Die NZZ schreibt wie ein Sprachrohr der Rüstungsindustrie
Die Neue Zürcher Zeitung führt seit Monaten eine regelrechte Angstkampagne. Wenn Russland nicht besiegt werde, würden «die Ausgaben für Militärisches und die Unterbringung von Millionen ukrainischer Flüchtlinge auf ein Vielfaches steigen», warnte Auslandredaktor Andreas Rüesch in seinem Leitartikel vom 8. Juni.
Der «gewalttätige Imperialismus» und die «genozidalen Absichten» Putins würden «an der Grenze der Ukraine nicht haltmachen». Seine Propagandisten würden bereits diskutieren, «wer als Nächstes die Gnade der russischen Peitsche spüren soll – Polen, Litauen, Finnen, Moldauer, Kasachen». Mit dem «Virus des russischen Imperialismus» gebe es «nichts zu verhandeln».
Schon im Mai hatte NZZ-Chefredaktor Eric Gujer gewarnt, der «dämonische Zauber Putins» werde nur gebrochen, «wenn er eine unzweideutige Niederlage erleidet». Denn es handle sich um «ein Schaulaufen im grossen Konflikt der Systeme».
NZZ-Redaktor Georg Häsler ergänzt die Angstkampagne und fordert in hoher Kadenz eine rasche Aufrüstung der Schweizer Armee. Eine «gesichtswahrende Lösung für Putin» lehnt er ab. Nur «westeuropäische Bedenkenträger» würden eine solche Lösung zuweilen in Talkshows vorschlagen. Bedenken wegen der russischen Atomwaffen wischt Häsler vom Tisch.
Zu den «Bedenkenträgern», über die Häsler herfährt, gehören unter anderen Theodor Winkler, ehemaliger hoher Berater im Militär- und Aussendepartement; Oliver Thränert, Chef des Think-Tank am Center for Security Studies der ETH Zürich; Ross Douthat und Tanner Greer, Kolumnisten der New York Times; Michael Kretschmer, CDU-Politiker und Sachsens Ministerpräsident; George Beebe, Direktor für Strategie am Quincy Institute for Responsible Statecraft. (Siehe die Positionen dieser «Bedenkenträger» im Artikel «Streit über das Risiko einer nuklearen Eskalation»).
Es überrascht nicht, dass die NZZ über die Argumente dieser «Bedenkenträger» wenig informiert. Sie kommen in der NZZ kaum zu Wort. Dafür verbreitet die NZZ seitenweise Gastbeiträge von Soziologen, Schriftstellern, Historikern und Philosophen aus aller Welt. Sie beteuern die angeblich imperialistischen Absichten Russlands und prangern Missstände in Russland an.
Missstände gibt es in Russland tatsächlich zu Hauf. Seit Russland den Krieg entfachte, hat der Rechtsstaat gänzlich ausgedient und die Medien sind unter noch stärkerer Kontrolle als je zuvor.
Ähnliches gilt für die Ukraine. Aus dem Oligarchenstaat machte der Krieg einen Staat unter Kriegsrecht.
Zur Freude der grossen Rüstungskonzerne
Rüstungskonzerne und ihre Lobbys alimentieren die Erzählung der imperialistischen Absichten Russlands. Auch andere Medien als die NZZ sowie Politiker verbreiten es: Falls in einem Waffenstillstand vereinbart würde, dass die Krim und Teile des Donbas bei der russischen Föderation bleiben, würden die Aggressionsgelüste Russlands regelrecht befeuert. Der Westen müsste über kurz oder lang mit einer russischen Aggression gegen benachbarte Nato-Staaten rechnen.
In der kleinen Schweiz gibt es im Departement für Verteidigung 95 Vollzeitstellen für PR-Kommunikationsleute. Sie werben über alle Kanäle für höhere Militärausgaben. Um der Bevölkerung den Ernst der Lage klarzumachen, übte das Schweizer Militär vor versammelten Medien das Landen und Starten von Kampfflugzeugen auf Autobahnen.
