Kommentar
Die Fifa ist nicht reformierbar
Red. Walter Aeschimann ist Sporthistoriker und freier Journalist in Zürich. Er hat auch frühere Skandale genau verfolgt.
Bei aller Freude über den annoncierten Rücktritt von Joseph S. Blatter, den Präsidenten des Internationalen Fussballverbandes (Fifa), geht der Blick aufs Ganze leicht verloren. Die Fifa bleibt nach derzeitigem Wissensstand auch nach der Ära Blatter das, was sie offiziell schon vorher war: ein gemeinnütziger Verein im Sinne des Artikel 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches und im Handelsregister eingetragen.
Inoffiziell geschäftet die Fifa in dieser Demokratie weiterhin als Parallel-Existenz, die eigene Gerichtsbarkeiten ernennt, sich selber kontrolliert, Milliardenumsätze generiert, jahrelang kaum, unterdessen und in Zukunft geringe Steuern zahlen und die Gewinne dank «Verlustveranstaltungen» (Fifa) auf der ganzen Welt kaschieren wird. Sie bleibt rechtlich ein gemeinnütziger Dorfverein, geschäftet aber auf der ganzen Welt mit multinationalen Unternehmen und vermarktet ihr Produkt mit Milliardengewinnen autonom. Sie hat sich als Monopolist zum eigenen Kartell formiert, mit dem sie auch künftig geheime Absprachen trifft und den Wettbewerb somit isoliert. Neben der Bundesanwaltschaft hätte auch die Wettbewerbskommission längstens aktiv werden müssen.
Blatter müsste sofort weg
Der Jubel in den Medien über Blatters angekündigten Rückzug ist deshalb irritierend und vor allem viel zu früh. Einzelne publizieren bereits Elogen, die Blatters taktisches Geschick und seine Weitsicht loben. Andere rühmen sich, sie hätten schon lange vom Lügengebilde Blatters gewusst und nun endlich Recht bekommen. Allen gemeinsam ist, dass sie rückwärts schauen. Dabei gäbe es weitere Gefühlsregungen, als bedingungslose Euphorie. Vorwärtsgerichtete Skepsis beispielsweise. Die Aufarbeitung im Sinne einer Neuorientierung sähe auf jeden Fall ganz anders aus.
Blatter müsste sofort weg. Was aber ist real geschehen? Er arbeitet weiterhin in seinem Büro in der Hauptzentrale vis à vis des Zürcher Zoos. Mindestens bis Ende Jahr, wahrscheinlich länger. Den Besuch der Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft, die derzeit in Kanada läuft, hat er abgesagt. Er würde zum Pflichtprogramm gehören, aber Blatter muss befürchten, dort vom FBI inhaftiert zu werden. Er wird sich in nächster Zeit kaum mehr aus der Schweiz bewegen. Nun kann er sich in aller Ruhe daran machen, seinen Nachfolger auszusuchen, die Geschäfte einem übergeben, dem er vertraut, dass ihn die Vergangenheit nicht stört, den Betrieb aber künftig in seinem Sinne weiterführt. Sich selber wird er noch einen schönen Abgang gönnen. Ausser er wird vorher schon verhaftet.
Verludert bis hin zum Penaltypunkt
Blatters Arbeit wird neu und Fifa-offiziell von Domenico Scala überwacht. Der war bislang kaum bekannt, schon gar nicht aktiv hervorgetreten. Der Italiener mit Schweizer Pass ist als Integritätsbeauftragter der Fifa Vorsitzender der sogenannten Audit- und Compliance-Kommission. Ein weiteres internes Gebilde, das in der Vergangenheit für Image-Zwecke geschaffen wurde. Jetzt ist es wieder nützlich.
Wer könnte sofort übernehmen? Keiner. Wenigstens keiner, der den Turnaround schaffen würde. Das ist das Hauptproblem. Die Fifa in dieser Situation und den Strukturen ist nicht mehr reformierbar. Schon gar nicht aus der «Fussballfamilie» (Blatter) heraus. Das Gefüge hat sich zu lange unbehelligt zu dem entwickeln können, was es heute ist: durch und durch verludert, bis hin zum Penaltypunkt.
