Iranverhandlungen in Wien: wenig hoffnungsvoll
Für israelische Medien war die Sachlage schon am Sonntag klar: Israel habe die elektrischen Anlagen der iranischen Atomanlage Natanz so schwer wiegend beschädigt, dass ein Grossteil der neu installierten Zentrifugen für die Urananreicherung jetzt unbrauchbar sei, schrieben etwa Haaretz oder die Jerusalem Post – und in gleichem Sinn äusserte sich der öffentlich-rechtliche Radiosender Kan. Wenn dies zutrifft, war es schon der dritte Anschlag, den der israelische Geheimdienst in Natanz bewerkstelligt hat: letztes Jahr ein Brand, Jahre davor die Sabotage mit dem Stuxnet-Virus.
Der jetzige Anschlag steht in direktem Zusammenhang mit den so genannten Atomverhandlungen in Wien – Israel will sie, koste es, was es wolle, ins Abseits laufen lassen. Als würden sie nicht schon tief genug in Schwierigkeiten stecken. Denn was am Sonntag aus „gut informierten Kreisen“ ( je ein Mitglied der iranischen und der russischen Delegation gaben gezielte Indiskretionen preis) über die Erfolgsaussichten an die Öffentlichkeit drang, wirkt nicht hoffnungsvoll, im Gegenteil.
Die Positionen der USA (die an den Gesprächen nicht direkt teilnehmen können) und Irans vor der nächsten Runde (die soll am Mittwoch stattfinden) sind viel weiter voneinander entfernt als allgemein erwartet. Und die Probleme liegen derart tief in den Details, dass sie nicht auf einen Schlag gelöst werden können.
Wieso ist Alles so kompliziert? Beginnen wir bei den USA
Washington verhängte wellenweise, seit 1979, Sanktionen gegen das Regime in Teheran und auch gegen einzelne iranische Institutionen und Personen. Bestimmte Strafmassnahmen wurden vom UNO-Sicherheitsrat bestätigt, andere auch von der Europäischen Union und/ oder einzelnen Regierungen.
2015, als der so genannte Atomdeal mit Iran zustande kam (offizielle Bezeichnung: Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA), wurden die UNO-Sanktionen aufgehoben. Die am „Deal“ beteiligten europäischen Länder, auch Russland und China, schlossen sich dieser Entscheidung an. Ein grosser Teil der spezifisch amerikanischen Sanktionen blieb allerdings erhalten – und, gravierender für wirtschaftliche Kontakte, erhalten blieb die eigenmächtig von US-Banken hochgezogene Drohkulisse an die Adresse aller Firmen weltweit, dass sie ihr Amerika-Geschäft verlören, würden sie es wagen, mit Iran zu geschäften.
Also blieb die „Verhandlungsdividende“ Irans aufgrund des damals als historisch bezeichneten Abkommens immer sehr beschränkt. Ausländische Investitionen und der Handel stiessen auch in der Zeit des „Tauwetters“ immer auf enge Grenzen, denn Geld nach Iran zu überweisen oder aus Iran zu transferieren war auch damals (also zwischen 2015 und 2018) eine Kunst, die nur Jene beherrschten, die beispielsweise trickreiche Umwege via Dubai oder Abu Dhabi realisieren konnten.
Als Donald Trump an die Macht kam, wurde es noch unendlich schwieriger. Die USA verfolgten jetzt die Politik „des maximalen Drucks“, was u.a. dazu führte, dass Iran kaum noch Erdöl und Erdgas exportieren und praktisch auch keine Medikamente mehr importieren konnte (obgleich Medikamente theoretisch von den US-Sanktionen ausgenommen blieben). Aber die Trump-Administration ging noch raffinierter vor: Sie „verwandelte“ beispielsweise Sanktionen, die sich ursprünglich gegen das iranische Atomprogramm gerichtet hatten, in Sanktionen gegen Terrorismus. Und die können in Washington nicht einfach durch ein Dekret von Präsident Biden annulliert werden. Die sitzen sozusagen viel tiefer in der politisch-juristischen Maschinerie der USA fest – da müsste der Kongress in gewissen Fällen mit Zweidrittelsmehrheit aktiv werden. Was konkret heisst: die Chancen für eine Annullierung sind derzeit minim.
Damit zur Gegenseite, zu Iran
Irans Aussenminister erklärt, all das, was als Reaktion auf Trumps „Politik des maximalen Drucks“ realisiert worden sei, könne fast von einem Tag auf den anderen zurückgenommen werden. Ganz so einfach ist das jedoch wohl auch nicht, und zwar sowohl aus technischen als aus internen machtpolitischen Gründen.