Deutschland übte im eigenen Land ebenfalls medienwirksam den Durchmarsch und das Versorgen von Nato-Truppen.
Euphorie bei den Rüstungskonzernen und ihren Aktionären
Entsprechende Euphorie herrscht bei Managern und Aktionären von Rüstungskonzernen. Zwar hat der mächtige militärisch-industrielle Komplex mit seinen unzähligen Lobbyisten und Think-Tanks1 stets Feindbilder an die Wand gemalt, um Politiker und Medien für Rüstungsausgaben zu gewinnen. Die Angriffskriege der USA im Irak oder in Afghanistan sowie die Exporte in andere Kriegsgebiete hielten ihre Maschinerie zwar am Laufen.
Doch vom jetzigen Auftragsvolumen konnten die Rüstungskonzerne bisher nur träumen. Es ist schon lange her, seit Aktien der Rüstungskonzerne einen solchen Geldsegen bescherten.
«Ein Nato-Beitritt der Ukraine macht einen Krieg wahrscheinlich»
Im Dezember 2021 schlug Russland einen Vertrag mit den USA und einen Vertrag mit der Nato vor, Verträge, die einen Beitritt der Ukraine zur Nato ausschliessen sollten. Im September 2023 bestätigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass Wladimir Putin – wenige Monate vor seinem Angriff auf die Ukraine – noch einmal die Zusicherung verlangte, dass die Nato die Ukraine nicht aufnimmt. Stoltenberg fügte hinzu: «Natürlich haben wir das nicht unterschrieben».
Führende US-Diplomaten und Staatswissenschaftler hatten vor einer Nato-Erweiterung gewarnt: Der US-Historiker und Diplomat George Kennan, der ehemalige US-Botschafter in Russland Jack Matlock oder der frühere CIA-Direktor William Burns.
Sie alle zeigten sich überzeugt, dass eine weitere Ausdehnung der Nato einen Krieg wahrscheinlich machen, beziehungsweise einen solchen provozieren. Denn Russland würde die Krim mit dem russischen Militärstützpunkt am eisfreien Schwarzen Meer niemals der Nato zu überlassen.
«Unprovozierter Angriffskrieg»
Rüstungskonzerne, Nato und ihre Think-Tanks1 setzen ihre ganze PR-Maschinerie ein, um beliebt zu machen, dass der geplante Nato-Beitritt der Ukraine keine Rolle gespielt habe. Das Schlagwort hiess «unprovozierter Angriffskrieg» oder «unprovozierte Aggression» (Joe Biden am 31.5.2022). Im ersten Kriegsjahr schrieb allein die New York Times nach Angaben von Professor Jeffrey Sachs 26-mal von einem «unprovozierten» Krieg.
Wer seither die Ansicht äussert, die Nato hätte garantieren müssen, die Ukraine nicht aufzunehmen, um den Angriffskrieg Russlands zu vermeiden, wird als «Putin-Versteher» disqualifiziert. Eine ernsthafte Diskussion darüber sollte nicht aufkommen.
Vielmehr liessen Nato und US-finanzierte Think-Tanks1 in den meisten Medien das Gegennarrativ verbreiten: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei gerade der Beweis dafür, dass ein Beitritt der Ukraine zur Nato nötig sei. Denn Putins Russland hege «genozidale Absichten» und wolle «in imperialistischer Manier» die alte Sowjetunion wieder herstellen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland westliche Nachbarstaaten angreift, liegt bei null.
Mindestens zwei Jahrzehnte lang hat sich die russische Diplomatie gegen eine Aufnahme der Nachbarländer Ukraine und Georgien in die Nato gewehrt.
Hätte Putin die Ukraine imperialistisch einverleiben wollen, dann hätte er nicht gewartet, bis die Ukraine 2022 massiv aufgerüstet war, sondern wäre spätestens nach dem Staatsstreich in Kiew im Jahr 2014 einmarschiert.
