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Islands Gletscher schmelzen - die «Icesafe»-Bank ging bankrott © bm

Island wehrt sich verzweifelt gegen Erpressung

upg /  Geldgierige Anleger haben von Islands Banken hohe Zinsen kassiert. Nach der Pleite wollen sie ihre fünf Milliarden Dollar zurück.

Die Regeln der Marktwirtschaft sind klar: Wer Geld für markant höhere Zinsen anlegt, geht auch ein höhere Risiko ein und muss mit einem (Teil-)Verlust seiner Geldanlage rechnen. Sonst wären alle dumm, die ihr Geld nicht dort anlegen, wo die höchsten Zinsen locken.

Bei ‹Icesafe› gaukelte nur der Name Sicherheit vor

Islands Banken haben jahrelang mit extrem hohen Zinsen viel Geld ins Land gelockt. Ende 2007 erreichten die Verpflichtungen der «Landsbanki» mit ihrer Internet-Bank «Icesafe» ein Mehrfaches des Bruttoinlandprodukts von Island. Die Alarmglocken mussten laut läuten. In Island schmolz und schmilzt das Eis noch schneller als in den Schweizer Alpen, der Marketing-Name «Icesafe» garantierte für nichts mehr. Doch vor allem britische und holländische Privatanleger und öffentliche Institutionen wollten unbeirrt hohe Einkommen mit den hoch verzinsten Anlagen erzielen.
Im Oktober 2008 platzte die Blase: «Icesafe» musste Konkurs anmelden. Angeblich «Too big to fail», zu gross war die Bank, um die Gläubiger ins Leere laufen zu lassen. Die Regierung verstaatlichte die Bank und übertrug damit die Schulden dem Staat mit seinen rund 315’000 Einwohnern.

Pro Kopf der Bevölkerung 15’000 Franken

Allein Anlegern in Grossbritannien und Holland schuldete die Bank über fünf Milliarden Dollar. Die Regierungen in London und Den Haag zahlten den Spekulanten in ihren Ländern die Guthaben aus innenpolitischen Gründen vollumfänglich zurück und versuchen seither, die Milliarden von den Isländern einzutreiben.
Islands Bevölkerung stand Kopf. Warum sollten sie als Steuerzahler pro Kopf der Bevölkerung über 15’000 Franken zahlen, nur weil risikofreudige Anleger bei dubiosen isländischen Banken Milliarden verspekuliert und verloren haben? Warum sollten Islands Steuerzahler Sparer und Investoren entschädigen, die auf der Jagd nach hohen Zinsen übermässige Risiken eingegangen sind? 90’000 Isländerinnen und Isländer verlangten mit einer Petition, dass ihre Regierung den Spekulanten und Banken nicht entgegen kommt. Sie leiden unter der Wirtschaftskrise nach dem Bankenkollaps enorm: Hohe Arbeitslosigkeit, Auswanderung, stark sinkende Kaufkraft.

Mit Antiterror-Gesetz gegen Island

Doch die britische Regierung griff zu einem Mittel, das sie nie gewagt hätte, gegen ein grosses Land wie Frankreich oder Deutschland anzuwenden. Sie berief sich auf das britische Antiterror-Gesetz (!), um alle isländischen Geldanlagen in Grossbritannien zu blockieren. Darauf handelte Islands neue Regierung mit Grossbritannien und den Niederlanden einen Rückzahlungsvertrag aus. Doch das Volk hat diesen in einer Volksabstimmung wuchtig verworfen.
Grossbritannien und die Niederlande gaben nach dieser Abstimmung etwas nach und gewährten etwas «bessere» Konditionen: Rückzahlung von über fünf Milliarden Dollar bis 2046, verzinst zu 3,2 Prozent. Grossbritannien und die Niederlage drohten, bei einer neuen Ablehnung den Beitritt Islands zur EU zu verhindern, internationale Kredite zu blockieren und die Milliarden mit einer Klage beim Efta-Gericht einzufordern.
Regierung und Parlament in Reykjavík gaben dem Druck nach und genehmigten den neuen Vertrag. Sie machten die Rechnung jedoch ohne Islands Präsident, der sein Veto einlegte und damit erneut eine Volksabstimmung ermöglichte. Am letzten Wochenende haben 60 Prozent der Stimmenden auch den neuen, «verbesserten» Vertrag abgelehnt. Bereits hat Grossbritannien eine Klage beim Efta-Gericht angekündigt.

Auf welche Vertragsklauseln können sich die Spekulanten berufen?

Die entscheidende Frage, warum Island juristisch verpflichtet sein soll, für die Verluste der britischen und holländischen Spekulanten gerade zu stehen, hat bis heute niemand beantwortet. Der Tages-Anzeiger schrieb vage von einem «Versprechen einer späteren Rückzahlung», das Grossbritannien und die Niederlande dem Kleinststaat abgerungen hätten. Ein Leitartikel von Wirtschaftsredaktor Sergio Aiolfi in der NZZ berief sich unter dem Titel «Den wirtschaftlichen Realitäten kann sich Island nicht entziehen» auf einen «garantierten Einlegerschutz». Schon vor dem Kollaps der Bank habe die (korrupte und mit den Banken verbandelte Red.) isländische Regierung den britischen Behörden «zugesichert», sie werde im Falle eines Problems mit der Landsbanki-Icesafe-Bank zusätzliche Mittel einschiessen.
Auf Nachfrage, welcher Schutz den Anlegern zum Zeitpunkt deren Geldanlagen genau garantiert war, musste der NZZ-Redaktor passen. War es wie in der Schweiz pro Person eine bestimmte Summe? Wie war dieser allfällige Einlegerschutz abgesichert worden? Mit einem von den Banken geäufneten Fonds wie in der Schweiz? Oder mit einer Staatsgarantie wie bei einigen Kantonalbanken? Wie viele Prozent des Gesamtbetrags aller Einlagen bei den isländischen Banken waren geschützt? «Leider muss ich Ihnen sagen, dass ich diese Fragen nicht beantworten kann», räumte Aiolfi ein. Auch Recherchen bei der isländischen Botschaft und bei der isländischen Regierung brachten keine Aufklärung darüber, welche «Versprechen» genau gegeben oder welche Verträge abgeschlossen wurden, oder welches die Vertragsbedingungen der Anleger zum Zeitpunkt der Anlagen waren.

Wenig Solidarität mit dem Kleinstaat Island

Nach dem jüngsten Bericht des NZZ-Korrespondenten in London, ist «die Rechtslage keinesfalls eindeutig». Die Landsbanki-Tochter Icesafe sei gemäss EU-Regeln verpflichtet gewesen, ihre Kredite von EU-Anlegern durch einen Fonds in Island abzusichern. Die Regeln verlangten jedoch nicht, dass der Fonds vom Staat garantiert sein müsse, oder dass er ausreichend geäufnet sein muss. Die isländische Einlageversicherung müsse nur für maximal 27’000 Franken pro Kunde gerade stehen.
Mit einem Gerichtsverfahren bei der Efta ist frühestens in einem Jahr zu rechnen. Islands Generalstaatsanwalt wird von der norwegisch-belgischen Juristin Ewa Ioly beraten. Sie nannte das Vorgehen der Niederländer und Briten gegenüber Island «arrogant». Man wundert sich, weshalb in der Schweiz Politiker und Medien so wenig Solidarität mit dem Kleinstaat Island markieren.

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