Alexandre de Moraes TSE

Alexandre de Moraes, Richter am obersten brasilianischen Bundesgerichts, sollte entführt und allenfalls ermordet werden. Er leitete viele Ermittlungen gegen Rechtsextreme. © TSE

In Brasilien halfen die USA, die Demokratie zu retten

upg. /  Sie machten ihren Einfluss geltend, damit das Militär die Abwahl von Jair Bolsonaro zugunsten von Lula da Silva akzeptierte.

Nach Angaben der «Financial Times» soll die Regierung Joe Bidens verdeckt Einfluss ausgeübt haben, um die politischen und militärischen Führer Brasiliens dazu zu bringen, die Wahlergebnisse anzuerkennen.  

Die USA halfen damit, einen festgelegten Plan des Militärs zu vereiteln. Der gewählte Präsident Lula da Silva solllte verhaftet und Jair Bolsonaro mit einem Putsch an der Macht gehalten werden.

Das berichtete die brasilianische Journalistin Vanessa Barbara Anfang Januar in der «New York Times». Sie wertete einen  221-seitigen und einen 884-seitigen Bericht der brasilianischen Bundespolizei aus, die im November veröffentlicht wurden. 

Die mit Spannung erwarteten Berichte waren das Ergebnis von zwei Jahren Ermittlungen. Sie beschreiben einen detaillierten Plan zum Sturz der neuen Regierung.

Laut dem Plan sollten Attentate dafür sorgen, dass der im Oktober 2022 abgewählte Präsident Bolsonaro an der Macht bleibt. Den Berichten zufolge war eine elitäre Armeeeinheit beauftragt, den neuen Präsidenten Lula da Silva und seinen Vizepräsidenten Geraldo Alckmin zu töten. Es gab auch Pläne, einen Richter am Obersten Gerichtshof, Alexandre de Moraes, zu entführen und wahrscheinlich zu töten. Er leitete viele der Ermittlungen gegen die rechtsextreme Bewegung des Landes.

De Moraes soll das erste Ziel gewesen sein. Ein geplantes Dekret Präsident Bolsonaros sollte die Befugnisse des brasilianischen Wahlgerichts aufheben und Moraes verhaften lassen. Im Dezember legte man das Dekret den Spitzen der Streitkräfte zweimal vor, wie einige Offiziere bestätigten.

Der Marinechef wollte sich laut dem Bericht anschliessen, doch die Armee- und Luftwaffenkommandanten lehnten ab. Ein Grund könnte der fehlende internationale Rückhalt gewesen sein. Die US-Regierung soll im Laufe des Jahres verdeckt auf Brasiliens politische und militärische Führer eingewirkt haben, um die Anerkennung der Wahlergebnisse zu erreichen. Offensichtlich mit Erfolg.


Angeblich betrugsanfälliges elektronisches Wahlsystem

Im Vergleich zu den Entführungs- und Mordplänen wirkten die übrigen Vorhaben weniger spektakulär, blieben jedoch hinterlistig, meint Vanessa Barbara. Beispielsweise behaupteten Bolsonaro und seine Verbündeten vor der Wahl wiederholt, das elektronische Wahlsystem sei betrugsanfällig. Damit wollten sie die Konservativen aufwiegeln und für einen Putsch gewinnen.

Die Verschwörer wussten jedoch, dass diese Behauptungen falsch waren. «Keine Beweise für Betrug», sagte Bolsonaros persönlicher Berater, Oberstleutnant Mauro Cid, zu einem Oberst. Ein entscheidender Moment ist laut den Berichten die Bemerkung eines Beamten des brasilianischen Geheimdienstes zu einem Kollegen: «Da ist jemand, der einen Tweet über die Manipulation der Wahlurnen gepostet hat. Wir müssen den Tweet mit einem Lebenslauf anreichern, um ihn glaubwürdiger machen.»


Die Verantwortlichen des Putschplans

Die Polizeiberichte benennen die Verantwortlichen des Plans. Unter den Angeklagten sind mehrere von Bolsonaros engsten Verbündeten, darunter Kabinettsmitglieder, Bolsonaros Vizepräsidentschaftskandidat, sein Verteidigungsminister und ein ehemaliger Marinechef. Den Berichten zufolge «plante, handelte und wusste Bolsonaro von den Aktionen der kriminellen Organisation, die einen Staatsstreich anstrebte und die demokratische Rechtsstaatlichkeit beseitigen wollte».

Bolsonaro bestreitet alle Vorwürfe.


«Ein neuer Putsch ist nicht auszuschliessen»

«New York Times»-Autorin Vanessa Barbara hält die Lage in Braslien für «beunruhigend». Denn obwohl einige militärische Exponenten diesmal keinen Putsch unterstützten, bleibe die Demokratie stark von der Stimmung des Militärs abhängig. Das sei schon immer so gewesen. Seit der Gründung der Republik 1889 habe das Militär neunmal versucht, die Macht zu übernehmen – fünfmal erfolgreich.

Auch nach dem Ende einer 20-jährigen Militärdiktatur im Jahr 1985 – geprägt von Menschenrechtsverletzungen, Pressezensur und Verfolgung politischer Gegner – blieb das Militär politisch einflussreich. Unter Bolsonaro wuchs seine Macht. Vanessa Barbara befürchtet, dass viele Generäle, Admiräle und Marschälle schnell wieder einen Staatsstreich unterstützen, wenn ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Mit Blick auf die Wahlen 2026 gebe es Grund zur Sorge. Die neue Regierung Trump könnte das Militär eher unterstützen. Und unter Präsident Lula herrsche Unzufriedenheit. Ein erneuter Putsch sei deshalb nicht auszuschliessen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Vanessa Barbara ist eine brasilianische Journalistin und Autorin. Sie ist Kolumnistin für die Zeitung «O Estado de S. Paulo» und hat auch für das Magazin «piauí» und die Zeitung «Folha de S. Paulo» geschrieben. Ihre Artikel erscheinen auch in der «New York Times».
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