Als die Nato Jahre nach dem Staatsstreich in Kiew daran festhielt, sich in die Ukraine auszudehnen, sicherte sich Russland rechtswidrig die Krim und Teile des Donbas.
Die Krim wurde weder mit russischen Panzern «erobert» noch «besetzt». Vielmehr hat Russland der bereits teilautonomen Krim mit Hilfe von Militärpersonal aktiv geholfen, ukrainisches Militärpersonal von der Halbinsel zu vertreiben, sich von der Ukraine rechtswidrig zu trennen und sich der Russischen Föderation anzuschliessen. Das geschah ohne Gewalt und ohne Blutvergiessen. Denn die Mehrheit der dortigen Bevölkerung zog diese Lösung einem Verbleib in der Ukraine vor. Für eine stärkere Autonomie von Kiew (Sprache, Kultur, Finanzen/Steuern usw.) hatte sich die Krim bis zuletzt vergeblich eingesetzt.
In Polen oder den baltischen Staaten wäre die Situation eine ganz andere. Russland könnte diese Nato-Länder weder militärisch besetzen noch wäre es in der Lage, sie gegen eine feindliche Bevölkerung zu verwalten.
Abgesehen davon würden es der Putin-Clan, Patriarch Kyrill und die russischen Staatsmedien auch mit allen Mitteln der Propaganda nicht schaffen, den Russinnen und Russen weiszumachen, dass Polen, die baltischen Staaten oder Finnland zur russischen Identität gehörten oder es dort eine Nazi-Regierung zu bekämpfen gebe, welche einen Genozid an Russen verübe.
Nach dem Ende des Kriegs in der Ukraine wird es Jahre dauern, bis die russische Armee wieder auf dem gleichen Level sein kann wie vor dem Krieg. Und auch dies würde für die Nato-Länder Westeuropas keine Gefahr bedeuten. Die Militärausgaben und das Waffenarsenal der Nato übersteigen diejenigen Russlands um ein Vielfaches – ohne weitere Aufrüstung des Westens. Die westliche Wirtschaftskraft ist ohnehin ungleich stärker.
Militärausgaben | 2023 |
Nato | 1341 Mrd Dollar |
Russland | 109 Mrd Dollar |
China | 296 Mrd Dollar |
Eher abrüsten
Aus dem Krieg in der Ukraine wird Russland stark geschwächt hervorgehen. Westeuropa kann eher abrüsten, anstatt aufzurüsten.
Es gibt kein realistisches Szenario, in dem Deutschland oder die Schweiz einen Angriff russischer Truppen befürchten müssten. Trotzdem verbreitet die Nato – und in ihrem Chor die NZZ – immer und immer wieder: «Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht ganz Europa.» Zur raschen Aufrüstung Europas gebe es «keine Alternative», titelte die NZZ.
Und unter dem Titel «Die Schweiz verleugnet die Realität» beschimpfte NZZ-Chefredaktor Eric Gujer Bundesrat und Parlament sogar als «unfähig», weil sie zu wenig schnell aufrüsten würden. (NZZ vom 17.4.2024)
Gegen einen Angriff mit Atomwaffen helfen weder Panzer noch Kampfjets
Eine reale Gefahr für Westeuropa besteht, wenn der Krieg in der Ukraine eskaliert. Denn es kann zum Einsatz russischer Atomwaffen kommen. Gegen atomare Vernichtungsschläge wären in Deutschland und der Schweiz noch so viele Kampfpanzer oder Kampfjets hilflos.
Eine weitere reale Gefahr sind Cyberangriffe gegen die verwundbare Infrastruktur. Auch dagegen sind Kampfpanzer und Kampfflugzeuge wenig hilfreich.
Man kann zum Schluss kommen, dass es keinen ausreichenden Grund dafür gab und gibt, dass Deutschland aufrüstet und sich dafür mit 100 Milliarden Euro verschuldet. Und dass es keinen überzeugenden Grund gibt, weshalb die Schweiz für sechs Milliarden Franken 36 US-Kampfjets kauft und die Militärausgaben massiv erhöht. Es ist zweckmässiger, in die Cyberabwehr zu investieren.
