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Kommende Weltmeister am Ball? Fussball ist neuerdings Pflichtfach an Chinas Schulen © Ericmer/Flickr/cc

Die grosse Fussball-Offensive der Chinesen

Peter G. Achten /  Alle sprechen von der Fussball-EM in Frankreich. Wir auch. Aber mit chinesischen Besonderheiten.

Das Interesse der chinesischen Fussballfans an der Fussball-EM in Frankreich ist gross. Schon die WM 2014 in Brasilien sorgte für Rekord-Einschaltquoten. Das WM-Finalspiel Deutschland–Argentinien um drei Uhr in der Früh (Ortszeit) verfolgten rund hundert Millionen Chinesinnen und Chinesen live im TV. So viele werden es bei der EM 2016 wohl nicht sein. Dennoch: Obwohl die Live-Übertragung der Spiele in China zwischen neun Uhr Abends und drei Uhr in der Früh beginnen, fiebern zigmillionen Zuschauer vor dem Fernseher mit. Nicht zuletzt deshalb, weil in China bei Fussballspielen munter – illegal – gewettet wird. So auch in einer Sportbar in der Pekinger Altstadt, wo Ihr Korrespondent zuweilen mit chinesischen Mittelständlern Sport live verfolgt und ein paar Yuan verliert oder gewinnt.
Der europäische Fussball geniesst in China ein hohes Ansehen. Die Fans verfolgen begeistert die Spiele der europäischen Top-Ligen von der Premier League über die Primera Division und der Serie A bis hin zur Bundesliga. Die grossen Stars des europäischen und internationalen Fussballs sind in China besser bekannt als das einheimische Gewächs.
In Chinas Super League wird noch immer sehr chinesisch gespielt. Das heisst: Das Kollektiv, die Mannschaft hat – ähnlich wie in der Gesellschaft – absoluten Vorrang vor dem brillanten Einzelspieler. Doch das soll sich ändern wie schon zuvor im Basketball. Dort haben sich inzwischen einige chinesische Spieler in der amerikanischen Profiliga NBA durchgesetzt und sind wie Yao Ming zu bewunderten Weltstars geworden.
China will Fussball-Weltmeister werden
Was im Basketball möglich ist, soll auch im Fussball geschehen. Chinas Kicker sollen an die Weltspitze – mit Hilfe des bekennenden Fussballfans Xi Jinping. Bereits 2011, ein Jahr vor seinem Machtantritt, formulierte Staats- und Parteichef Xi seinen Fussball-Traum: «China soll sich für eine WM qualifizieren, China wird eine WM austragen und China wird schliesslich eine WM gewinnen.» Xi, der für die Nation den «Chinesischen Traum» ökonomisch, sozial und kulturell skizziert hat, ist sich sicher, dass das Volk «Sehnsucht nach Fussball hat». Im vergangenen Jahr gaben Partei und Regierung die entscheidende Losung aus: «Eine Wiedererstarkung des Fussballs ist entscheidend auf Chinas Weg zu einer grossen Sportnation.» Sport gehört wie Kultur – zum Beispiel den weltweit über 300 Konfuzius-Instituten – zur «weichen Kraft», die Chinas Aufstieg auf der Weltbühne begleiten soll.
Der Staat setzt alles daran, um China zu einer grossen Fussballnation zu machen. An chinesischen Schulen ist Fussball mittlerweile Pflichtfach. Landauf, landab wurden Fussballschulen gegründet. Zum Teil mit ausländischer Hilfe wie in Kanton, wo der reiche Erfolgsclub Guangzhou Evergrande in enger Zusammenarbeit mit Real Madrid die grösste Fussball-Akademie der Welt betreibt. An Geld mangelt es nicht. Xis grosser «Fussballtraum» wird mit zig-Millionen unterfüttert.
Chinesische Clubs im Kaufrausch
Chinas 16 Super-League-Vereine können dank Unterstützung von superreichen Unternehmern und Staatsfirmen klotzen und Europas Topspieler mit Traumsalären ködern. In der vergangenen Winter-Transferperiode wurde in China mehr Geld umgesetzt als in Europa. Die chinesische Super League gab für neue Spieler 334 Millionen Euro aus – rund 80 Millionen mehr als die ebenfalls nicht knausrige britische Premier League. Selbst Chinas zweite Profi-Liga (China League One) übertraf mit Transfers im Wert von 57 Millionen Euro die Deutsche Bundesliga um 4 Millionen Euro.
