Israel bleibt auch unter Trump ein heisses Thema
Es sind zwei Ereignisse, die Israel in den letzten Tagen wieder einmal weltweit in die Schlagzeilen gebracht haben: Das von der Knesset angenommene neue Siedlungsgesetz, das Israel erlaubt, Grundstücke auf von Israel besetztem Gebiet «rechtens» zu enteignen, und das erste Treffen zwischen Israels Premierminister Benjamin Netanyahu und US-Präsident Donald Trump.
Fast alle Medien berichteten über die beiden Ereignisse. Das neue Siedlungsgesetz wurde weltweit fast unisono verurteilt. Eine Ausnahme machte, nicht unerwartet, die Schweizer Pro-Israel-Propaganda-Website Audiatur-online, die einen Rechtsgelehrten fand, der zu argumentieren weiss, das neue Gesetz sei auch völkerrechtlich vollkommen in Ordnung. Hier diese Argumentation (in deutscher Sprache).
Das Treffen Netanyahu/Trump dagegen hat vor allem irritiert, denn Trump hat einmal mehr eine unerwartete Kurve genommen. An der Pressekonferenz nach dem Treffen sagte er, ihm sei es eigentlich gleichgültig, ob es in Palästina zu einer Zwei-Staaten-Lösung komme oder zu einer Ein-Staat-Lösung, Hauptsache sei, dass die Lösung beiden Streitparteien gefalle. So einfach ist Politik!
Nicht ganz überraschend hat diese Aussage vor allem auch die Spassmacher animiert. «The Daily Show», leider nur in Englisch, bringt es auf den Punkt. Unbedingt anschauen!
Gar nicht zum Lachen findet das dagegen Chemi Shalev, Korrespondent der in Tel Aviv erscheinenden Zeitung «Haaretz». In einem langen Kommentar zu Donald Trump schreibt er nach dem Treffen Trumps mit Netanyahu wörtlich:
«Eine der am meisten schockierenden Erkenntnisse zu Donald Trump ist, dass er immer weiter schockiert. Immer wenn man denkt, jetzt hat man es gesehen, muss man erkennen, dass man noch nichts gesehen hat. Trumps wilde Donnerstag-Nacht-Pressekonferenz ist wieder so ein Fall, um es milde zu sagen. Wer immer sich aber um die Zukunft der Menschheit kümmert, gut geschlafen nach dieser Donald Horror TV Show hat keiner.»
(One of the most shocking things about President Donald Trump is that he keeps on shockin’. Just when you think you’ve seen it all, it turns out you ain’t seen nothing yet. Trump’s raucous Thursday night press conference is a case in point, to put it mildly. Anyone who cares for the future of humanity could not have slept well after the Donald Horror TV Show was finally over.)
Die Details spielen eigentlich keine Rolle. Es ist der Ton, die zählt. Trump lebt nicht in derselben Realität wie der Rest der Welt. Entweder er erfindet etwas oder ist voll der Lügen und Erfindungen, die ihn fesseln und von denen er nicht lassen kann. Seine Sicht der internationalen Probleme, inklusive der nuklearen Konfrontation, ist kindisch und ohne jeden Tiefgang. Er lässt jede Selbsterkenntnis vermissen. Er kann keine Fehler zugeben. Er akzeptiert keine Kritik; stattdessen attackiert er seine Kritiker. Er kann Wahrheit nicht von Unwahrheit unterscheiden, die Realität nicht von der Illusion, die Aufgaben eines Präsidenten nicht von den Aufgaben eines Lehrlings. Er ist besessen bis zur Verrücktheit, mit dem Blick darauf, dass seine Show in die Medien kommt.
(«The details don’t really matter; it’s the themes that count. Trump does not live in the same reality as the rest of the world. He either invents or is fed lies and fabrications that he embraces and then cannot let go. His perception of international affairs, including nuclear confrontation, is juvenile and shallow. He is completely lacking in self-awareness. He cannot admit a mistake. He cannot accept criticism, attacking his attackers instead. He cannot tell truth from falsehoods, reality from delusion or the difference between The Presidency and ‹The Apprentice›. He is obsessed, to the point of lunacy, with the ‹reviews› that his performance gets in the media.»)
Es ist für die meisten unvoreingenommenen Leute in seinem Umfeld kristallklar, dass sein Benehmen unberechenbar und tief beunruhigend ist und dass er fast sichtbar unfähig ist, den harten Anforderungen seines Jobs gerecht zu werden. Im Bewusstsein, dass er der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist, mit einem unermesslichen Arsenal von Atombomben zu seiner Verfügung, Trumps Präsidentschaft könnte sehr wohl die ernsthafteste Bedrohung für unsere Welt sein.»
(«It’s crystal clear to most unbiased people who have been around for a while that his behavior is erratic, deeply disturbing and almost obviously incapable of handling the harsh demands of his job. Given that he is the president of the United States, with a vast arsenal of nuclear weapons at his disposal, Trump’s Presidency could very well be the most serious threat facing the world.»)