Die Milliarden werden dringend gebraucht, um existenzielle Probleme der Menschheit zu lösen und den Zusammenhalt der westlichen Gesellschaften zu erhalten: Stichworte sind Armutsbekämpfung, Migrationsprobleme, Umwelt, Klimamassnahmen.
Keine weiteren Zehntausende von schrecklichen Schicksalen
Bis heute sind viele Zehntausend Ukrainer, Russen und Söldner im Krieg umgekommen. Doppelt so viele wurden schwer verletzt und traumatisiert. Millionen von Familien sind zerrissen.
Dazu kommen die massiven Zerstörungen und Naturschäden.
Was muss geschehen, um nochmals Hunderttausende von schrecklichen Schicksalen zu vermeiden?
Einen Verhandlungsfrieden kann es geben, wenn die Ukraine den Anspruch auf die Krim und Teile des Donbas zwar aufrechterhält, diese Gebiete jedoch vorläufig der russischen Föderation überlässt. Oder wenn man sich einigt auf international überwachte Volksabstimmungen, in denen für die Krim und den Donbas neben der Zugehörigkeit zur Russischen Föderation oder zur Ukraine auch eine starke Autonomie innerhalb der Ukraine zur Wahl stehen könnte.
Falls die Sezession der Krim und von Teilen des Donbas vorläufig anerkannt würde, wären dies in Europa nach dem Kosovo die zweiten Sezessionsgebiete seit dem Zweiten Weltkrieg.
Dem grossen Rest einer neutralen Ukraine würde ein solcher Verhandlungsfriede erlauben, sich wirtschaftlich und politisch in Richtung Westen und EU auszurichten und einen unabhängigen demokratischen Weg einzuschlagen.
Präsident Putin hat sich in letzter Zeit mehrmals bereit erklärt, auf Basis des Vereinbarungsentwurfs von Istanbul in dieser Richtung zu verhandeln. Damals war die Ukraine bereit, auf eine Mitgliedschaft in der Nato zu verzichten und den Satus der Krim 15 Jahre lang einzufrieren.
Doch NZZ-Redaktor Rüesch warnt vor einem so skizzierten Kriegsende. Denn dann würde die nötige «Unterbringung von Millionen ukrainischer Flüchtlinge auf ein Vielfaches steigen». Warum dies so wäre, ist schwer nachvollziehbar.
Wenn aber die Nato und Selensky die Rückgewinnung der Krim und des Donbas sowie den Nato-Beitritt weiterhin als «nicht verhandelbar» erklären, wird der Krieg bis zum bitteren Ende eskalieren. Putin wird auf dem Hauptziel einer Nato-freien Ukraine beharren und es nicht zulassen, dass die Krim und der Donbas von der Ukraine eingenommen werden. In diesen Punkten weiss er die russische Elite und die russische Bevölkerung hinter sich.
Im Juni 2024 vermerkte US-Korrespondent Christian Weisflog in der NZZ: «Sollte sich ein ukrainischer Durchbruch zur Halbinsel Krim abzeichnen, schätzt die CIA die Gefahr einer nuklearen Eskalation auf 50 Prozent und mehr ein.»
Andreas Zumach: Mögliche Wege an den Verhandlungstisch
Am 28. September 2023 hatte der langjährige UNO-Korrespondent in Genf und Völkerrechts-Spezialist mögliche Voraussetzungen für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen dargelegt. Hier klicken.
«Russland aus dem Gleichgewicht bringen»
Die Rand Corporation, deren grösste Geldgeber die US-Armee, die US-Air-Force und das US-Verteidigungsdepartement sind, berät die US-Streitkräfte. Sie veröffentlichte am 24. April 2019, also vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine, ein Strategiepapier. Es analysiert, wie die USA Russland schwächen und aus dem Gleichgewicht bringen können. Was die Rand Corporation in vertraulichen Dokumenten den US-Streitkräften rät, ist nicht bekannt.
