Fadenscheiniger Vorwurf von Kinderarbeit in China
upg. Die Han-Chinesen, das sind über 90 Prozent der Bevölkerung, sind bekannt dafür, dass sie für Minderheiten wenig Verständnis haben. Nach Terroranschlägen von islamistischen Uiguren ging Beijing in der Provinz Xinjang mit extremer Härte gegen die Uiguren vor. Beijing erklärt, die Lage in den letzten Jahren «normalisiert» zu haben. Neue schwerwiegende Vorwürfe wie Kinder- und Zwangsarbeit oder Zwangssterilisierungen müssen in jedem Fall seriös belegt sein. Der TV-Sender «France 2» machte es sich zu einfach.
Der St. Galler Autor Harald Buchmann arbeitet für ein chinesisches Tech-Unternehmen in Shanghai.

Der französische Fernsehsender «France 2» strahlte am 8. Februar 2025 in der Sendung Cash Investigation eine Reportage aus, wonach in einer chinesischen Nähfabrik in Yanggu im Osten Chinas, welche Kleider für die französische Marke Decathlon herstellt, Kinder- und Zwangsarbeit stattfinde.
Chinesische Faktenprüfer aus Shanghai konterten und sagen, die Geschichte sei falsch und konstruiert.
Die zwei französischen Investigativjournalistinnen Justine Jankowski und Marine Zambrano, die sich als kulinarische Bloggerinnen tarnten, kamen unter dem Vorwand von Bauchschmerzen und dem Wunsch nach einem Klo in eine Fabrik des Konzerns Qingdao Jifa im Osten Chinas. Dort filmten sie dann mit versteckter Kamera und trafen in der grossen Fabrikhalle auf ein 12-jähriges Mädchen, das sie als «Arbeiterin» vorstellten. Auf die Frage, ob sie hier arbeite, hört man im Hintergrund noch das chinesische «bu», also nein. Die französische Übersetzungsstimme sagte: «Ich helfe etwas aus».
Das Mädchen erklärte, über die Sommerferien sei bei ihr niemand zuhause, weshalb sie zu ihrer Mutter in die Fabrik gehe, sonst aber ginge sie in die Schule.
Die Journalistinnen fassen zusammen, dass dieses Mädchen anstatt Sommerferien also Fabrikarbeit mache, und zeigen, wie das Mädchen Knöpfe an ein Kleidungsstück näht. Die eine Journalistin kommentiert lachend, sie sei aber eine fleissige Arbeiterin.
Chinesischsprachige Faktenchecker wie der YouTuber «Like Nanshi K Yimi» haben die Mutter des 12-jährigen Mädchens interviewt: Sie habe ihre Tochter bis vor die Fabrik mitgenommen, wo sie warten solle, bis deren Grossmutter aus der Nachbarstadt zurück sei, um sie abzuholen. Die Tochter sei dann wohl reingeschlichen, vielleicht um auf die Toilette zu gehen. Plötzlich habe sie gesehen, wie zwei fremde Personen mit ihr sprächen. Auf die Frage, wer das war, habe die Tochter gesagt, die beiden Personen hätten sie gebeten, an eine Nähmaschine zu sitzen um zwei Knöpfe anzunähen. Sie hätten das Mädchen dabei gefilmt, aber auch versprochen, das Video wieder zu löschen. Die Mutter gibt an, niemals erwartet zu haben, dass Monate später daraus ein Bericht fabriziert würde, welche ihrem Chef Probleme bescheren, und ihr erheblichen psychischen Stress verursachen und sie und ihrer Tochter beleidigen würde.
Ob die Aussagen der Mutter zutreffen, kann nicht überprüft werden.
Jedenfalls fanden die beiden französischen «Undercover»-Journalistinnen unter allen Arbeiterinnen der Fabrik lediglich dieses eine 12-jährige Mädchen. Daraus folgerten sie, dass die Fabrik Kinderarbeit zulasse.
