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Vorführung von US-Geiseln in Teheran / US-Präsident Jimmy Carter © cc

«Die grösste Wahlmanipulation der US-Geschichte»

Urs P. Gasche /  Ein Komplott der US-Geheimdienste mit Hilfe Israels und Manipulationen der Ölkonzerne hätten zur Abwahl von Jimmy Carter geführt.

Die Wahl eines US-Präsidenten versuchen jeweils manche Lobbys und Konzerne – aus dem In- und Ausland – mit der Finanzierung der Wahlkampagnen, Deals und inszenierten Ereignissen zu beeinflussen. Die «grösste Wahlmanipulation der Geschichte» sei die Abwahl von Jimmy Carter gewesen, erklärt der frühere Diplomat und Professor Peter Dale Scott, Gründer des «Peace and Conflict Studies Program» an der University of California in Berkeley.
Im Jahr 1980 wurde zum ersten Mal seit 1932 mit Jimmy Carter ein amtierender US-Präsident abgewählt, der sich zur Wiederwahl stellte. Gewählt wurde Ronald Reagan.

In seinem Buch «The American Deep State – Wall Street, Big Oil, and the Attack on U.S. Democracy» fasst er mit vielen Quellenangaben die damaligen Ereignisse zusammen.

Gegenseitige Anschuldigungen während des Wahlkampfs

Während des Wahlkampfs im Jahr 1980 stand ein Thema mit Abstand im Vordergrund: In Teheran hatten am 4. November 1979 iranische Studenten die US-Botschaft gestürmt und hielten seither 52 US-Diplomaten als Geiseln gefangen.

Im Herbst 1980 vermutete Jack Anderson in der «Washington Post», die Carter-Administration beabsichtige, mit einer grösseren Militäraktion die gefangenen Geiseln zu befreien, um dank diesem Erfolg die Wahlen gegen Reagan zu gewinnen. Dagegen behaupteten Robert Parry und andere Journalisten, dass Veteranen des CIA, die für Reagan Kampagne machten, Iran dazu bringen wollten, mit der Befreiung der Geiseln bis nach den Präsidentenwahlen zu warten.
Die CIA war mit Präsident Carter unzufrieden, weil er Stansfield Turner zum Direktor ernannt hatte. Dieser habe etliche Undercover-Agenten des CIA in Vietnam frei gestellt und es unterlassen, langjährige Alliierte der USA – wie den Schah von Persien oder Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza – vor dem Sturz bewahrt zu haben. Israel wiederum habe keine zweite Amtszeit von Jimmy Carter gewollt, weil Carter zusammen mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat für Israel unter anderem eine Zweistaatenlösung hätte durchsetzen wollen. Während der zweiten Amtsperiode hätte Carter keine Rücksicht mehr auf die Israel-Lobby in den USA nehmen müssen.
Zu diesem Schluss jedenfalls ist Robert Parry gekommen, der für die Agentur AP und für «Newsweek» den Iran-Contra-Skandal aufgedeckt hatte: «The CIA/Likud Sinking of Jimmy Carter».

Gemäss den Recherchen von Parry traf sich im Juli und Oktober 1980 William Casey mit Vertretern des Iran und von Israel. Dort habe Casey Waffenlieferungen via Israel an den Iran versprochen, wenn Iran die Freilassung der US-Gefangenen in Teheran verzögere.1
Tatsächlich liess der Iran die 52 als Geiseln gefangenen US-Diplomaten erst am 20. Januar 1981 frei, am Tag der Vereidigung von Ronald Reagan als Präsident der USA.

