Kommentar

Gedanken zum Attentat: «Die Demokratie verteidigen»

Matthew Hoh ©

Matthew Hoh /  Der Trump-Attentäter wollte wohl die Demokratie verteidigen. Auch im Ausland töten und sterben Amerikaner «für die Demokratie».

Red. Hoh war Senior Fellow am Center for International Policy in Washington und ist Mitglied des Direktoriums des Institute for Public Accuracy.

In den USA argumentieren die gewählten Mehrheiten beider politischen Parteien, die USA müssten Israels Völkermord an den Palästinensern unterstützen, weil Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten ist. 

Für den Krieg in der Ukraine wurden in nur zweieinhalb Jahren 175 Milliarden Dollar bewilligt, um dort und im Westen die Demokratie zu verteidigen. 

Die Republikaner und die Demokraten haben einen unnötigen und rücksichtslosen kalten Krieg mit China angezettelt, wiederum um die Demokratie bei uns zu retten.

Die Kriege, an denen ich in Afghanistan und in Irak selber teilgenommen hatte, führten die USA unter den Bannern der Freiheit und der Demokratie. 

Dasselbe gilt für Libyen und Syrien. 

Millionen von Menschen wurden getötet, verwundet und obdachlos gemacht. 

Über Generationen hinweg haben die politischen und militärischen Führer der USA, unterstützt von oft enthusiastischen Medien, dem amerikanischen Volk versichert, dass das Abschlachten von Millionen Menschen auf der ganzen Welt notwendig war. Die Demokratie habe geschützt werden müssen vor Kräften, die jeweils fast immer als historisch gefährlich bezeichnet wurden.

Eine massive Informationskampagne, die Hunderte von Millionen Dollar kostete, wurde während fast eines Jahrzehnts für die Erzählung ausgegeben, dass Donald Trump eine existenzielle Bedrohung für unsere Demokratie sei. 

Die einzige Überraschung war, dass jemand erst am vergangenen Wochenende diese Botschaft in die Tat umsetzte und ein Attentat verübte.

Der Trump-Attentäter Thomas Matthew Crooks sah sich wahrscheinlich als den Helden, nach dem gerufen wurde. Unsere Demokratie scheint in einer Notlage ernsthaft bedroht zu sein. Da fühlte sich Crooks vielleicht – wie ein moderner Tempelritter – als Sohn der Freiheit des 21. Jahrhunderts, der gegen Feinde im In- und Ausland bewaffnet zu kämpfen hat. Er war bereit, für die Demokratie Blut zu opfern. 

Nichts verhindert es, dass dieselben Aufrufe an junge Männer und Frauen, im Namen der Demokratie im Ausland zu töten und getötet zu werden, auch im Inland gehört und befolgt werden. 

Die Kriege, die wir in Übersee «für Freiheit und Demokratie» führen, suchen uns zuhause heim.

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Dieser Kommentar erschien am 15. Juli auf Substack.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Hoh war Senior Fellow am Center for International Policy in Washington und ist Mitglied des Direktoriums des Institute for Public Accuracy sowie Mitglied des Beirats des Committee to Defend Julian Assange. Im Jahr 2009 trat er aus Protest gegen die Entwicklung des Krieges in Afghanistan von seinem Posten im Auftrag des US-Aussenministeriums zurück. Zuvor beteiligte sich Matthew an der Besetzung des Irak, zunächst 2004/5 in der Provinz Salah ad Din mit einem Team des Aussenministeriums für Wiederaufbau und Regierungsführung und dann 2006/7 in der Provinz Anbar als Kompaniechef des Marine Corps. Wenn er nicht im Einsatz war, beschäftigte sich Hoh bis 2008 im Pentagon und im US-Aussenministerium mit den US-Einsätzen in Afghanistan und in Irak.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Die Demokratien im Stress

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Matthew Hoh

Matthew Hoh

Hoh ist seit 2010 Senior Fellow am Center for International Policy in Washington. Im Jahr 2009 trat er aus Protest gegen die Entwicklung des Krieges in Afghanistan von seinem Posten im Auftrag des US-Aussenministeriums zurück. Zuvor beteiligte sich Matthew an der Besetzung des Irak, zunächst 2004/5 in der Provinz Salah ad Din mit einem Team des Aussenministeriums für Wiederaufbau und Regierungsführung und dann 2006/7 in der Provinz Anbar als Kompaniechef des Marine Corps. Wenn er nicht im Einsatz war, beschäftigte sich Hoh bis 2008 im Pentagon und im US-Aussenministerium mit den US-Einsätzen in Afghanistan und in Irak.

5 Meinungen

  • am 16.07.2024 um 11:37 Uhr
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    Großartiger Artikel zum Thema, wie die USA/G7 die Demokratie in fremde Länder bomben und mit Ol zurückkehren unter Hinterlassenschaft von Millionen Toten und Verletzten und für Jahrzehnte zerstörten gewachsenen Strukturen.

    Immer als Verlierer notabene mit Ausnahme der gestohlenen Ressourcen.

  • am 16.07.2024 um 12:20 Uhr
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    Es ist dringend notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es, in der US-Außenpolitik nie um die Rettung der Demokratie geht, sondern um Ihr Großmachtinteresse – nach Brezinskis Buch «Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft».
    Und das wusste auch Egon Bahr, der Friedensstreiter an der Seite Willy Brands, als er zu Schülern in Heidelberg sagte: «In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.»
    Und natürlich hat das auch eine innenpolitische Relevanz: ein Präsidentenkandidat, der statt «wir dominieren die Welt», «America first» sagt, verlässt diesen Weltbeherrschungswahn!

  • am 16.07.2024 um 13:23 Uhr
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    Donald Trump war, ist und bleibt eine Gefahr für die Demokratie. Punkt.

  • am 16.07.2024 um 14:42 Uhr
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    Für Freiheit und Demokratie! Oder wie die Römer zu sagen pflegten: «Senatus Populusque Romanus» (Der Senat und das Volk von Rom) oder «Deus Vult» (Gott will es), womit die Kreuzritter ihre Kriege rechtfertigten. Jede Epoche hat ihren Slogan.

  • am 16.07.2024 um 17:08 Uhr
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    Tönt gut, stimmt aber so pauschal nicht ganz.
    Vielen Dank den US-Amerikaner*innen, die mitgeholfen haben, Europa von Hitler zu befreien und hoffentlich vor Putin zu retten. Für die vielen Fehler in Vietnam, Afghanistan, Lateinamerika, Irak, China, wo sie weniger Demokratieinteressen, sondern wirtschaftliche vertreten haben, verdienen sie Kritik. Aber so pauschal, wie es hier dargestellt wird, stimmt es einfach nicht. Hoffentlich verschonen sie uns nun wenigstens von Trump.

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