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Liegt seine Zukunft in einem von London unabhängigen Staat Schottland? © Ronnie Macdonald/flickr/cc

Camerons EU-Rede hilft schottischen Nationalisten

Jürg Lehmann /  Die Briten sollen 2017 über einen EU-Austritt entscheiden; die Schotten aber schon 2014 über einen Austritt aus Grossbritannien.

Der konservative britische Premier David Cameron will die EU-Mitgliedschaft seines Landes neu aushandeln und das Ergebnis 2017 zur Volkabstimmung bringen. Das kündigte er in einer Grundsatzrede am 23. Januar in London an – vorausgesetzt, die Tories gewinnen 2015 die Unterhauswahlen und bleiben an der Regierung.

Schon 2014 aber stimmt Schottland über eine Loslösung von Grossbritannien ab. Das haben Cameron und der schottische First Minister Alex Salmond im Herbst vereinbart. Offen ist noch die genaue Formulierung der Frage, über die das 5-Millionen-Volk sich äussern muss. Salmond und seine Scottish National Party (SNP), sie hat im regionalen Parlament in Edinburgh die Mehrheit und stellt die Regierung, gehen davon aus, dass ein unabhängiges Schottland jedenfalls EU-Mitglied bleibt, auch wenn die Bedingungen neu auszuhandeln wären.

In der EU bleiben oder austreten?

Nur: Stimmen die Schotten für den Verbleib in Grossbritannien, könnten sie sich drei Jahre später plötzlich ausserhalb der EU wiederfinden, wenn es zu einer Abspaltung der Insel von der EU kommen sollte. Das Dilemma ist offensichtlich, was Salmond sofort auszunützen suchte. Camerons verwirrende Rede habe Ausgangslage und Debatte über das schottische Referendum «völlig verändert», sagte Salmon laut dem «Daily Record».

Bisher habe London immer behauptet, die Position Schottlands in der EU sei unsicher, falls das Land in die Unabhängigkeit gehe. Nun zeige sich, dass die EU-skeptischen Tories für die politische Zukunft Schottlands die grösste Bedrohung darstellten.

Rückenwind für SNP zur richtigen Zeit

Die neue Dynamik kommt der SNP gerade recht, denn die jüngste Umfrage zeigt, dass die Befürworter der schottischen Unabhängigkeit noch 23 Prozent ausmachen – 9 Prozent weniger als 2011. Dagegen waren 59 Prozent «ziemlich» oder «sehr» beunruhigt von der Aussicht eines schottischen Alleingangs. Das ist eine Zunahme von 13 Prozent zu 2011.

Hingegen gaben 61 Prozent der Befragten an, sie würden lieber einen dritten Weg begrüssen: Zusätzliche Autonomie für Schottland, aber Verbleib in Grossbritannien. Doch diesen Kompromiss gibt es nicht, weil ihn London verweigert. Cameron billigt Salmond für den Urnengang bloss die simple Alternative zu: Gehen oder bleiben – Ja oder Nein.

Fakt ist so oder so: Camerons Ankündigung hat die schottische Debatte neu belebt.


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