Manipulation der Oel-Konzerne
Präsident Jimmy Carter war es nicht gelungen, die Geiselnahme in Teheran rechtzeitig zu beenden. Die als grosse Schmach für die USA empfundene, monatelange Gefangenname von US-Bürgern in Teheran sei ein wichtiger Grund für die Nicht-Wahl Carters gewesen, schreibt Professor Scott in seinem Buch.
Als weiteren Grund führt er eine Verknappung des Benzins an. Diese liess die Preise explodieren und führte in den USA sogar zu langen, äusserst unpopulären Schlangen vor Tankstellen. Nach der damaligen offiziellen Darstellung waren politische Unruhen im Iran schuld, die zur Drosselung der iranischen Ölexporte geführt hätten.2
Doch Recherchen des Journalisten Robert Sherrill, der für grosse US-Magazine schrieb, hätten bewiesen, dass für die Verknappung des Benzins «in erster Linie US-Ölkonzerne verantwortlich waren». Tatsächlich zeigten die ausgewerteten Statistiken, dass die Konzerne noch mehr Öl und Gas aus den USA exportierten als in Vorjahren, während sie gleichzeitig die Lieferungen an US-Händler drosselten, so dass es zu Lieferengpässen kam.3
Gleichzeitig hätten die Saudis ihren Beitrag geleistet, indem sie ihre Erdöl-Förderung von täglich 10,5 Millionen Barrel auf 8,5 Millionen senkten.4 Die Saudis hätten Jimmy Carter loswerden wollen, weil dieser im ausgehandelten Camp-David-Vertrag von 1978 zwischen Ägypten und Israel Jerusalem nicht ausschliesslich Israel zugesprochen habe, und weil Carter die Politik Israels nicht genügend unterstützt habe.
Die Drosselung der saudischen Ölförderung sei zwischen den Geheimdiensten Saudiarabiens und der USA abgemacht worden – hinter dem Rücken der Carter-Administration. Auf Carter sei die CIA schlecht zu sprechen gewesen, weil der Präsident während seiner ersten Präsidentschaftsjahre versuchte, den Geheimdienst besser unter Kontrolle zu bringen. Ziel sei es gewesen, eine Wiederwahl von Carter zu torpedieren und Ronald Reagan an die Macht zu bringen.
In der Folge konnten Saudiarabien, Israel und der CIA mit der Politik der Reagan-Administration äusserst zufrieden sein. Mit George Bush wählte Reagan u.a. einen Vizepräsidenten, der 1976-77 Direktor der CIA und anschliessend Direktor des «Council on Foreign Relations» war, eines der einflussreichsten privaten Think Tanks der USA, der den Interessen der Wall Street nahesteht.
—————————
Fussnoten:
1Robert Parry: «Trick or Treason: The October Surprise Mystery», NY, Sheridan Square Press, 1993, 154-55
2W. Carl Biven: «Jimmy Carter’s Economy: Policy in an Age of Limits», Chapel Hill, University of North Carolina Press, 2002)
3Robert Sherrill: «The Oil Follies of 1970-1980, 435-37
4David B. Ottaway: «The King’s Messenger: Prince Bandar bin Sultan and America’s Tangled Relationship with Saudi Arabia», N.Y. Walker, 2008, 41


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6 Meinungen

  • Helmut_Scheben_310
    am 24.01.2017 um 12:05 Uhr
    Permalink

    Carter war der «Fehler» unterlaufen, dass er die Machtübernahme der linken Guerrilla der Sandinisten in Nicaragua nicht verhindert hatte. Darüber war das konservative US-Establishment erbost. Die geheime Achse Washington-Teheran, – immerhin war der Iran offiziell ein Feind der USA, die USA unterstützten Saddam Hussein im Krieg gegen den Iran – funktionierten auch nach Reagans Regierungsantritt bestens. Die US-Industrie lieferte dem Iran Waffen, und mit dem Erlös wurden die konterrevolutionären Truppen finanziert, die in Nicaragua die Sandinisten stürzen sollten. Dabei wurden auch mit Kokaingeschäften Mittel beschafft. Das alles ist aktenkundig in Kongressanhörungen und Gerichtsurteilen. Reagan, Rumsfeld etc. wurden übrigens nie verurteilt. Reagan gab an, er habe Gedächtnislücken. Die Kokain-Story wurde sehr gründlich recherchiert von Gary Webb in der Artikelserie «Dark Alliance».

  • am 24.01.2017 um 19:46 Uhr
    Permalink

    Kürzlich habe ich gar gelesen, dass die Revolution in Iran nur deswegen stattfand, weil Carter die Zahlungen an die Imame stoppten. Angeblich haben die USA vorher bis zu 400 Mio jährlich an die Imame gezahlt, damit es keine Revolution gibt.
    Leider finde ich die Quelle nicht mehr.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 26.01.2017 um 06:33 Uhr
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    Das ist Politik. Napoleon zu einem General, der verloren hatte: «Wer Pech hat, ist unfähig.» Siehe Fussball.

  • am 26.01.2017 um 09:03 Uhr
    Permalink

    Ganz zweifellos hatten der Iran, Saudi-Arabien und Israel das gute Recht, Politik im eigenen Interesse zu machen – auch wenn das einen Einfluss auf die Entscheidung der amerikanischen Wähler hatte.
    Wähler entscheiden sich immer unter Einflüssen. Kann man deshalb Wahlen als «manipuliert» bezeichnen? Naja, für Schönwetterdemokraten sind alle Wahlen «manipuliert» außer denen, die sie selbst gewonnen haben!

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 26.01.2017 um 09:16 Uhr
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    Natürlich war auch die Abwahl Blochers eine «Verschwörung», sage ich als kurzzeitiger ehemaliger Lehrer von EWS, die im Falle eines knappen Nein betr. Reform III sicher der Sündenbock sein wird. Ja oder Nein sind meines Erachtens eine reine Ermessensfrage, nicht eine Frage des Verrates oder gar einer Blamage für die Schweiz, wie es Br UM glaubt.

  • am 30.01.2017 um 16:39 Uhr
    Permalink

    Carter war als gläubiger, praktizierender Christ zu gut für diese Welt. Ich war an einem Palsonntag nach seiner Abwahl an einem Gottesdienst von ihm. Die Parallelen mit Jesus sind offensichtlich. Am Palmsonntag jubelte ihm das Volk zu, wenig später schrien die gleichen Leute «Kreuzige ihn !"

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