Jetzt endlich höchste Alarmstufe in Fukushima
Die japanische Atomsicherheitsbehörde hat die Schwere der Katastrophe heute Dienstag auf die höchste Stufe 7 gesetzt. Bisher war die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl von 1986 als einziger Unfall mit Stufe 7 auf der internationalen Bewertungsskala klassifiziert worden. Die Menge an Radioaktivität, die in Fukushima bisher frei gesetzt wurde, entspreche jedoch «nur» etwa zehn Prozent der freigesetzten Radioaktivität aus dem havarierten Atomkraftwerk Tschernobyl. Das erklärten Vertreter der japanischen Atomsicherheitsbehörde auf einer Pressekonferenz.
Prasser: «Ich glaube, dass die kritische Phase überstanden ist»
Unter Berufung auf vertrauliche Dokumente, welche die ARD-Senung «Monitor» veröffentlicht hatte, berichtete Infosperber schon letzte Woche über die schlimme Entwicklung in Japan. Unbeirrt hatte die Betreiberfirma die Botschaft «Alles unter Kontrolle!» verbreitet. Auch der Schweizer ETH-Professor Horst-Michael Prasser, dessen Lehrtstuhl von der Atomlobby bezahlt wird und im Fernsehen trotzdem als unabhängiger Experte auftreten konnte, hat vor vierzehn Tagen behauptet, die Lage in Fukushima habe sich «zumindest stabilisiert» und beruhigte: «Ich glaube, dass die kritische Phase überstanden ist».
Der Professor, welcher der Atomlobby PR-Ratschläge erteilt, hat entweder bewusst beschwichtigt oder die Lage völlig falsch eingeschätzt.
Interne Dokumente der Areva, des weltweit grössten Anbieters von Nukleartechnik (Autor: der Reaktorphysiker Matthias Braun) haben schon damals eine andere Wahrheit belegt: Die Kernschmelze war und ist in vollem Gange. Es kam zu Temperaturen bis zu 2700 Grad.
Alles ausser Kontrolle
Schlimmer noch: Im Block 4 liegen 1331 Stück abgebrannte Brennelemente mit einem besonders hohen Anteil von hochradioaktivem Plutonium und Cäsium. Und da das Becken massiv beschädigt ist, können die Brennelemente nicht gekühlt werden. Für Fachleute sind die Folgen klar: «Die Kernschmelze unter freiem Himmel hat längst begonnen», erklärt der amerikanische Nuklearingenieur Arnold Gundersen.
Die Konsequenzen beschreibt das weltgrösste Nuklearunternehmen Areva:
– Kernschmelze unter freiem Himmel.
– nahezu unbehinderte Ausbreitung der Spaltprodukte.
– Freisetzung in grossen Mengen.
Die Atomaufsichten der USA und Japans und die Internationale Atomenergiebehörde IAEO fordern deshalb eine Ausweitung der Evakuierungszone. Erst gestern haben die japanischen Behörden die Evakuierungszone von 20 auf 30 Kilometer Entfernung von den Reaktoren erweitert.
Gleiche Gefahrenlage in Deutschland und in der Schweiz
Die Kühlbecken werden in Japan als kostengünstige Zwischenlager genutzt, weil sie billiger sind als eine Zwischenlagerung in den bekannten Castor-Fässern – und weil es auch in Japan keine Endlager gibt. Das erhöht die Gefährdung massiv.
«Monitor» stellte fest, dass in Deutschland die gleiche Gefahrensituation besteht. Im bayerischen Kernkraftwerk Isar I zum Beispiel ist das Abklingbecken zu 91% voll, im Schnitt aller deutschen Atomkraftwerke zu 83%. Auch im Schweizer Würenlingen AG lagern die Brennstäbe in einer Art Turnhalle. Diese Becken sind gegen Terrorangriffe oder Flugzeugabstürze erheblich weniger geschützt als die Reaktorgebäude selber.
In der gleichen Sendung berichtete «Monitor» über Luftkampfübungen der (amerikanischen) Luftwaffe im Gebiet über deutschen Kernkraftwerken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine