Kommentar

Iran, die USA – und absichtliche Missverständnisse

Erich Gysling © zvg

Erich Gysling /  Will Amerika überhaupt eine Entspannung mit der neuen Führung um Präsident Hassan Ruhani in Teheran? Zweifel sind angebracht.

Es war in der Zeit von Mahmud Ahmadinejad gang und gäbe: Man veröffentlichte «Zitate» mit aggressivem Inhalt, etwa den Satz «Israel muss von der Landkarte getilgt werden». Dass Ahmadinejad das so nie gesagt hat, wiesen des Persischen (Farsi) Kundige zwar immer wieder nach, doch es änderte nichts an der verbreiteten Meinung im westlichen Ausland.

Ahmadinejad ist jetzt zwar Geschichte, aber schon gehts mit den verzerrten Zitaten weiter: Hassan Ruhani habe gesagt, die «Wunde Israel» müsse «getilgt» werden, berichteten die Medien. Dann gabs immerhin relativ schnell eine Korrektur, die sogar Israels Premier Netanyahu zur Kenntnis nahm.

Was Ruhani wirklich gesagt hat

Und schliesslich bemühten sich sogar einige Sprachkundige um die wirkliche Aussage, bezogen auf den so genannten al-Quds-Tag in Iran (Tag der Solidarisierung mit den Palästinensern). Die lautet so: «In unserer Region existiert seit Jahren eine Wunde im Körper der islamischen Welt im Schatten der Besatzung des heiligen Landes Palästina und unseres geliebten al Quds (Jerusalem).» Alle Muslime sollten den Tag nutzen, um an diese Wunde zu erinnern und gegen die «Verbrechen des zionistischen Regimes» zu protestieren.

Nun ja, Israel-freundlich ist das ja nicht, aber eine Absicht, gegen Israel Krieg zu führen, lässt sich auch beim schlechtesten Willen daraus nicht ableiten. Anderseits: Warum sollte der neue Präsident Israel-freundlich sein? Benjamin Netanyahu und noch klarer Mitglieder seiner Regierung drohen ja immer wieder «chirurgische» Militäraktionen gegen die atomaren Anlagen Irans an.

Nach der Amtseinsetzung Ruhanis stellt sich wohl vordringlich die Frage: Wollen die USA überhaupt eine Entspannung mit Teheran? Vor wenigen Wochen erschien ein kleines Buch auf dem Markt, «A Dangerous Delusion – why the West is wrong about Nuclear Iran» von Peter Oborne und David Morrison. Die beiden Journalisten vertreten die Meinung, die USA wollten unter keinen Umständen einen konstruktiven Dialog mit Iran. Weshalb? Das lassen sie etwas offen, aber denkt man deren Überlegungen weiter, kann man etwa dieses Szenario schildern:
> Iran wird sich nie voll in das von den USA dominierte Weltsystem integrieren lassen;
> Iran wäre, würde der Staat voll in die internationale Gemeinschaft aufgenommen, ein schwergewichtiger Konkurrent Saudiarabiens. Die Verlagerung erfolgt wirtschaftlich betrachtet fast automatisch: Das Erdöl Saudiarabiens wird international an Bedeutung verlieren (auch durch das Fracking in den USA), während die Erdgasexporte Irans mindestens mittelfristig wichtiger werden;
> Iran ist durch den US-Krieg in Irak bereits zur wesentlichsten regionalen Macht geworden;
> Jede iranische Führung wird versuchen, die Einkreisung durch die USA abzuschütteln. Schaut man sich die Welt aus Teheraner Perspektive an, sind dies die wesentlichen Elemente: Die USA haben beim Nachbarn im Westen und beim Nachbarn im Osten (Irak und Afghanistan) den «Regime Change» realisiert. Sie beherrschen, militärisch, die direkt vorgelagerten Gewässer im Persischen Golf mit ihren Flotten. Sie sind intensiv mit Israel verbündet, das seine Atomraketen problemlos auf die iranischen Grossstädte richten kann.
> Und das Wichtigste: Die USA erklären immer wieder, sie betrachteten das Regime in Teheran als «illegitim». Das gab auch die Administration von Barack Obama mehrfach zu verstehen. Was in Teheran zur Vermutung führt, Washington könnte eines Tages durchaus versucht sein, auch in Iran den bei den Nachbarn erfolgreichen «Regime Change» durchzuziehen.

