Israels Zeitung «Haaretz»: «Es ist eine ethnische Säuberung»
«Die Ankündigung Katars, man beende jetzt die Vermittlungsarbeit für einen Waffenstillstand und die Freilassung der noch lebenden israelischen Geiseln im Gazastreifen, ist alarmierend», meint Nahostexperte Erich Gysling auf Journal21.
Die Vorstellungen beider Seiten seien unvereinbar: Hamas fordere als Preis für die Geiselfreilassung einen permanenten Waffenstillstand. Israels Regierungschef Netanyahu würde allenfalls eine auf Tage oder bestenfalls Wochen begrenzte Kampfpause zugestehen. Mit anderen Worten: Hamas verlange eine Garantie für ihr Weiterbestehen. Netanyahu hingegen wolle die Hamas vernichten.
Dieses Ziel Netanyahus hielt Verteidigungsminister Yoav Galant militärisch für nicht erreichbar und wurde deshalb mit der Entlassung bestraft. Über die Konsequenzen schreibt Erich Gysling:
«Jetzt hat Netanyahu freie Hand, denn Galants Nachfolger Israel Katz ist für ihn ein Garant für null Widerspruch […] Sukkurs für seine Strategie erhält er auch von den Rechtsaussen-Ministern Ben Gvir und Smotrich sowie vom harten Kern der Siedlerbewegung. Daniella Weiss, eine Galionsfigur der Siedler, jubelt sogar, die Palästinenser würden ‹verschwinden›. Sie kündigte bereits den Bau jüdischer Siedlungen im Gazastreifen an.»
Die Strategie folge einem Plan, den der ehemalige Armee-Generalmajor Giora Eiland skizziert habe: Die palästinensische Bevölkerung soll, wenn nötig durch Hunger, zur Flucht aus dem Norden des Küstenstreifens gezwungen werden. Der Druck auf die 2,2-Millionen-Bevölkerung soll kontinuierlich erhöht und die Zusammenpferchung in Zeltsiedlungen im südlichen Teil des Gebiets weiter intensiviert werden.
Israels Regierung bestreite zwar, dass sie diesen Plan realisieren wolle. «Aber die Tatsachen sprechen für sich», stellt Gysling fest: Immer weniger Lebensmittel und Medikamente erreichen den Gazastreifen. Im August und September waren es gemäss Angaben des Uno-Ernährungsprogramms täglich noch etwa 200 Lastwagen, im Oktober nur noch 58. Um eine Hungersnot abzuwenden, wären jedoch pro Tag rund 600 notwendig.
Zu dem von Ex-Generalmajor Eiland skizzierten Plan (bisweilen «Plan der Generäle» genannt) passe das vom israelischen Parlament mit überwältigender Mehrheit verfügte Verbot des Flüchtlings-Hilfswerks UNRWA, das in weniger als drei Monaten in Kraft treten soll. Es werde zu einer weiteren drastischen Verknappung der Hilfe für die Bevölkerung des Gazastreifens führen.
Die israelische Zeitung «Haaretz» bezeichnet das Vorgehen Netanyahus als «ethnische Säuberung».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Eine Bevölkerung wird methodisch ausgehungert. Was hindert uns, das Völkermord zu nennen?