Im veröffentlichten Strategiepapier ist ein Arsenal von Massnahmen aufgelistet und nach dem Nutzen, den Kosten und den Risiken bewertet. Darunter folgende Massnahmen (wörtlich):
- Schärfere Handels- und Finanzsanktionen;
- Die Auswanderung gut ausgebildeter Russen fördern;
- Vermehrte todbringende Hilfslieferungen an die Ukraine;
- Verstärkte Unterstützung syrischer Rebellen;
- Die Liberalisierung in Belarus fördern;
- Einen Umbruch in Transnistrien herbeiführen;
- Das Vertrauen in das russische Wahlsystem untergraben;
- Den Eindruck fördern, dass das Regime nicht das öffentliche Interesse verfolgt;
- Proteste und gewaltfreien Widerstand in Russland ermutigen;
- Russlands Image im Ausland untergraben;
- Verlegen von Kampfbombern in Reichweite [von Russland];
- Umplatzierung von Kampfbombern näher an die Ziele;
- Die Stationierung zusätzlicher taktischer Nuklearwaffen an Standorten in Europa und Asien, welche die Ängste Russlands so weit schüren könnten, dass es seine Investitionen in seine Luftverteidigung deutlich erhöht;
- Eine Neuausrichtung der ballistischen Raketenabwehrsysteme der USA und ihrer Verbündeten, um russische ballistische Raketen besser bekämpfen zu können, würde auch Moskau alarmieren;
- Die Präsenz der Seestreitkräfte der USA und ihrer Verbündeten in Russlands Operationsgebieten verstärken. Das könnte Russland dazu zwingen, seine Investitionen in die Marine zu erhöhen;
- Die Forschung und Entwicklung neuer Waffen für die Marine verstärken. Das könnte es den US-U-Booten ermöglichen, eine breitere Palette von Zielen zu bedrohen oder ihre Fähigkeit zu verbessern, russische U-Boote mit ballistischen Atomraketen (SSBN) zu bedrohen. Dies wiederum könnte Russland zu mehr Aufwand für die Bekämpfung von U-Booten zwingen;
- Den Zugang zum und über das Schwarze Meer verhindern – möglicherweise in Form von landgestützten Langstreckenraketen zur Schiffsabwehr. Das würde die Kosten für die Verteidigung der russischen Stützpunkte auf der Krim in die Höhe treiben und den Nutzen, den Russland aus der Einnahme dieses Gebiets zieht, verringern;
- Die USA könnten Russland in ein kostspieliges Wettrüsten treiben, indem sie aus dem System der nuklearen Rüstungskontrolle ausbrechen.
Beim letzten Punkt schätzt die Rand Corporation das Kosten-Nutzen-Verhältnis allerdings als schlecht ein: «Die Vorteile dürften die Kosten für die USA nicht aufwiegen. Die finanziellen Kosten eines nuklearen Wettrüstens wären für die USA wahrscheinlich genauso hoch wie für Russland, vielleicht sogar höher. Die schwerwiegenderen Kosten wären jedoch politischer und strategischer Natur.»
Aus ihrer Auslegeordnung zieht die Rand Corporation folgende Schlussfolgerung:
«Die vielversprechendsten Optionen sind diejenigen, die direkt auf die Schwachstellen, Ängste und Stärken Russlands eingehen. Sie nutzen die Schwachstellen aus und untergraben gleichzeitig die derzeitigen Vorteile Russlands.
In dieser Hinsicht ist Russlands grösste Schwachstelle im Wettbewerb mit den USA seine Wirtschaft, die vergleichsweise klein und stark von Energieexporten abhängig ist. Die grösste Sorge der russischen Führung gilt der Stabilität und Beständigkeit des Regimes.
Russlands grösste Stärken liegen im militärischen Bereich und im Bereich der Informationskriege.