Daher die (pessimistische) Vermutung: es wird wohl auch mit Hassan Ruhani als Präsident Irans (der, gewiss, vom obersten religiösen Führer, Ayatollah Khamenei abhängig bleibt) keinen konstruktiven Dialog mit den USA geben. Anlass zu Skepsis gibt es auch aufgrund des US-amerikanischen politischen Systems: Jeder Abgeordnete, der sich nur schon für eine Lockerung von Sanktionen ausspräche (die Sanktionen sind ja eben, im Gegenteil, noch verschärft worden), würde fast automatisch abgewählt. Nicht zu vergessen: Die Abgeordneten sind im permanenten Wahlkampf, jedes zweite Jahr müssen sie sich dem Votum in ihrem Distrikt stellen. Gleiches gilt für die Senatoren (Wiederkandidatur jedes sechste Jahr).

Die Parallelen zu Kuba

Gibt es da zeitgeschichtliche Parallelen? Ja, gewiss, das Beispiel bietet Kuba. Die 1961 erlassenen Sanktionen mögen damals sinnvoll gewesen sein, aber sie haben sich längst als wirkungslos, ja als kontraproduktiv erwiesen. Aber auch da war/ist es so: Kein Politiker in den USA kann, will es sich leisten, «soft» zu sein, Kompromisse anzubieten. Täte er es, wäre er Null Komma nichts weg vom Fenster.

Und so wird es wahrscheinlich auch mit Iran sein: Selbst wenn man erkannt hat, dass die Sanktionen sinnlos sind und einen konstruktiven Dialog verhindern, wird man daran festhalten. Schaden für die fernere Zukunft hin oder her.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Atommacht Israel und ihre Feinde

Teufelskreis: Aggressive Politik auf allen Seiten festigt die Macht der Hardliner bei den jeweiligen Gegnern.

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5 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 6.08.2013 um 10:43 Uhr
    Permalink

    Die Aussage des angeblichen Hoffnungsträgers Ruhani mit der Wunde im Körper hat exaktestes Hitlerniveau; die ideologische Ähnlichkeit ist kaum mehr zu toppen. Man kann nur staunen darüber, was in der Weltmeinung als gemässigt gilt. Wenn schon mit dem Iran Politik betreiben, was unvermeidlich ist und immer besser als Krieg, dann bitte illusionslos. Die immer lesenswerten, weiterführende Details enthaltenden Ausführungen Gyslings sind nicht das Gegenteil der kürzlichen kritischen Bemerkungen von Afrika-Experte Al Imfeld betr. Sanktionen.

  • am 7.08.2013 um 14:28 Uhr
    Permalink

    Lieber Erich Gysling,

    Danke für den Klartext insbesondere bezüglich des Drucks, den bekannte pressure groups auf US-ParlamentarierInnen ausüben, um sie auf Kriegskurs gegen Iran zu halten/bringen .
    Wir können nur hoffen, dass Europäische Parlamente es nicht so weit kommen lassen. Dass die gleichen pressure groups auch hierzulande agieren, kann man auf der Botschafts-nahen Audiatur-Site sehen:
    http://www.audiatur-online.ch/2013/07/30/europa-ist-nicht-zu-trauen/
    Da wird ein Buch des Simon-Wiesenthal-Centers (das vom verdienten Nazijäger nur den Namen geschnorrt hat) propagiert, das die Europäischen ParlamentarierInnen und weitere 100 Millionen EuropäerInnen als AntisemitInnen beschimpft, weil sie so viele MuslimInnen einwandern lassen und nicht mit Israel in den Krieg ziehen wollen, wozu sie nach dem Holocaust verpflichtet wären).

    (Lesen Sie das Buch nicht, es lohnt sich wirklich nicht, mit Islamophoben Kriegsaufrufen kann man sich auch gratis eindecken. Pirmin Meier wird es vielleicht aber zusagen)

    Danke für den ausgewogegen Artikel, der mangelnde Konfliktlösungsbereitschaft auf allen Seiten moniert.

