn ärmsten Ländern, es ist zudem eines der von den Folgen des Klimawandels schon heute am stärksten gebeutelten Länder der Welt.
Nyusi hat Mosambik in den acht Jahren seiner Präsidentschaft stark in Richtung einer Autokratie gepusht. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2019 kam es zu Gewalt und massiven Fälschungen. Die Presse wird zunehmend geknebelt. Diplomaten wird vorgeschrieben, nichts mehr zu äussern, was nach Regierungskritik klingen könnte.
Nyusi hat zwar das Verdienst, dank tatkräftiger Hilfe des einstmaligen Schweizer Botschaftes, Mirko Manzoni, den er als Vermittler einsetzte, die jahrzehntelangen bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Gegenpartei Renamo beendet und Frieden geschlossen zu haben.
Zeitgleich mit dieser Friedensoffensive hat sich dafür im Norden des Landes, wo 2009 ein grosses Rubinvorkommen und 2010 mehrere Offshore-Gasvorkommen entdeckt wurden, ein veritabler Krieg entwickelt, dessen Ursachen – Vernachlässigung der ländlichen Bevölkerung durch die lokale und nationale Regierung – partout vor der Welt verheimlicht werden sollen. Präsident Nyusi, der selber aus der Gegend stammt, aber nie viel zugunsten der dort lebenden Menschen getan hat, wünscht sich, dass die USA und die EU ihn bei der Kriegsführung unterstützen.
Die Unzufriedenen stammen vor allem aus dem muslimischen Teil des Volkes. Also ist es ein Jihadisten-Krieg, heisst es offiziell. Im Norden des Landes leben über 800’000 Vertriebene, und die Scharmützel dehnen sich inzwischen Richtung Süden aus.
Was sind die Folgen, wenn Präsident Nyusi den Prozess in London à tout prix vermeiden möchte? Natürlich triumphieren dann die Anwälte der Bank, Mosambik wird der Verlierer sein und seine verarmte Bevölkerung hat die Zeche zu bezahlen.
Sollte der Prozess wider Erwarten doch noch stattfinden und die Ex-CS ihn verlieren – so wäre das für die UBS ein Malheur. Aber die Kosten würden auch aus dem Extratopf von neun Milliarden finanziert, die der Bundesrat für die UBS so grosszügig bereitgestellt hat, um sie von den Altlasten der CS zu befreien. Dann würde es allerdings wohl die Steuerzahler in der Schweiz treffen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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