Die meisten der erörterten Optionen, einschliesslich der hier aufgeführten, sind in gewisser Weise eskalierend. Die meisten würden wahrscheinlich zu einer gewissen russischen Gegenreaktion führen.
Neben den spezifischen Risiken, die mit jeder Option verbunden sind, gibt es noch ein zusätzliches Risiko zu berücksichtigen, das mit einem nuklear bewaffneten Gegner verbunden ist. Dies bedeutet, dass jede Option bewusst geplant und sorgfältig kalibriert werden muss, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.»
Hier zum Strategiepapier in Englisch.
1 Einige Think-Tanks und Stiftungen
Einige von ihnen werden vom Pentagon oder der US-Regierung mitfinanziert. Etliche weisen nicht transparent aus, wer die «Spender» oder «Sponsoren» sind.
«National Endowment for Democracy»:
Sie wurde von Ronald Reagans CIA-Chef Bill Casey gegründet und finanziert u.a. NGOs in über hundert Ländern;
«Rand Corporation»:
Ein Think-Tank in den USA, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde, um die Streitkräfte der USA zu beraten. RAND-Experten spielten eine Rolle im Koreakrieg und der Propaganda des Kalten Krieges. In Europa ist die Rand Corporation in Cambridge und Brüssel vertreten. Zu den von RAND bearbeiteten Themen gehörten in den letzten Jahren unter anderem Strategien zur Destabilisierung Russlands und Überlegungen zum Krieg mit China (zitiert nach Wikipedia).
Die grössten Geldgeber der Rand Corporation sind die US-Armee, die US-Air-Force und das US-Verteidigungsdepartement. Sie berät die US-Streitkräfte und veröffentlichte am 24. April 2019, also vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine, ein Strategiepapier. Dieses analysiert, wie die USA Russland schwächen und aus dem Gleichgewicht bringen können.
«Council on Foreign Relations»:
Unter den Mitgliedern sind ehemalige US-Aussenminister und CIA-Direktoren.
«European Council of Foreign Relations»:
Vom US-Council on Foreign Relations unabhängig.Finanziert von hier. U.a. viele europäische Aussenministerien, ein Dutzend Grosskonzerne. Stiftung Mercator, Rockefeller Brothers Fund, Open Society Foundations, Gates-Stiftung.
«Heritage Foundation»:
Diese politische Forschungsinstitution hat das Motto «Leadership for America» («Führung für Amerika»). Es verfolgt nach eigenen Worten die Förderung «konservativer Politik auf der Grundlage der freien Marktwirtschaft, des minimalen Staats, der individuellen Freiheit, traditioneller amerikanischer Werte und einer starken nationalen Verteidigung».
«Quincy Institute for Responsible Statecraft»:
George Soros und die erzkonservative «Koch Foundation» finanzierten den Start im Jahr 2019.
«Young Leaders Programme von Atlantik-Brücke und Weltwirtschaftsforum»:
Siehe Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags;
«Atlantik-Brücke»:
Dieser Verein will die Zusammenarbeit und die Freundschaft zwischen Europa und den USA fördern.
«Atlantic Council»:
Nach eigenen Angaben: «Der Rat bietet ein wichtiges Forum für die Bewältigung der dramatischen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen, die das einundzwanzigste Jahrhundert bestimmen, indem er sein einzigartig einflussreiches Netzwerk globaler Führungskräfte informiert und mobilisiert. Der Atlantic Council – durch die von ihm veröffentlichten Papiere, die von ihm entwickelten Ideen, die von ihm entwickelten zukünftigen Führungskräfte und die von ihm aufgebauten Gemeinschaften – prägt politische Entscheidungen und Strategien zur Schaffung einer freieren, sichereren und wohlhabenderen Welt. [….[ Der Atlantic Council fördert die US-Führungsrolle und das Engagement in internationalen Angelegenheiten auf Basis der zentralen Rolle der atlantischen Gemeinschaft bei der Bewältigung der internationalen Herausforderungen. […] Bis zu seiner Nominierung 27. Februar 2013 als US-Verteidigungsminister war Chuck Hagel Vorsitzender.»