Auch der Europäische Fussballverband (Uefa) mit Sitz in Nyon am Genfersee taugt nicht als Retter. Sein Präsident Michel Platini hat für Katar als WM-Austragungsort 2022 gestimmt. Kurz darauf erhielt sein Sohn den Posten eines Europachefs bei der Firma Katar Sports Investments, die sich in den vergangenen Jahren im grossen Stil in den Weltfussball eingekauft hat. Da bestehe kein Zusammenhang, sagt Platini. Dies ist nur ein kleines Beispiel.
Die Fifa muss aufgelöst werden
Die Boykott-Drohungen der Uefa für den Fifa-Kongress Ende Mai in Zürich oder die Ankündigung, sich aus den Fussballwettbewerben zurückzuziehen, bezeichnete Sylvia Schenk als «Kinderkram». Sie ist Leiterin der Arbeitsgruppe Sport der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI).
Es gibt nur eine Möglichkeit. Die Fifa muss aufgelöst werden. Eine unabhängige Organisation, eine Art Nachlassverwaltung, übernimmt das Geschäft, sortiert den Bestand und schreibt die besonders maroden Posten ab. Danach wird die Fifa als Firma neu aufgestellt. Alles andere wird scheitern. Es würden sich allenfalls Nuancen ändern, nicht aber die mafiöse Kultur. Denn die hat längst vor der Ära Blatter begonnen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird die Auflösung nicht zur Anwendung kommen, weil sie illusorisch scheint. Sie ist trotzdem der einzige Weg, wenn man die Korruptionskultur wirklich ändern mag.
Schamlos wie die Schweizer Banker
Ob eine Neuorientierung wahrhaftig angestrebt wird, ist die andere Frage. Man kann durchaus der Meinung sein, dem Fussballsport sei die Korruption inhärent. Wenn also Korruption notwendigerweise zum Fussballgeschäft dazugehört, dann gilt das für den ganzen Sportbetrieb. Selbst diese Ansicht kann mit guten Gründen vertreten werden. Ein Blick in die Geschichte liefert Argumente. Daraus könnte man folgern, dass auch wirtschaftlicher Erfolg und Korruption zwingend zusammen gehen. Denn Fifa, Uefa oder der Internationale Olympische Verband (IOC) sind wirtschaftlich ausserordentlich lukrative Unternehmen. Betrachtet man nun wirtschaftlichen Erfolg als einzig erstrebenswertes Gut, und nicht etwa die intakte Moral, dann müsste tatsächlich alles beim alten bleiben.
Es ist wahrscheinlich wie immer eine Frage des Masses. Die Fussball-Herren auf dem Zürichberg und die assoziierten Freunde auf der ganzen Welt haben ihre Privilegien wohl eine Runde zu schamlos überzogen, als dass es noch tolerierbar gewesen wäre. Wie die Schweizer Banker. Hätten sie ihren Sonderstatus nicht derart ins Illegale ausgereizt, sie würden heute noch mit dem Bankgeheimnis geschäften können.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Walter Aeschimann ist Sporthistoriker und freier Journalist in Zürich. Er hat früher als Redaktor für das Schweizer Fernsehen, Tamedia AG und weitere Printunternehmen gearbeitet.
Ob wir die Hydra der Korruption im Fussball, im Sport, in der Politik, in den Banken, in der Wirtschaft je einigermassen in den Griff bekommen ist ziemlich unwahrscheinlich. Es geht ein bischen besser, wenn die USA (natürlich auch egoistisch, aber nicht nur) anderen Ländern Moral aufzwängt. Patentrezept: jeden auffallend aufwendigen Lebensstil näher anschauen und strafend eingreifen.