Eklatanter Übersetzungsfehler
In einer weiteren Szene erklärten die Journalistinnen einleitend, sie hätten keine uigurisch aussehenden Arbeiter oder Arbeiterinnen in der Fabrik gesehen. [Red. Diese Fabrik liegt von Xinjiang etwa so weit entfernt wie die Schweiz vom Iran]). Doch sie hätten im Internet eine online-Werbung der Fabrik gefunden, wonach die Fabrik Arbeiter aus Xinjiang und Nordkorea anlocke.
Die chinesischen Faktenchecker analysierten das Originalvideo dieser Werbung ohne die französische Sprecherstimme. Sie stellten fest, dass die Aussage im Werbevideo hiess: «Wir bieten zudem Arbeitsbonus und bezahlte Überstunden. Also, wir heissen alle willkommen hier zu arbeiten.» Arbeitsbonus heisst auf Chinesisch «man qinjiang» und bezahlte Überstunden heissen «chaotian shujiang». Mit dem lokalen Akzent der Sprecherin klingen diese Worte ähnlich wie «man Xinjiang» und «chaoxian shujiang», was auf Chinesisch Xinjiang und Nordkorea bedeuten würde. Xinjiang und Nordkorea wurden im Video also nicht erwähnt.

Im Beitrag von «France 2» kam Adrian Zenz zu Wort. Offensichtlich sind die Übersetzungsfehler auch dem vielzitierten, jedoch umstrittenen China-Kritiker Adrian Zenz nicht aufgefallen. Denn nach Konsultation des Videos erklärte er im «France 2»-Beitrag, das Werbevideo deute klar auf Zwangsarbeit hin. Seine Begründung: «Die Firma erhält Geld von den Behörden, wenn sie Arbeiter aus Orten beschäftigt, wo die Regierung Menschen unterdrückt. Das ist der definitive Beweis für Zwangsarbeit.»
Der Anthropologe Zenz wirft China schon lange einen «kulturellen und demografischen Genozid» vor. Seit 2019 ist er Senior Fellow für Chinastudien beim antikommunistischen Think-Tank Victims of Communism Memorial Foundation.
Mechthild Leutner, emeritierte Sinologin an der Freien Universität Berlin und ehemalige Leiterin des staatlich-chinesischen Berliner Konfuzius-Instituts, kritisierte, dass in den Medien häufiger Persönlichkeiten wie Zenz zitiert würden, die «randseitigen evangelikalen Bildungsstätten» zugeordnet sind, anstatt Sinologen zu zitieren.
«Kein völkerrechtlicher Genozid, aber ein kultureller Genozid»
upg. Felix Wemheuer, Professor für chinesische Zeitgeschichte an der Universität Köln, führte im Jahr 2022 ein differenziertes Interview mit Professor Björn Alpermann, Professor für chinesische Politik an der Universität Würzburg, über China-Vorwürfe von Adrian Zenz. Alpermann sagte, er würde nicht von einem völkerrechtichen Genozid reden, sondern von einem kulturellen. Es finde eine von oben verordnete kulturelle Transformation statt. Alpermann äussert sich auch zu Vorwürfen der Zwangsarbeit zur vorgeschriebenen Geburtenkontrolle.
➔ Video hier unterhalb:
Baumwolle aus Xinjiang

Zu einem späteren Zeitpunkt kamen die Journalistinnen von «France 2» nochmals in die Fabrik, dieses Mal gaben sie an, potentielle Käuferinnen zu sein. Man erlaubte ihnen einen Fabrikrundgang, allerdings ohne Kameras. Jetzt ging es um die Herkunft der Baumwolle. Sie filmten versteckt und nahmen ein Gespräch auf, bei dem sie das Thema auf Baumwolle aus Xinjiang lenkten. Eine Fabrikarbeiterin bestätige, die Baumwolle komme nicht aus der Provinz Shandong, wo die Fabrik steht, sondern könne auch aus Xinjiang sein.