Technisch: Iran hat derzeit mehr als 300 kg Uran, das auf 3,67 Prozent angereichert wurde. Und, problematischer, 55 kg wurden auf 20 Prozent angereichert. In der nuklearen Anlage von Natanz wurden neue, leistungsfähigere Zentrifugen installiert (die derzeit allerdings, nach dem Anschlag, beschädigt sind) und die Iraner brachten es sogar fertig, hoch effiziente Geräte im Eigenbau zu produzieren. Doch auch wenn es technisch machbar wäre, in all diesen Belangen rasch zurückzubauen – da fehlt es an internem Konsens.
Konkret: Die starke Hand über dem Atomprogramm haben die Revolutionsgarden, und die wiederum bilden den Kern der Fraktion von Hardlinern innerhalb des Regimes. Theoretisch kann der Revolutionsführer, Ayatollah Khamenei, ihnen zwar Befehle erteilen, aber die Macht der Garden, der Pasdaran, ist derart breit ausgreifend geworden, dass selbst Khamenei wohl kaum je eine Aktion befehligen wird, die diametral den Interessen der Garden widersprechen würde. Die Pasdaran verlangen ja auch von der in Wien verhandelnden Delegation, dass sie von der Gegenseite, den USA, Alles fordern – oder mit Nichts nach Hause zurückkehren.
Alles heisst, wie erwähnt, Rücknahme sämtlicher Sanktionen – und, so muss man den Geist der Forderung verstehen, Anweisung an die US-Banken, auch ihrerseits die Drohkulisse gegenüber Unternehmen in Drittländern niederzureissen. Ob irgendeine US-Regierung überhaupt die entsprechende Macht hätte, bezweifle ich. Aber wenn das nicht geschieht, ist nicht erkennbar, wie beispielsweise Südkorea sieben Milliarden Dollar Schulden (aufgrund von Erdöllieferungen) nach Teheran transferieren könnte.
Als wäre all dies nicht kompliziert genug, bringen nun auch noch Drittländer im Nahen und Mittleren Osten ihre Forderungen vor: Saudi-Arabien, die Emirate, Bahrain und Kuwait fordern, in Verhandlungen mit Iran einbezogen zu werden. Sie fordern die Kontrolle des iranischen Raketen- und Drohnenarsenals, bisweilen auch ein Ende der iranischen Unterstützung von schiitischen Milizen in Irak, der Huthi in Jemen und der Hisbollah in Libanon. Das iranische Regime kontert: Wenn ihr über dieses Thema reden wollt, dann verlangen wir eine Mitsprache über eure Hochrüstung. Und auch über jene Israels und die Aktivitäten der israelischen Geheimdienste.
Ist das unverhältnismässig? Ich meine: Nein. Saudi-Arabien hat im Vergleich zu Iran ein ca. vier mal höheres Militärbudget und ist technisch den Iranern haushoch überlegen. Selbst die Emirate, mit ihren ca. acht Millionen Einwohnern (Iran hat 83 Millionen), geben mehr aus für das Militär als der Nachbarstaat gegenüber. Israel ist als militärische Macht noch bedeutend überlegener – und verfügt über mehr als 150 atomare Sprengköpfe und Raketen, die spielend leicht iranisches Territorium erreichen könnten.
Fazit: Entweder gelingt es in Wien, israelische Störmanöver hin oder her, ein sehr begrenztes Entspannungs-Abkommen zu erreichen, oder die von US-Präsident Biden angestossene Mittelost-Initiative scheitert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Ausgezeichnter Beitrag Herr Gysling. Ich habe mich für Ihren Vortrag zu diesem Thema, an der Volkshochschule Bülach für April 21 angemeldet (wurde verschoben auf Nov.21) Ich freue mich darauf, dass es dann klappt.
Eigentlich wartet man ja nur noch auf den «präventi(ef)vschlag». Die Sanktionen gegen den Iran dürfen laut diversen Transatlantischen NGO’s «Auf keinen Fall gelockert werden». «Maximum Pressure» ergibt meistens auch «Maximum explosions». es geht wie immer um Öl, dessen gewinnung oder Beschlagnehme, Transport, etc. Nichts neues im Mittleren Osten. Ausser dass man von Amiseite keinen Diktator Saddam Hussein zur hand hat, den man 8 Jahre lang Krieg gegen Iran spielen lässt, bis ihm das Geld ausgeht. Wer wohl als nächstes den Kopf hinhalten soll? MBS vielleicht? Assad und Netanyahu sind grad anderweitig beschäftigt, soweit ich weiss.
