Der Korruptionsbekämpfer mit dem Cayman-Konto
Ein goldener Springbrunnen, eine grosszügige Parkanlage und ein Gefühl wie in Versailles: Das Château Louis XIV war die wahrscheinlich teuerste Immobilie, die 2015 verkauft wurde. Das mit exquisiten Details und einem grossen Park versehene Schlösschen in Louveciennes, 20 Kilometer westlich von Paris, wechselte für 275 Millionen Euros (300 Millionen Franken) den Besitzer.
Vor einem Monat enthüllte die «New York Times» (NYT) die Identität des Käufers: Das Schloss gehört dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Ganz einfach herauszufinden war das nicht. Der Eigentümer des Schlosses, eine französische Firma, gehört dem Luxemburger Unternehmen «Prestigestate Sàrl». «Prestigestate Sàrl» wiederum ist Eigentum von «Eight Investment», welches der saudischen Königsfamilie gehört. Das belegen Teile der «Paradise Papers».
Ein Dokument einer Anwaltskanzlei auf den Bermudas zeigt, dass «Eight Investment» Mitgliedern der saudischen Königsfamilie gehört. (Bild: NYT)
Korruptionsbekämpfung mit Cayman-Konten
Mohammed bin Salman ging im selben Jahr auch anderweitig auf Einkaufstour. Unter anderem kaufte er eine Jacht für 500 Millionen Dollars, die nach Emails aus den «Paradise Papers» vordergründig einer Firma auf den Cayman-Inseln gehört. Auf einem Vertragsentwurf findet sich der Käufername «Eight Investment».
Ein Vertragsentwurf für den Verkauf der Jacht «Serene» führt «Eight Investments» als Käufer auf. (Bild: NYT)
Der Kronprinz gilt als moderner Reformer und ist der neue starker Mann in Saudi-Arabien. Einer, der mit harter Hand gegen Korruption und den radikal-terroristischen Islam vorgehen will. Viele junge Saudis unterstützen ihn, weil er versprach, Frauen das Autofahren zu erlauben, die Religionspolizei in die Schranken zu weisen und die Kinos wieder zu öffnen. In seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister begann er einen blutigen Krieg im Jemen und führte 2017 die Blockade des Emirates Katar an.
Im November 2017 liess Bin Salman unter dem Vorwurf der Korruption Hunderte Geschäftsleute und andere einflussreiche Personen festnehmen, darunter einige Minister, Ex-Minister und ein Dutzend seiner königlichen Cousins. Beobacher bezeichnen die Festnahmen, die das Hotel Ritz-Carlton in Riad vorrübergehend in eines der luxurösesten Gefängnisse der Welt verwandelten, als mindestens zum Teil politisch motiviert.
Luxus im Ausland, Austerität daheim
Zu Hause predigt Bin Salman Austerität, denn Saudi-Arabien muss in Zeiten fallender Ölpreise sparen. Er kürzte das Staatsbudget und die Gehälter der Staatsbediensteten. 2016 sorgte er dafür, dass ein Viertel aller Regierungsprojekte im Wert von insgesamt einer Billion Dollars eingestellt wurden, um das Defizit in den Griff zu bekommen. Im gleichen Jahr feierte der saudische König Salman die Fertigstellung einer luxuriösen Villa in Tanger, Marokko.
Eindrucksvoll, aber in der Regel menschenleer: der Park des Pariser Schlosses Château Louis XIV. (Bild: CC)
Nicht weniger prachtvoll ist das Château Louis XIV. Von aussen wirkt das Gebäude wie ein Schloss aus dem 17. Jahrhundert – doch nichts davon ist authentisch. 2009 wurde für den Bau ein Schloss aus dem 19. Jahrhundert abgerissen. Von innen ist der 2011 fertiggestellte Neubau ein modernes, smartes Gebäude mit flüsterleiser Klimaanlage, einem Kinosaal, einem Unterwasserraum und einem per iPhone steuerbaren Lichtsystem. Mit dem französischen Sonnenkönig hat das Schloss ausser dem Namen nur eine Marmorstatue gemeinsam, die auf dem Gelände steht.
Ein Schloss, in dem niemand wohnt
Der Bauherr Ednan Khashoggi, ein Neffe des millardenschweren Waffenhändlers Adnan Khashoggi, beschrieb den Bau des Schlosses als «Lebenstraum». Er engagierte namhafte Restauratoren, um das Château zu gestalten. Sein Engagement, sagten Vertreter der Stadt Louveciennes der «New York Times» (NYT), habe an Besessenheit gegrenzt.
Voraussichtlich wird auf dem Gelände weiter gebaut werden. Ein maltesischer Geschäftsmann hat eine Baugenehmigung für den Umbau der verfallenen Stallungen in eine Villa beantragt. Da spielt es auch fast keine Rolle, dass die Eigentümer des Château Louis XIV nach Aussagen der Nachbarn nie zu Hause sind.
Das saudische Königshaus kauft weiter ein
Was nicht daran liegen kann, dass die saudische Königsfamilie eine Abneigung gegen Frankreich hat. «Eight Investment» erwarb kürzlich das 250-Hektar-Grundstück «Le Rouvray» in der Nähe von Paris, das laut Baugenehmigung zum Jagdsitz ausgebaut werden soll. Auch «Le Rouvray» gehört einer französischen Firma, die «Prestigestate Sàrl» gehört.
Von leeren Kassen kann auch keine Rede sein: Im November 2017 kaufte ein unbekannter saudischer Prinz für 450 Millionen Dollars ein Bild von Leonardo da Vinci. Der Käufer sei ein Strohmann für Mohammed bin Salman, schreibt die «New York Times». Die saudische Regierung dementierte und schrieb den Kauf der Regierung von Abu Dhabi zu.
_
Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «New York Times» erstellt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Und die Welt nimmt dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bereitwillig jeden Schmus ab. Feiert ihn im Schlepptau Trumps dienstfertig als kühnen Reformer. Saudi-Arabien im Schnellzugtempo in eine lichte Zukunft ! Frauen dürfen sich künftig sogar selber ans Steuer setzen und schliesslich – ein nicht mehr zu überbietender Höhepunkt des zivilisatorischen Fortschritts ! – öffnen die Kinos wieder ihre Pforten ! … Mohammed bin Salman, die neue Lichtgestalt in der politischen Finsternis des Nahen Ostens. Der neue Anführer des Wahabismus, unser Hoffnungsträger im Kampf gegen den militanten Islamismus. Unerschrockener Kämpfer gegen Korruption und Vetternwirtschaft. Treuer Freund des Westens und verlässlicher Garant der Stabilität in einer zunehmend aus den Fugen geratenden Welt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Leider, leider allerdings nicht bereit, auch nur einem einzigen Flüchtling aus Syrien oder dem Irak Asyl zu gewähren. Überantwortet die Opfer des vom Königshaus in Riad massgeblich befeuerten, politisch, finanziell und materiell nach Kräften unterstützten Kriegs grosszügig der Fürsorge durch die Europäer (und jener der Krisenregion benachbarten Kleinstaaten Libanon und Jordanien, sowie der Türkei). Immerhin haben die Saudis anerkennenswerterweise versprochen, beträchtliche Mittel für den Bau neuer Moscheen in Deutschland, als wichtigstes Aufnahmeland für die Flüchtlinge aus Nahost, bereitzustellen. Dies wenigstens. Immerhin !