Der original englische Kommentar von Chemi Shalev kann hier in voller Länge als PDF eingesehen und downgeloadet werden.
Ebenfalls nicht zum Lachen sind die Probleme in Israel für Evelyn Hecht-Galinsky, selber geborene Jüdin und Tochter von Heinz Galinski, dem 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sie betreibt ihre eigene Website und äussert sich regelmässig zur israelischen Politik. In einem Interview mit dem heute in Jerusalem lebenden jüdischen Kanadier Steve Amsel geht es auch um die Frage, warum denn nur ein Friede auf der Basis von zwei unabhängigen Staaten möglich sei. Die Antwort des Juden Amsel: «Der Hass auf Seite Israels ist einfach zu gross. Das Ein-Staat-Modell würde einfach nicht funktionieren.» Hier zum Interview mit mit Steve Amsel von der Organisation Desert Peace, alles in deutscher Sprache.
Der deutsche «Spiegel» beurteilt das Treffen Netanyahus mit Donald Trump als Misserfolg Netanyahus. «Es ist nicht klar, in welchem Moment Netanyahu bewusst wurde, dass er ein echtes Problem im Weissen Haus hat. War es, als Trump ihn wie einen Schulbuben ermahnte, auch er müsse Kompromisse eingehen? Oder als Trump nonchalant forderte, mit dem Siedlungsbau solle man jetzt gefälligst mal Schluss machen? Oder war es schlicht jener Moment, als Trump ihn, Netanyahu, bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Spitznamen ‹Bibi› benannte? Während aus Jerusalem mitgereiste Reporter feierten, Israel habe nun einen echten Freund im Weissen Haus, während internationale Medien die Zweistaatenlösung entsetzt für tot erklärten, und die Ultrarechten daheim in Israel das alles in ihrem Sinne zurecht interpretierten, war sich Netanyahu schon sehr klar darüber, dass Trump sein politisches Leben noch komplizierter machen würde. Der US-Präsident hatte von ihm kein Bekenntnis zur Zweistaatenlösung gefordert. Er hatte etwas noch viel Schlimmeres getan: Er hatte die Einstaatenlösung als Alternative ins Spiel gebracht.»
Die «NZZ» sieht es differenzierter: Deregulierte Friedenssuche im Nahen Osten. Ulrich Schmid, der Israel-Korrespondent der NZZ, zitiert dabei auch die Stellungnahme der palästinensischen Seite: «Saeb Erekat, PLO-Chefunterhändler und Fatah-Urgestein, stellte am Mittwoch klar, die Schaffung zweier Staaten sei die ‹ideale Lösung›, die im Übrigen auch mit dem internationalen Recht konform gehe. Doch Erekat offenbarte auch, dass man in Ramallah grössere Träume träumt. Im Grunde sei die Zweistaatenlösung doch nur die ‹palästinensische Aneignung einer internationalen Formel›, sagte er, ein schmerzhafter Kompromiss, der dazu zwinge, Israels Kontrolle über 78 Prozent ‹des historischen Palästina› hinzunehmen. Die einzige Alternative dazu sei ‹ein säkularer und demokratischer Staat mit gleichen Rechten für Muslime, Christen und Juden auf dem Boden des historischen Palästina›.»
Die Sicht aus Ramallah ist so unrealistisch nicht. Die Zwei-Staaten-Lösung wäre ein Kompromiss, aber immerhin ein akzeptabler Kompromiss. Aus Palästina nur einen Staat zu machen, das aber hiesse: Aus dem heute jüdischen Staat müsste ein säkularer, also ein religionsneutraler Staat werden – und auch ein demokratischer Staat, in dem alle Bürger, unabhängig ihrer Religion und ihrer Ethnie, ein und dasselbe Stimmrecht hätten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Trump hat einfach seine Sympathie für Israel ausgedrückt – was angesichts des politischen und wirtschaftlichen Einflusses der amerikanischen Juden realistisch scheint – und gezeigt, dass er keinen Plan für einen Frieden hat. Dass die politische Führung der sog. Palästinenser «grössere Träume» hat, erstaunt auch nicht, realistisch ist es aber nicht. Einen Staat «Palästina» hat es nie gegeben, auch kein «palästinensisches Volk».
Die UNO hat 1948 den verfolgten Juden Land für einen eigenen sicheren Staat zugesprochen, was die meisten Araber bis heute nicht akzeptieren. Das stellt ja auch die NZZ fest. Umgekehrt von den Juden zu erwarten, dass sie mit einer Mehrheit von sog. Palästinensern einen Einheitsstaat bilden, ist mehr als unrealistisch. Das Sicherheitsbedürfnis dieses traumatisierten Volkes muss respektiert werden, auch von politisch Andersdenkenden.