Kommentar
Die US-Sanktionen gegen Iran sind kontraproduktiv
Die gestern Nacht in Kraft getretenen Sanktionen der USA gegen Iran und ihre extraterritoriale Ausweitung auf die Wirtschaftsbeziehungen, die Firmen und Banken aus Drittstaaten mit Teheran unterhalten, verstossen gegen multilaterale Handelsverträge und gegen das Völkerrecht. Sie werden massive negative Auswirkungen für die Menschen im Iran haben. Auch deshalb, weil die EU und die Regierungen ihrer drei gewichtigsten Mitgliedsländer in Berlin, Paris und London zu feige waren, die durchaus zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und juristischen Gegenmassnahmen zu ergreifen.
Diese Sanktionen werden keines der Ziele erreichen, mit denen sie von der Trump-Administration begründet werden. Ein besseres Nuklearabkommen mit Teheran als den einseitig von Trump aufgekündigten und völkerrechtlich verbindlichen Vertrag wird es nicht geben. Der Verweis auf die angeblich erfolgreiche Droh-, Sanktions- und Verhandlungspolitik Trumps gegenüber Nordkorea ist abwegig. Erstens hat Trump bei seinem Treffen mit Kim Jong un Anfang Mai nichts erreicht ausser einer völlig vagen, unverbindlichen Absichtserklärung zur Einstellung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms, an die sich Pjöngjang nach Erkenntnis nicht nur der US-amerikanischen Geheimdienste zudem nicht hält. Zweitens ist Nordkorea selbst mit Atombombe ein wirtschaftlich ausgebluteter Hungerstaat, isoliert und sanktioniert in seiner Region sowie weitgehend auch von den Grossmächten China und Russland. Iran hingegen ist auch ohne Atombombe eine veritable Regionalmacht mit Verbündeten fast überall im Nahen Osten, mit positivem wie negativem Einflusspotential in dieser Region und mit anhaltender Unterstützung Pekings und Moskaus.
Dynamik der Verhärtung
Die Sanktionen gegen Iran werden sehr wahrscheinlich einen Regime Change in Teheran bewirken. Allerdings nicht jenen Wechsel hin zu mehr aussenpolitischer Zurückhaltung in der Region und zu mehr politischen Freiheiten und wirtschaftlichen Möglichkeiten für die iranischen BürgerInnen, der in Washington und Tel Aviv so lautstark gefordert wird. Das Gegenteil wird eintreten: Der zumindest vergleichsweise gemässigte und reformorientierte Präsident Hassan Rohani wird von den innen- und aussenpolitischen Hardlinern verdrängt werden. Diese Dynamik der Verhärtung ist immer eingetreten, wenn die USA sowie zeitweise auch die EU Iran in den letzten knapp 40 Jahren unter wirtschaftlichen und politischen Druck gesetzt haben. Sei es nach der islamischen Revolution 1979 oder Anfang des Jahrtausends im Streit um Teherans Nuklearprogramm. Sollten die Hardliner in Teheran an die Macht zurückkehren, würde auch das dritte Ziel verfehlt, mit dem die Trump-Administration die Sanktionen begründet und weshalb sie auch hierzulande von mancher Seite unterstützt werden: Die potentielle Gefährdung Israels wird nicht geringer werden, sondern grösser.
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Siehe auch:
- Erich Gysling: «Iran / USA: Pulverfass am Persischen Golf», 8. August 2018
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Ja was soll ich von dem Artikel halten ? Es stimmt zwar alles und doch wird das Offensichtliche nicht angesprochen. Sie stellen gleich zu Beginn richtigerweise fest was die Sanktionen sind, nämlich ein Verbrechen. Und doch diskutieren Sie dann die gegebene Begründung so als hätte der Verbrecher damit seine wahre Absicht offenbart. Sie stellen auch fest, dass Sanktionen seit 40 Jahren eine bestimmte Wirkung haben. Wäre die naheliegende Annahme dann nicht, dass genau dies beabsichtig ist ? Die Leute, die diese Politik durchsetzen sind keinesfalls dumm, sondern, plakativ gesagt, böse. Wer wissen will wie diese Leute ticken sollte mal «The Grand Chessboard» von Zbigniew Brzezinski und zB diesen Kommentar https://peds-ansichten.de/2015/09/brzezinskis-welt-ein-psychogramm/ dazu lesen. Die USA werden erst zufrieden sein, wenn ein unterwürfiges Regime installiert ist. Und Hardliner an die Macht zu bringen ist dann halt ein kleiner Umweg zum Krieg.
Ich denke man sollte ohnehin öfter davon ausgehen, dass die tatsächlich eintretenden Folgen von Politik auch beabsichtigt sind, selbst wenn eine andere Absicht behauptet wird.
Die Machtübernahme durch die Hardliner scheint das tatsächliche Ziel zu sein.
Es würde die Bedrohungslage verschärfen und sich positiv auf die Waffenverkäufe auswirken und die bestmögliche Profite versprechen.
Die Spirale dreht sich weiter – leider.
Es wäre an der Zeit, etwas Anderes, etwas für den Frieden, zu tun!
Paul Steinmann, friedenskraft.ch .