Erdogan wäre evtl. auch noch ein Kandidat. Aber ob der mitspielen will?
Es spielt für die USA keine Rolle, welche Art von Regime im Iran an der Macht ist. Entscheidend dafür zur „Achse des Bösen“ gezählt zu werden ist die Verweigerung des Gehorsams. Auch Menschenrechtsverletzungen oder Einmischungen in fremde Kriege sind nicht von Relevanz. Bei engen Verbündeten wie Israel oder Saudi-Arabien werden solche grosszügig übersehen. Keine Macht der Welt verfügt über ein vergleichbares Waffenarsenal. Keine Macht der Welt hat die Befugnis, ein in erster Linie von den ehemaligen Kolonialmächten versorgtes, imperiales Kriegsbündnis wie die Nato zu kommandieren. Keine Macht der Welt ist in der Lage weltweit über 1’000 Militärstützpunkte zu unterhalten. Keine Macht der Welt gibt mehr Geld für Waffen und Kriegslogistik aus. Keine Macht der Welt bewaffnet mehr diktatorische Regimes wie die USA. Wer Washingtons Weltmachtanspruch in Frage stellt, der ist der Feind, den es zu vernichten gilt.
Liebe Friedensfreunde, ich hoffe Euch so benennen zu dürfen.
Ihr betreibt einen ANDEREN Journalismus, als es die breite Masse der Elite-bestimmten Presse macht – und das ist gut so.
Trotzdem muß ich immer wieder feststellen, dass Ihr Euch der Sprache des GEGNERS bedient, wenn ich die Eliten als am Frieden nicht interessiert betrachte -Eure Zustimmung dazu voraussetzende.
Da wird von Sanktionen geschrieben. Macht Euch doch bitte die Mühe und schlagt das Wort im Lexikon nach. Dort werden diese als Maßnahme gegen Jemenden der VORHER einen Fehler gemacht hat, beschrieben. Welche Fehler hat der Iran gemacht? Wlche Fehler hat die BRD begangen, als sie mittels Abkommen mit Russland, eine Pipeline Nord-Stream2, bauen ließ. Wo sind die Fehler der Russen, die diese «Sanktionen» rechtfertigen?
Es handelt sich um KRIEG – die erste Stufe des Krieges, bevor mit sharfen Waffen geschossen wird – um Wirtschaftskrieg. Wir aus der ehemaligen DDR kennen diesen Kreig, waren von Beginn an, von solchen kriegerischen Handlungen betroffen. Fragt mal in Kuba nach – dort herrscht dieser Krieg seit 1960.
Wer die Sprache des Geners verwendet – kann gegen diesen nie gewinnen! Wollt Ihr nicht gewinnen? Ich ja ! Das ist Zweck meiner politischen Tätigkeit, meines politischen Kampfes.
solidarische Grüße, Günther Wassenaar
PS: Sprache ist ein entscheidender Teil des politischen Kampfes – siehe Goebbels
Wenn Israel keine Atomwaffen hätte, brauchte sie Iran auch nicht. Aber Israel ist vor Jahrzehnten auf irgend welchen krummen Wegen zu Atomwaffen gekommen.
Ganz richtig Frau Obrist. Israel hat sich Bombe aus den USA geholt und wenn man in Israel ist wird man gerne zu einer Attrappe geführt, die aber genau über dem Original steht.
@Günther Wassenaar: Zur Iran-Frage: Der Iran setzte 1979 den von den Amis protegierten Schah Mohammad Reza Pahlavi ab. DAS vergeben die USA nicht. Ich frage mich was die wohl mit der Ukraine anstellen werden, die den ebenfalls mit 5 Mrd unterstützten Jazenjuk abservierten. Es scheint, als werde momentan eine «Wer unsere Politiker nicht mag, wird sanktioniert»-rabattschlacht geführt. Spitzenreiter ist momentan Iran, dann kommt Venezuela mit der «Interimsmarionette» Guaidó, und dann kommt schon bald die Ukraine. Wenn die USA wen nicht mag, setzt sie politische Kontrahenten aus Finanz-Wirtschaft/Medienlandschaft ein, um möglichst schnell so viel Einfluss wie möglich zu gewinnen. Das mit den Saudis lief auch perfekt, bis MBS über die Stränge schlug.(die Familie Saud ist auch von den US-Ölmultis unterstützt worden).