    Werner T. Meyer

  • am 8.08.2013 um 07:06 Uhr
    Permalink

    Gut gebrüllt, ohne schreierisch zu wirken, Herr Gysling.
    Israel, als verlängerter Arm der US-Waffenlobby, ist bekannt für eine kriegerische Rhetorik, wenn es um den Iran geht. Amerika, als verlängerter Arm der jüdischen Finanzlobby, braucht diesen Brandherd, um ihrerseits überteuerte Waffensysteme an die Araber zu verkaufen. Das Ganze hat seit Jahrzehnten System und funktioniert, solange der steuerzahlende Bürger nicht nachdenkt oder gar nachhakt. Präsident Obama lässt sich (als schwacher Präsident) von Washington leicht manipulieren. Dass er Israel offiziell nicht besucht, spricht Bände.
    Die USA streben mit Sicherheit keine Entspannung mit dem Iran an. Da die USA sehr bald selber zum Erdölexporteur werden, hat dies den Nebeneffekt, dass die Waffenverkäufe nach Saudiarabien etwas ins Stocken geraten könnten. Also muss der nahe Osten künstlich heiss bleiben; am Bush-Feuer (George Bush I., Dick Cheney, Waffenhändler?). Diese Bush-Feuer brutzeln auch hier in Ostasien und an anderen Orten munter weiter.
    Die Sache ist zwar komplex, andererseits jedoch auch sehr durchschaubar. Jedenfalls werden die USA und Israel alles tun, den Status Quo beizubehalten und weiterhin die Iraner als böse Ewiggestrige klassieren.
    Spätestens wenn das Öl wieder frisches Geld in die klamme US-Kasse spült und in Folge dessen der US-Dollar wieder erstarkt, wird es eine Flurbereinigung in Sachen US-Diplomatie geben. Wir dürfen (müssen) gespannt sein, was da weltpolitisch auf uns zukommt.

    PS: Und dass ausgerechnet Europas Politiker (posting Werner T. Meyer) an dieser Sache Einfluss haben sollten, entspricht reinem Wunschdenken. Erstens fehlt ihnen dazu die Legitimation, zweitens die Macht und drittens der Wille. Die EU existiert weltpolitisch schon lange nicht mehr.
    Und, offtopic, nach den Wahlen in Deutschland wird sich das wahre Gesicht von Merkel & Co. zeigen. Warm anziehen, es wird politischer Herbst.

    Gruss aus Südkorea.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 8.08.2013 um 11:32 Uhr
    Permalink

    Aussagen wie «Amerika, verlängerter Arm der jüdischen Finanzlobby» haben wohl eher keinen analytischen Wert, wie es dem Diskussionsniveau von Infosperber entspricht, bloss antisemitischen Bekenntniswert, publizistisch ein reines Eigentor. Und dass ich nach Werner T. Meyer Freude hätte an islamophoben Kriegsaufrufen entspricht sicher nicht meiner 90-seitigen politologischen Studie «Fundamentalismus, eine neue Bedrohung?» von 1989/90, in der ich vergleichsweise viel, eher zu viel Verständnis für Khomeini zeigte, an Frank A. Meyer Kritik übte und Ahmed Huber als ernstzunehmenden Gesprächspartner anerkannte, was er als gewitzter Debattierer auch war, bei allen nicht kleinen bleibenden Meinungsverschiedenheiten. Die Aussage mit der «Wunde Israel» von Ruhani entspricht jedoch der physiologischen und biologistischen Metaphorik des Nationalsozialismus, das schlecht nun mal keine Geiss weg. Einem NPD-Landtagsabgeordneten, der so etwas sagen würde, gäbe niemand die Hand und noch weniger ein öffentliches Forum. Und dass ein muslimischer Schüler von mir eine Maturaarbeit schrieb, indem er «Vorurteile» gegen die Scharia widerlegen wollte, auf der Titelblattillustration aber guten Gewissens zwei aufgehängte Homosexuelle aus dem Iran präsentierte, zeigt nun mal, wie auch Vertreter des «Normal-Islam» (Reinhart) in der Schweiz zum Teil denken. (Ich bewertete die Arbeit trotzdem nur deshalb als ungenügend, weil 22% reine Internetplagiate waren, was übrigens vor drei Jahren nach Meinung unseres Schuljuristen noch keine automatische Annulation bedeutete.) Wünschbar bleiben Diskussionen und Analysen, bei denen auf weltanschauliche Wahnvorstellungen verzichtet wird zugunsten von konkreten Aussagen, die sich bei der Überprüfung im Detail entweder als wahr oder als falsch herausstellen können.

  • am 8.08.2013 um 12:20 Uhr
    Permalink

    Ok, Herr Pirmin Meier. Sie haben offenbar den Dreh raus. Aus ihrer Perspektive, also vom Schreibtisch aus, kann man sich die Welt, wiediwiesiemirgefällt (um den Serien-Star P.L. aus dem Norden zu zitieren) zurechtreden. Tatsache ist, dass hier niemand antisemitisch und schon gar nicht antiislamisch geschrieben hat. Auch wenn Sie es gerne hätten; es wird nicht geschehen!
    Übrigens an Frank A. Meyer Kritik zu üben erfordert wenig Mut. Auch damals nicht. Ihre Studie von 1989/90 (welche ich nicht kenne) in Ehren, aber die Welt dreht sich.
    Gruss vom anderen Ende der Platte.

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