Früher waren es alternde Fussball-Stars aus Europa, die in China ein vergoldetes Gnadenbrot verdienten. Zum Beispiel Frankreichs Top-Kicker Nicolas Anelka, der von Chelsea kommend für ein bescheidenes Wochengehalt von 233’000 Euro in Shanghai seinen leicht ermüdeten Körper über chinesischen Rasen quälte. Doch diese Zeiten sind längst passé. Chinas Meisterteam Guangzhou Evergrande kaufte von Atletico Madrid für 42 Millionen Euro den voll im fussballerischen Saft stehenden kolumbianischen Superstar Jackson Martinez. Der 26-jährige brasilianische Stürmer Alex Teixeira wurde im Februar gar von Schachtjor Donezk für die horrende Summe von 50 Millionen Euro zu Jiangsu Suning transferiert. Dieser Verein überwies nochmals 32 Millionen Euro an den FC Chelsea für den Brasilianer Ramires. Von AS Roma kaufte schliesslich Hebei China Fortune den Brasilianer Gervinho für schon fast bescheidene 18 Millionen Euro.
Wahnsinns-Saläre für Star-Kicker
Daneben gibt es die kolportierten Wahnsinns-Offerten aus China, zum Beispiel für den Stürmer Zlatan Ibrahimovic. Der Lieblingsclub Ihres Korrespondenten, der FCB (FC Beijing Guoan), soll dem 34-jährigen Schweden einen Vertrag mit einem Jahresgehalt von sagenhaften 75 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben. Da wäre die gerüchteweise verbreitete Offerte aus Shanghai für Wayne Rooney schon fast bescheiden und eine Beleidigung für Englands Fussball-Ikone. Dem Star von Manchester United wurde «nur» ein Jahressalär von 35 Millionen Euro angeboten.
Jedenfalls werden die Scouts der chinesischen Vereine die EM-Spiele in Frankreich aufmerksam verfolgen und nach dem einen oder anderen Schnäppchen Ausschau halten – vielleicht ist ja auch Kraftwürfel Shaqiri darunter…
Nicht nur Spieler, auch europäische Trainer stehen in China hoch im Kurs. Berühmte Namen aus Europa und Südamerika zieren viele der chinesischen Super-Leage-Teams. Vor kurzem hat Felix Magath, ehemaliger deutscher Nationalspieler und erfolgreicher Bundesliga-Meistertrainer, bei Shandong Luneng Taishan in Jinan unterschrieben. Auch Othmar Hitzfeld soll laut dem Schweizer Stammtisch-Leitmedium «Blick» schon Offerten aus China bekommen haben.
Wachstumsmarkt mit Milliarden-Potenzial]
Im Riesenreich der Mitte ist Fussball zu einem Mega-Business geworden. Derzeit wird der Markt der chinesischen Sportindustrie auf jährlich 22 Milliarden Euro geschätzt. In zehn Jahren sollen es dann happige 700 Milliarden Euro sein, davon allein 40 Prozent für den Fussball. «Der chinesische Fussball befindet sich in einer entscheidenden Entwicklungsphase mit besten Wachstumschancen», sagte Li Ruigang, der Vorsitzende der auch in der Unterhaltungsindustrie tätigen China Media Capital. Li sicherte sich vor zwei Jahren die Fernsehrechte der chinesischen Super League bis in Jahr 2020 für acht Milliarden Yuan (umgerechnet 1,25 Mrd Schweizer Franken). Das ist zwanzig mal mehr als bis anhin.
Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass der chinesische Milliardär Wang Jianlin den grössten europäischen Sportrechte-Vermarkter Infront Sports & Media für eine Milliarde Euro für seinen Dalian-Wanda-Konzern gekauft hat. Auch das international-chinesische Start-up Shankai Sports ist im wachsenden chinesischen Sportmarkt aktiv, mit Schweizer Beteiligung, wie ein kenntnisreicher NZZ-Hintergrundbericht zeigt.
Auch europäische Vereine aus England, Spanien, Italien und Deutschland mischen in Asien und China mit. Es geht um TV-Rechte und um Merchandising von Fussball-Accessoires. Als Beispiel mag Bayern München dienen. Der Club ist auf Chinas sozialen Medien Sina Weibo, Tencent oder WeChat höchst aktiv und betreibt ein Büro in Shanghai.
EM-Sponsor Hisense
Wer die EM-Spiele am Bildschirm verfolgt, wird festgestellt haben, dass neben den bekannten Sponsoren Coca-Cola, Adidas oder McDonald’s auch Hisense in lateinischen Buchstaben und chinesischen Schriftzeichen am Platzrand Werbung macht. Hisense ist ein staatlicher Elektronik-Konzern mit 75‘000 Mitarbeitern, der TV-Apparate, Kühlschränke, Klimaanlagen, Waschmaschinen, Laptops und Smartphones produziert. Hinter den Südkoreanern Samsung und LG ist Hisense weltweit die Nummer 3 – noch vor Japans Sony. Das Unternehmen ist in 135 Ländern tätig und will die Marke unter anderem mit Sport-Sponsoring weltweit bekannt machen. Als einer der zehn Hauptsponsoren soll Hisense für die Fussball-EM in Frankreich 50 Millionen Euro hingeblättert haben. Bereits zuvor engagierte sich Hisense mit erklecklichen Summen im Tennis- und Motorsport.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Peter Achten arbeitet seit Jahrzehnten als Journalist in China.

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