Bilderberg-Konferenzen. Die meisten Teilnehmer kommen seit jeher aus NATO-Staaten. Seit 1989 nehmen zunehmend Personen aus anderen Ländern an den jährlichen Konferenzen teil. Anmerkung von Wikipedia: «Aufgrund des rechtlich informellen Charakters des Treffens können keine ausführbaren Beschlüsse getroffen werden. Durch die Diskussionen soll ein Konsens über eine gemeinsame Denk- und Handlungslinie erreicht werden.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor hat in Genf das Studium der Internationalen Beziehungen mit dem Master abgeschlossen. Er hegt keinerlei Sympathien mit dem autoritären Macho-Regime in Moskau.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Interessant wäre, wer hinter Gujer und den NZZ-Kriegstreibereien steckt. Die machen das ja nicht als Hobby und sind intelligent genug. Mich erinnert das alles an die Bolschewistenhetze nach der Oktoberrevolution und die Adenauerpropaganda der 50iger Jahre. Russland hat keinen einzigen feindlichen militärischen Schritt gegen Moldawien, Litauen, Lettland, Estland (ehem. Sowjetrepubliken), Finnland (profitierte nach dem 2. WK erheblich von Neutralität und dem guten Verhältnis zur UdSSR), Schweden oder Polen gesetzt und den USA immer wieder erhebliche Zusammenarbeit im Kampf gegen den internationalen Terror angeboten. Die Bürger der NATO-Länder sind Opfer der größten Propagandakampagne aller Zeiten. Viele Menschen in Afrika, Südamerika und Asien haben aus gutem Grund eine ganz andere Sicht auf die USA.
Danke. Eine hervorragende Analyse, die aufzeigt, wie die Bevölkerung der Schweiz medial an der Nase herumgeführt wird. Und das nicht nur von der NZZ und nicht nur zum Thema Ukraine.
Woher rührt die Angst des Westens vor einer russischen Expansion? Putin hat bislang mehrere Verhandlungsangebote gemacht und nirgends verlauten lassen, dass er Europa erobern will. Das ist reine Propaganda der Politiker und Medien, um bei den Menschen Angst zu schüren und die rasend wachsende Rüstung zu legitimieren. Dass er den Nato-Beitritt der Ukraine verhindern will, war der eigentliche Kriegsgrund. Außerdem: wenn bislang in der Neuzeit Kriege entfesselt wurden, dann doch vorwiegend von den USA. Wieso hat es die Menschheit nach ca. einer Million Jahren ihrer Existenz noch immer nicht gelernt, dass Frieden und Kooperation die einzigen Möglichkeiten sind, um ihr Überleben zu sichern? Stattdessen wird sie missbraucht für das Macht- und Profitinteresse der Mächtigen.
Dass ein Angriff Russlands auf ein NATO-Land irreal ist, ergibt sich aus der Äußerung von Wolfgang Ischinger, jahrzehntelang Präsident der Münchener Sicherheitskonferenz, im Tagesspiegel vom 15.6.24. Er führt im Interview zur militärischen Stärke aus «Wenn wir wollen, stecken wir Russland in die Tasche.» Und er muss es wissen.
Dennoch ist es verwunderlich, dass hierzulande (in Deutschland) dennoch als Begründung für Aufrüstung akzeptiert wird «Wenn die Ukraine fällt, sind als nächstes die baltischen Staaten und Polen dran».
Wie Frau Wagenknecht sagt, Putin habe ja noch nicht einmal Kiew einnehmen können.
@Thomas Scholz: Dass ein Angriff Russlands auf Westeuropa nicht vorgesehen ist, ergibt sich schon daraus dass Russland die für ein solches Unterfangen notwendige Logistik gar nie aufgebaut hat.
