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Da war man noch «gut Freund»: Donald Trump und Xi Jinping bei Trumps Besuch in Peking, November 2017 © Wikimedia Commons

Handelsstreit USA-China: Neues Gleichgewicht?

Peter G. Achten /  Wie weiter im amerikanisch-chinesischen Handelsstreit? Vielleicht liefern Donald Trump und Xi Jinping Ende Juni Antworten.

Über US-Präsident Trump kann vieles gesagt werden, doch maulfaul ist er nicht. Mit Bezug auf das kommende Gipfeltreffen der G20-Staaten im japanischen Osaka und einem möglichen Treffen mit Xi zwitscherte Trump nonchalant: «Entweder wir vereinbaren einen grossen Deal mit China, oder wir machen gar keinen.» Ganz undiplomatisch also – alles oder nichts. Doch selbst beim «grössten Dealmaker der Geschichte» müsste am Schluss wohl doch noch ein Quäntchen ökonomischer Sachverstand eine Rolle spielen. Eigentlich.
Trumps Zoll-Keule
Nach rund zwölf Monaten eines von den USA angefachten Handelsstreits und elf Verhandlungsrunden wurde die Übung im Mai unversehens abgebrochen. Washington machte Peking dafür verantwortlich, weil bereits vereinbarte Punkte wieder zurückgenommen worden seien. Peking wiederum bezichtigte Washington unmässigen Drucks. Was genau vorgefallen ist, bleibt undurchsichtig. Nachdem sich Trump und Xi im vergangenen Dezember in Argentinien am G20-Gipfel getroffen hatten, wurde wieder verhandelt. Zu 95 Prozent sei man sich einig, hiess es noch im April aus Verhandlungskreisen. Doch dann der Absturz mit Eskalation und wüsten Drohungen.
Trump schwang erneut die Zoll-Keule und setzte unter anderem den IT-Riesen Huawei wegen «Bedrohung der nationalen Sicherheit» auf eine schwarze Liste. China konterte ebenfalls mit Zöllen, mit einer Liste «unzuverlässiger Auslandunternehmen» sowie mit der Drohung, den Export der strategisch wichtigen Seltenen Erden nach den USA zu unterbinden. US-Präsident Trump setzte mitten in der Eskalation und Konfrontation noch eins obendrauf: Es sei ihm «ein Vergnügen», falls nötig, weitere chinesische Waren im Wert von 300 Milliarden Dollar mit Zöllen bis zu 25 Prozent zu belegen.
Vom Kopierer zum Innovator
Beide Volkswirtschaften sind hochgradig voneinander abhängig. Seit dem Beitritt Chinas zur UNO-Welthandelsorganisation (WTO), so der Vorwurf der USA, habe Peking verschiedentlich internationale Regeln missachtet. Doch multilateral will sich Dealmaker Trump nicht einlassen. Beim chinesisch-amerikanischen Disput geht es um viele im internationalen Handel wichtige Punkte. Ein für die Entwicklung jeder Volkswirtschaft wichtiger Punkt ist das Urheberrecht und der Schutz geistigen Eigentums. China, so die Wahrnehmung in den USA aber auch im Westen, kopiert, stiehlt und raubt. Richtig ist, dass China zu Beginn der Wirtschaftsreform und Öffnung nach aussen fleissig und erfolgreich kopiert hat.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass das ein übliches Vorgehen ist. Im 19. Jahrhundert kopierten, stahlen und raubten die Kontinentaleuropäer, einschliesslich der Schweiz, geistiges Eigentum von Grossbritannien, wo im 18. Jahrhundert die industrielle Revolution ihren Anfang nahm. Danach waren die Amerikaner an der Reihe, später die Japaner, Südkoreaner, Taiwanesen.
Heute freilich hat sich die Situation verändert. Urheberrechte gewinnen auch in China schnell an Bedeutung. China ist, wie einst die USA, vom Kopierer zum Innovator geworden. Ins gleiche Kapitel gehört der Vorwurf, ausländische Unternehmen werden zum Technologie-Transfer gezwungen. Bei einem Gemeinschaftsunternehmen (Joint-Venture) wird international einvernehmlich über Technologie-Transfer entschieden – in China ebenso wie in anderen Staaten.
Privatwirtschaft immer wichtiger
Im Zusammenhang mit Huawei wird der gefährliche Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas hervorgehoben. Der Huawei-Gründer Ren Zhengfei diente einst in der Volksbefreiungsarmee, steht jetzt aber einem privaten Unternehmen vor. In jedem Unternehmen, ob staatlich oder privat, ist die KP vertreten. In Privatfirmen jedoch hat das Partei-Komitee im täglichen operationellen Bereich nichts zu sagen. Basis des autoritären chinesischen Systems ist Staatskapitalismus mit Staatsunternehmen in einigen Schlüsselindustrien. Doch heute nach vierzig Jahren Wirtschaftsreform sind Privatunternehmen der entscheidende Teil der Volkswirtschaft. Weit über 50 Prozent der Steuern kommen von der Privatwirtschaft, Private generieren 60 Prozent des Wachstums, 70 Prozent der technologischen Innovation und 80 Prozent der Arbeitsplätze.
Bei einer weiteren Eskalation des amerikanisch-chinesischen Handelskonflikts ist laut westlichen und chinesischen Ökonomen eine Entkoppelung der beiden Volkswirtschaften nicht mehr auszuschliessen. Das aber wäre nach Ansicht von Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping gefährlich. An einem Wirtschaftsforum im russischen St. Petersburg sagte Xi, er glaube, sein «Freund Trump» sei gleicher Meinung.
Auf eigene Forschung setzen
Zwar sind die USA und China gegenseitig voneinander abhängig. Doch nach Ansicht von Vizepremier Liu He, dem chinesischen Chefunterhändler und Vertrauten von Xi Jinping, bietet die jetzige Situation auch Vorteile: «Der äussere Druck wird uns helfen, Innovation und Selbstentwicklung sowie Reform und Öffnung nach aussen zu verbessern. Auch das Wachstum mit hoher Qualität kann so weiter vorangetrieben werden.» Ein Beispiel für Innovation: Sollte Huawei tatsächlich von seinen amerikanischen Hightech-Zulieferern abgeschnitten werden, zählt man an der Zentrale im südchinesischen Shenzhen bereits jetzt auf eigenen Forschung und Entwicklung.
Dass in China immer noch auf Verhandlungen und Kompromisse hingearbeitet wird, zeigt ein Kommentar in der vom Parteiblatt «Renmin Ribao» (Volkstageszeitung) herausgegebenen Zeitung «Global Times». Wang Jisi, Professor an der Pekinger Elite-Universität Beida, formuliert, was auf dem Spiel steht: «Die Herausforderung für beide Nationen besteht darin, die positiven Elemente der gegenseitigen Beziehungen zu betonen und zu verhindern, dass die Beziehungen in das dunkle Loch einer Langzeit-Konfrontation fallen.» China und die USA sollten sich so Wang, für eine Beziehung basierend auf Koordination und Zusammenarbeit einsetzen.
Für die Kerninteressen kämpfen
Auch vorsichtige Stimmen sind aus China zu hören. Jia Kang, ehemaliger Forschungschef des Finanzministeriums und Mitbegründer einer Denkfabrik, sagte neulich an einem Seminar an der Pekinger Tsinghua-Universität: «Um ehrlich zu sein, China ist noch immer weit davon entfernt, sich mit den USA zu messen.» In der Tat, Innovation und Produktivität sind in den USA – aber auch in Japan oder Europa – vorerst noch um ein Vielfaches grösser als im Reich der Mitte. Die chinesische Führung, so Jia Kang, wäre deshalb gut beraten, sich an die Worte des Reform-Übervaters Deng Xiaoping zu erinnern. Dengs Rat: «Genau beobachten, unsere Position sichern, sich mit der gegebenen Situation ruhig auseinandersetzen, unsere Möglichkeiten herunterspielen, sich nicht profilieren, unsere Zeit abwarten, niemals Vorherrschaft beanspruchen.» Laut Jia Kang sollte China fortfahren, für seine Kerninteressen zu kämpfen. Ein neues Gleichgewicht sei anzustreben, selbst wenn es nur ein vorläufiges sei.
Wegen der gegenseitigen Abhängigkeit kann sich keine Seite einen Handelskrieg leisten. Doch gleichzeitig können es sich weder China noch die USA leisten – beide aus innenpolitischen Gründen – klein beizugeben. Lassen wir uns am 28./29. Juni von Trump und Xi in Osaka überraschen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_China