Im Beitrag von «France 2» ist der chinesische Originalton zur Baumwolle aus Xinjiang hinter der Übersetzung schlecht zu hören. Die Arbeiterin sagt zwar, die Baumwolle komme nicht unbedingt aus Shandong (der Provinz, in der die Fabrik steht und die kein Baumwollanbaugebiet ist), erwähnt aber selber Xinjiang nicht. Erst auf die Aussage der Journalistin auf chinesisch «es gibt viel Baumwolle in Xinjiang», bejaht die Arbeiterin, dass es dort viel Baumwolle gebe.
Sie sagte damit nicht, dass die Fabrik Baumwolle aus Xinjiang verwende.
Laut offizieller chinesischer Statistik waren 2023 bereits 100 Prozent des Baumwollanbaus und 90 Prozent der Ernte mechanisiert und finden mit riesigen Erntemaschinen statt. Sollten die Erntemaschinen in Xinjiang überhaupt von Zwangsarbeitenden bedient werden, würde lediglich eine sehr kleine Zahl benötigt.

Zwei westliche Autoren, der neuseeländische Journalist Andy Boreham und der französische Blogger Arnaud Bertrand haben die Argumente der chinesischen Faktenchecker auf Englisch übersetzt und auf YouTube und X verbreitet.
Sie konfrontierten die beiden Journalistinnen von «France 2» schriftlich mit den Vorwürfen der Faktenchecker. Ohne zu antworten, haben die beiden Journalistinnen darauf die X-Profile von Boreham und Bertrand blockiert.
Fragen von Infosperber liessen «France 2» und die beiden Journalistinnen bisher unbeantwortet.
Zwangsarbeit in den USA
In einigen Bundesstaaten wie Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, Mississippi, South Carolina und Texas wird Baumwolle manchmal von Hand durch Häftlinge privater Gefängnisse in unbezahlter Zwangsarbeit geerntet. In Xinjiang setzen Grosskonzerne gigantische Maschinen ein, die nur wenige Arbeitsplätze benötigen.
China lässt keine unabhängigen Beobachter in Xinjiang recherchieren
Die «Initiative Lieferkettengesetz.de» hält aktuell zur Kinderarbeit beim Abbau des Minerals Mica in China fest: «Das Risiko der Kinderarbeit beim Abbau von Mica besteht auch in Brasilien und China. Hier liegen bis heute allerdings keine Studien oder andere Belege vor.»
Trotz zahlreicher Beobachtungen westlicher NGOs und geleakter Dokumente aus China fehlen Beweise bezüglich heutiger Zwangsarbeit in Xinjiang. Allerdings lässt China keine unabhängigen Untersuchungen durch westliche NGOs in Xinjiang und im Bergbau in anderen Provinzen zu. Die USA beharren auf der Aussage, es gäbe solche Zwangsarbeit in Xinjiang und haben deshalb gegen chinesische Importe aus Xinjiang Sanktionen verhängt.
Viele muslimische Länder haben die Politik Chinas gegen die Muslime in Xinjiang nicht kritisiert. China hat im Jahr 2023 mehrere Delegationen islamischer Religionsvertreter und islamischer Staaten sowie Muslimschüler nach Xinjiang eingeladen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ich danke Harald Buchmann für seinen Artikel und schätze seine Meinungseinträge. Es ehrt ihn, dass es ihn kümmert, was in der Schweiz über sein Gastland oder vielleicht schon neues Heimatland (ich weiss es nicht) geschrieben wird.
Leider haben unsere studierten Eliten, in chinesischer Zeitgeschichte etc., nicht vor, China besser zu verstehen und gedeihliche Beziehungen zu fördern. Die sogenannten Thinktanks,
Fakten-Checker, Stiftungen, Universitäten, wollen nur ihren anonymen antikommunistischen Geldgebern gefallen und uns mit ihrer China Rhetorik überschwemmen. Leider funktioniert es viel zu gut. Unsere Studierten dürfen nicht mehr selber denken und sollen nur noch damit beschäftigt werden zu lernen was sie offiziell sagen dürfen.