Fast jeder dritte Luftangriff im Jemen galt zivilen Zielen
Seit drei Jahren führt eine Koalition mehrerer arabischer Staaten unter Führung Saudi-Arabiens und mit Unterstützung namentlich der USA im Jemen Krieg gegen Huthi-Rebellen. Al Jazeera hat in einer interaktiven Darstellung alle Luftangriffe der Koalition seit März 2015 zusammengetragen und anschaulich gemacht.
Der Nachrichtensender griff dafür auf frei verfügbare Informationen zurück, die er durch andere Informationen verifiziert hat. Al Jazeera verwendete dazu offizielle Berichte lokaler Behörden, Berichte lokaler und internationaler Medienagenturen, Berichte von Menschenrechtsgruppen und Informationen von nationalen wie internationalen Nichtregierungsorganisationen. Mehrere Bombardierungen desselben Ziels innerhalb eines Angriffs fasste Al Jazeera als einen Angriff zusammen.
Jeder dritte Luftangriff traf ein ziviles Ziel
Das arabische Bündnis hat vor allem Luftangriffe auf die Hauptstadt Sanaa und den von den Rebellen besetzten Norden des Landes durchgeführt. In der Summe zeigt sich: Fast ein Drittel (31 Prozent) der mehr als 16’305 Luftangriffe war gegen zivile Ziele gerichtet.
Von den Angriffen auf nichtmilitärische Ziele trafen 1’491 Wohngebiete. Etwa 10’000 Zivilisten wurden laut Al Jazeera durch Luftangriffe getötet.
Von März 2015 bis Ende Februar 2018 flog die Koalition 16’305 Luftangriffe im Jemen. Grosse Bild-Auflösung hier. (Bild: Al Jazeera)
Die Koalition bombte 212 Schulen und mindestens 44 Moscheen zu Ruinen. 1’600 Schulen sind ganz oder teilweise zerstört.
Im Jemen gehen Millionen Kinder wegen des Krieges nicht zur Schule. Die arabische Koalition griff 212 Schulen direkt an. (Bild: Al Jazeera)
57 Fabriken wurden aus der Luft angegriffen, darunter Zementfabriken, holz- und lebensmittelverarbeitende Betriebe. 44 historische Gebäude wurden durch Luftangriffe zerstört, darunter mehrere Orte, die als Welterbe gelten. Die Festung Al Qahira in Taiz, die aus dem 10. Jahrhundert stammt, wurde, gerade restauriert, bereits 2015 getroffen, genauso der Damm von Marib. Die historische Altstadt von Sanaa, die aus vorislamischer Zeit stammt, ist weiterhin Ziel.
In der historischen Altstadt von Sanaa wird weiterhin gekämpft. (Bild: Al Jazeera)
Hunger, Cholera, Binnenflucht
Amnesty International nennt den Krieg im Jemen einen «Krieg gegen Zivilpersonen». Die Angriffe haben das ärmste unter den arabischen Ländern zu grossen Teilen zerstört. Durch den Krieg und die damit verbundene saudische Seeblockade hat die Koalition in den Worten der Vereinten Nationen die «weltweit schlimmste humanitäre Katastrophe» ausgelöst, doch der Krieg geht ungehindert weiter.
Im Sommer 2017 brach eine Choleraepidemie aus, die sich durch die schlechte Ernährungssituation und fehlende medizinische Einrichtungen schnell ausbreitete (Infosperber: «Jemen: Unicef bezahlt Ärzte, um Kinder zu retten»). Die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen hat laut «Ärzte ohne Grenzen» seit Beginn des Krieges den Betrieb eingestellt. Die Epidemie geht zurück, mehr als 2’300 Menschen sind jedoch seither an der Cholera gestorben, berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO.
Weniger gemeldete Krankheitsfälle: Die Cholera-Epidemie im Jemen schwächt sich ab. (Bild: WHO)
Der Krieg hat im ohnehin armen Jemen eine Hungersnot ausgelöst. Nach Angaben des Uno-Nothilfebüros Ocha sind 22 der etwa 27 Millionen Einwohner des Jemen auf Hilfe angewiesen. Millionen Menschen sind vom Hungertod bedroht. Hundertausende sind laut Al Jazeera bereits an Hunger gestorben. Zwei bis drei Millionen Menschen sind auf der Flucht, die meisten davon im eigenen Land.
Das Land benötigt dringend Medikamente, Lebensmittel und Benzin. Uno-Generalsekretär António Guterres, dem Anfang April bei einer Geberkonferenz zwei Milliarden Dollar Hilfsgelder zugesagt wurden, forderte die von Saudi-Arabien geführte Koalition auf, die jemenitischen Häfen für Hilfsgüter offenzuhalten.
Wichtige Rolle der USA
Mitverantwortlich für das Desaster in Jemen seien westliche Länder, die Saudiarabien mit Waffen sowie Informationen ihrer Geheimdienste beliefern, berichtete NZZ-Korrespondentin Monika Bolliger am 15. März 2018. Die USA und Grossbritannien würden sogar saudische Kampfflugzeuge in der Luft auftanken, welche Jemens Infrastruktur zerstören: «Die Staatenwelt darf Jemen nicht weiter der Zerstörung und dem Zerfall überlassen. Das wäre aus humanitärer Sicht verantwortungslos und auch sicherheitspolitisch nicht klug.» Die NZZ-Korrespondentin wurde noch deutlicher: «Hungersnot, Cholera, zerbombte Spitäler und Schulen, eine ganze Generation ohne Zukunft: Nirgends auf der Welt haben Menschen so etwas verdient. Jemens Albtraum muss endlich ein Ende nehmen.»
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- Mehr lesen: Infosperber Dossier über den Krieg im Jemen
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts von «Al Jazeera» und anderer Quellen erstellt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
«Fast jeder dritte Luftangriff im Jemen galt zivilen Zielen» – und wir liefern alle munter weiter Waffen an Saudiarabien. Das sind unsere hehren westlichen Werte.