Chinas Aussenpolitik

Sicherung von Rohstoffen und Energie auf der halben Erde; Territoriale Konflikte im südchinesischen Meer; Taiwan

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Eine Meinung zu

  • am 20.06.2019 um 15:56 Uhr
    Permalink

    Weder Trump noch Xi sind absolutistische Alleinherrscher über ihren Gesellschaften.
    Das Trump-Lager und viele opportunistische US-Amerikaner wollen ihre die vorteilhafte komfortable Position einer Vorherrschaft verteidigen, in und ausserhalb der USA. Verlieren die USA diese Position sinkt der Wohlstand und die relativen Arbeitseinkommen in den USA, besonders für die Kapitalschwachen. Für gar nicht so wenige US-Amerikaner wird die Lage immer prekärer, besonders dann, wenn sie nicht mehr soviel Billigeres aus China bekommen. In der Situation bietet mehr Freiheit oder die tollste Demokratie keine Verbesserung der Lebensqualität. Für diese Bevölkerungsgruppe muss Energie möglichst billig sein, völlig egal was das für Kollateralschäden verursacht.

    Wenn die VR China auch nur halb so gut pro Kopf gerechnet wird, hat sie dann doppelt so viel Potential wie die USA. Das muss aus Sicht der USA unbedingt verhindert werden. Trump hat selbst mal gesagt, die Vorgänger hätten die Chance verpasst.

    Wenn es den meisten Menschen in einer Gesellschaft ständig auch nur etwas besser geht, ist der innere Friede und die Motivation gewahrt.
    Wenn es den meisten Menschen in einer Gesellschaft ständig auch nur etwas schlechter geht, werden Sündenböcke gesucht und der gesellschaftliche Zusammenhalt u. die Leistungsfähigkeit geht langsam runter.

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