Sehr spannend die Meinung des Autors. Jedoch frage ich mich etwas ganz anderes und weder die Printmedien noch unser Staatsfernsehen haben sich mit diesen Fragen ernsthaft beschäftigt: Wie kommt eigentlich die FIFA zu so viel Geld? Ich picke ein Segment heraus: Die Gebührengelder verschlangen während den letzten zwei Olympiaden und den letzten drei Fussballweltmeisterschaften enorme Summen an Übertragungsrechte. Der Fussball (nicht nur) ist korrupt. Ja warum bezahlt man dann diese Summen? Die Medien spielen ein verlogenes Spiel. Sie kritisieren die korrupten Funktionäre aber nicht die, die ihnen das Geld hinterher werfen. Das ist doch schon zynisch um nicht zu sagen schildbürgerhaft. Wurden Arbeiter in Südafrika, in Brasilien und jetzt auch in Russland und Katar sauber bezahlt? Wurden Arbeiter in Sotchi überhaupt richtig bezahlt? Warum hechelt die amerikanische Justizbehörde nicht den tausenden Arbeiter hinterher, die heute noch auf ihren Lohn warten? Die Welt würde es ihnen danken. Was die FIFA tut und das IOC nicht tut ist mir eigentlich wurscht. Was mir aber nicht wurscht ist, dass unsere SRG meine Gebührengelder für Lohndumping, Ausbeutung ausgibt und so tut, als wäre der Blatter Sepp ein Übeltäter!
Wirklich spannend! Dieses Fifa-Thema ist ein Exempel erster Güte, wenn es darum geht, zu sehen, wie Korruption heute auf allen massgebenden Ebenen global funktioniert – in der Politik, in den oberen Konzernetagen und in der Gesellschaft. Korrupte Politik und Wirtschaft üben dabei Einfluss durch massiven Druck aus.
Wer glaubt, die USA würden diesen Korruptionssumpf trocken legen, der ist mit Naivität durchtränkt. Deren in den vergangenen Jahren unzählige Lügentiraden und skrupellose Kriege mit einleitenden False-Flag-Aktivitäten, bei denen unterdessen Millionen Menschen umkamen und weiter umkommen oder ins Elend befördert werden, machen jegliche Hoffnung auf Integrität – auch im Fifa-Fall – zunichte.
Der Nachfolger des Noch-Fifa-Präsidenten Blatter sollte vor allem nach der Pfeife der amerikanischen Interessen tanzen. Schliesslich geht es hier um Milliardengeschäfte, um politische Präferenzen und PR-Aktivitäten zugunsten der USA. Dass Russland zu einem höchst ungünstigen Zeitpunkt eine Fussball-WM austragen kann, geht schon gar nicht. Wenn dabei die Korruption als Anklagepunkt hervorgebracht wird, wirkt das lächerlich. Die war nämlich schon lange bekannt, und die heutigen Kläger waren immer mit von der Partie. Dass sich die Presse hier einmal mehr als Hure der Mächtigen betätigt, dieses Bewusstsein ist mittlerweile auch beim Volk angekommen. Blatter ist nur Exponent eines weltweit korrupten Systems, das er selbst nur mitspielen, aber gar nie abschaffen konnte.
Die wirklichen Gründe für Sepp Blatters Rücktritt sollten doch von unserer «mutigen Mainstream-Presse» dargestellt werden. Leider hören wir Leser davon gar nichts. Wird wohl seine Gründe haben. Woanders steht dafür doch Einschlägiges, das auf ganz neue Zusammenhänge hinweist, die alles andere als unwahrscheinlich tönen:
In New Yorker Synagoge:
«Blatter gehört auf den elektrischen Stuhl"
http://globalfire.tv/nj/15de/juden/10nja_blatter_verfolgung.htm
So ist es Frau Krail und in diesem Zusammenhang finde ich den Kommentar von Somm Basler Zeitung bezeichnend: http://bazonline.ch/sport/fifa-verhaftungen/Weltmeisterschaft-der-Heuchelei/story/24467955