Kommentar

Ende der Sanktionen – alles gut, Ende gut?

Erich Gysling © zvg

Erich Gysling /  Das Ende der Sanktionen gegen den Iran ist ein Sieg der Diplomatie. Fraglich ist, ob er hält, wenn Hillary Clinton ans Ruder kommt.

Ja, das alles ist ein Triumph von guter, fast schon weiser Diplomatie: Die Tatsache, dass Iran all seine Verpflichtungen des so genannten Atomvertrags vom Juli 2015 erfüllt hat und die darauffolgende Zusage durch die USA und die EU, die Sanktionen aufzuheben. Jetzt können die westlichen Geschäftsleute (wieder) nach Teheran reisen, Verträge unterzeichnen, Waren liefern, Gelder ohne Probleme transferieren. Bald auch werden die Flugverbindungen zwischen dem Westen und Iran verdichtet, denn jetzt können iranische Maschinen ohne Restriktionen westliche Destinationen anfliegen und dort auch die Tanks wieder voll füllen (und allenfalls Ersatzteile einbauen) lassen. Und Iran kann Erdöl und Erdgas wieder ohne Restriktionen ins Ausland liefern und erhält Zugriff auf zirka 100 Milliarden jahrelang blockierter Gelder in den USA (in kleinem Ausmass auch in Europa).

Fast die ganze internationale Gemeinschaft liest das als gute, sehr gute Nachricht. Israels Premier Netanyahu jedoch lässt sich nicht verführen: Iran bleibe weiterhin eine tödliche Bedrohung, sagt er. Denn Iran strebe weiterhin nach der Atombombe.

Israel bleibt isoliert

Wie? Nirgendwo sonst haben die Inspektoren der IAEA umfassendere Überwachungsmöglichkeiten als in Iran. Kein anderes Land wird so genau unter die Lupe genommen was allfällige Verstösse betreffen könnte. Kein Land mit Ausnahme Israels anderseits hat sich total der internationalen Atom-Kontrolle entziehen können – mit Ausnahme vielleicht von Nordkorea. Und nur wenige Länder haben mehr atomare Sprengköpfe als Israel.

Netanyahu wird von Zeit zu Zeit wieder mit Angriffen (vorauseilende Selbstverteidigung würde das allenfalls genannt) gegen iranische Anlagen drohen. Solange in den USA die Obama-Administration am Ruder ist, wird der israelische Premier bei solchen Drohungen international isoliert bleiben. Aber wie sieht es danach aus?

Die US-Republikaner haben nach den Novemberwahlen gute Chancen, die Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses noch etwas auszubauen. Ins Weisse Haus gelangen sie kaum – Donald Trump mag noch so populär sein, zu einer Mehrheit reicht’s wahrscheinlich doch nicht. Und die anderen Republikanischen Anwärter: Profil vage, Geldmittel bei Einigen bald schon erschöpft. Also hat Hillary Clinton gute Chancen, Präsidentin zu werden?

Hillary Clinton fährt einen anderen Kurs als Obama

Ja, hat sie. In vielen Belangen würde sie ähnlich agieren wie Barack Obama. Nicht aber in der Nahost-Aussenpolitik. Da hat Hillary Clinton schon sehr lautstarke Signale des Inhalts abgegeben, dass sie sich den israelischen Wünschen weitgehend fügen werde. Indirekt heisst das wohl auch, dass sie sich Iran-feindlichen Vorstössen eines Republikanischen Kongresses nicht widersetzen würde.

Was bedeutet das faktisch für das Atomabkommen mit Iran und die Aufhebung der Sanktionen?

Die USA werden höchstwahrscheinlich nicht mehr erfolgreich sein in der UNO – dort konnten sie ja in früheren Jahren für Resolutionen respektive Sanktionen Mehrheiten gewinnen.
Die USA werden wahrscheinlich dennoch versuchen, von «eigenem Grund und Boden» aus das zu sabotieren, was Obama jetzt durchgezogen hat – also wenigstens jene Sanktionen wieder in Kraft zu setzen, welche die internationale Finanzwelt als Geisel nimmt. Was heisst das praktisch? Wenn die Politik genügend Druck auf US-Banken ausübt, dass diese die Kooperation mit jenen europäischen Banken wieder verweigern, die ihrerseits mit Iran geschäften, dann wird die europäische Finanzwelt wieder «weiche Knie» bekommen. Man muss nur mal mit Bankern hierzulande über ein solches Szenario reden, dann wird man relativ ernüchtert. Niemand hierzulande, wohl auch nicht im übrigen Europa, will es sich leisten, wegen Iran das USA-Geschäft zu verlieren.
Immerhin, bis zur allfälligen Teilsabotage dessen, was jetzt zwischen der internationalen Gemeinschaft und Iran beschlossen wurde, wird glücklicherweise noch einige Zeit, mindestens ein gutes Jahr, vergehen. Das ist zumindest eine kleine Hoffnung. Aber wer das offene Fenster, dieses «window of opportunity» nutzen will, der oder die sollte schnell aktiv werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Sanktionspolitik der USA

US-Wirtschaftsboykotte gegen Iran, Venezuela oder Russland müssen auch die Europäer weitgehend befolgen.

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2 Meinungen

  • am 18.01.2016 um 13:07 Uhr
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    Es ist sicher eine gute Sache, dass die Sanktionen aufgehoben wurden. Wie immer hat darunter ja vor allem die Zivilbevölkerung gelitten. Dass man aber auch das Waffenembargo aufgehoben hat – das verstehe ich nicht. Waffenlieferungen gehören einfach verboten, egal in welches Land.
    Im übrigen braucht man absolut nicht Nethanyahu-Fan zu sein, um die Besorgnis der Israelis zu verstehen. Bei aller berechtigten Kritik an Israel – Iran unterstützt die Hisbollah und wird das jetzt umso mehr tun. Ausserdem kommen aus dem Iran immer wieder Vernichtungsdrohungen, die man durchaus ernst nehmen darf. Und dann wäre ja auch noch die aktuelle Situation mit Saudi-Arabien – ich bin ehrlich gesagt schon ein BISSCHEN skeptisch.

  • am 19.01.2016 um 14:47 Uhr
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    Man kann genauso gut die Besorgnis der Iranerinnen und Iraner verstehen, anstatt nur die Besorgnis der Israelis. Die Iraner sind eine alte Kulturnation und wurden von den Briten und Amerikanern lange genug ausgenutzt.
    "Waffenlieferungen gehören einfach verboten, egal in welches Land.» Einverstanden! Wozu produziert man sie denn? Für die diversen Landesverteidigungen?

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