Wie Ischinger «Russland in die Tasche stecken» möchte, müsste dieser auch erst mal plausibel ausführen. M.E. eher die in westlichen Eliten anscheinend tief verankerte Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, die aber zu einer für alle gefährlichen Eskalation führt.
Der Westen müsst der Ukraine alles liefern, ohne wenn und aber. Die hinterhältige scheibchenweise Waffenlieferung ist daneben. Fällt die Ukraine, könnte Putin tatsächlich weitere Länder «säubern» wollen. Dann sind wir im Europakrieg und alles ist vorbei.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland westliche Nachbarstaaten angreift».
Wenn Russland in diesem Tempo den Rest der Ukraine erobert, dann dauert es noch ca. 10 Jahre, etwas 30 bis Russland in Berlin ist und etwa 100 bis sie am Ärmelkanal ankommen.
«Ähnliches gilt für die Ukraine. Aus dem Oligarchenstaat machte der Krieg einen Staat unter Kriegsrecht.» Ist das jetzt die Schuld der Ukraine, Herr Gasche?
Ich bin mit der Hauptrichtung der Replik von Herrn Gasche völlig einverstanden. Der Ukrainekrieg wurde vom Westen provoziert und hätte mehrfach verhindert werden können, wenn man denn mit Russland geredet hätte. Aber das wollte man nicht! Geffrey Sachs hat das schon mehrfach sehr gut dargestellt, z. B. in seinem kürzlichen Interview mit Tucker Carlson. Ich glaube aber nicht, dass es nur um die Profite der Rüstungsindustrie geht. Das ist sicher ein zusätzlicher Treiber in unserem kapitalistischen System, aber nicht die Ursache. Ich habe viel eher den Eindruck, dass die westlichen Eliten nach dem Sieg im kalten Krieg in einer ideologischen Sackgasse gelandet sind, aus der sie nicht mehr herausfinden. Und Ideologie macht bekanntlich blind für den Blick auf die Realität. Mit Ideologie meine ich diesen weit verbreiteten Glauben, dass der Westen, und nur er, für Freiheit und Demokratie steht. Und Ideologie braucht Feinde, zum Beispiel Herrn Putin.
Sehr gut analysiert. Die NZZ ist vor allem auch ein NATO-Sprachrohr. Sezessionen gab es noch mehr in Europa: Slowenien, Kroatien, Bosnien, Nordzypern, und Abchasien und Südossetien wenn man Georgien noch dazu nimmt. Katalonien versuchte es ebenfalls.
Wenn die Ukraine ihre rassistischen Gesetze gegen die russische Sprache und Kultur rückgängig machen würde, bestände eine Chance, dass der Donbas als teilautonome Republik zurückkehren würde.
Ich änderte meine Meinung zur weiteren «Säuberung» durch Russland. Die Aufrüstungshysterie gibt nur Vortrieb für Waffenproduzenten. Das ist alles.
Sehr geehrter Herr Gasche,
Sie schreiben mir aus dem Herzen. Was Sie für die NZZ beobachten, ist eine in allen sogenannten Leitmedien vorherrschende Sprachregelung: Der freie Westen wird bedroht in seiner freiheitlichen Grundordnung und in seinen westlichen Werten. Deshalb müssen wir wieder kriegsfähig werden. Frau Kamala Harris, die Vizepräsidentin der USA sagt dazu: Es ist die Strategie der USA, den Ukrainekrieg fortzuführen. Damit bestätigt sie: Es liegt im Interesse der USA, diesen Konflikt weiter zu befreuern. Dadurch soll Russland geschwächt werden. Tatsächlich führt diese Politik zum Gegenteil: Der freie Westen – und hier insbesondere die EU – schwächt sich wirtschaftlich enorm. Mit dem durch die unsinnigen Sanktionen des Westens verursachten engen Zusammenschluss von Russland und China bildet sich ein politisch, wirtschaftlich und militärischer Block, der den USA und ihren Verbündeten deutlich überlegen ist. Dem Westen droht ein weiteres Ukrainistan. Dank auch der freien Presse.