Boltons Buch über Trump: Eine erschreckende Selbstenthüllung
Wer sich vornimmt, dieses Buch (John Bolton: «The Room Where it Happened») von A bis Z zu lesen, muss wissen: Mir stehen viele Stunden voller Pein bevor. Ja, die Lektüre artet bald in Masochismus aus – weil der Leser, die Leserin, weiss: So, wie bis jetzt, sagen wir bis zur eben bewältigten Seite 150 oder 200, wird es weitergehen bis zur letzten Zeile auf Seite 588.
Was genau? Akribische Wiedergabe von Gesprächen und Begegnungen (Bolton notierte sich alles, wirklich alles, bei jedem Treffen); summarische Abqualifizierungen von fast jedem/jeder, dem/der er begegnete; prägnante Rechtfertigung seiner eigenen Haltung und Handlungsweise – und, klar, jederzeit, süffig erfasst, eine «träfe» Bemerkung über Donald Trumps Sprunghaftigkeit, dessen Launen, mangelnde Sachkenntnis und Tendenz, persönliche Dinge mit der hohen Politik zu einem Pesto zu vermischen.
Klar, dass dieser Polit-Buchhalter, gut dokumentiert, enthüllen konnte, dass Donald Trump sich nicht scheute, den chinesischen Staatspräsidenten in sein persönliches Boot zu holen, um sich Vorteile für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf zu sichern, ist interessant und schockierend. Was, wenn Xi Jinping darauf eingegangen wäre? Die Antwort: reine Spekulation. Gut, interessant, dass Bolton auch (besser als andere Quellen) nun klar stellt, wie Trump versuchte, den unerfahrenen ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskyi, einzuwickeln, um sich Informationen über die Familie von John Biden zu verschaffen. Aber viel interessanter ist etwas anderes – nämlich die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie es kommen konnte, dass ein John Bolton, nach all dem von ihm zuvor angerichteten Unheil, von Donald Trump ins Amt des einflussreichen Chefs des Nationalen Sicherheitsrats der USA berufen werden konnte.
Stichworte: Bolton, der die so genannte Nordkorea-Frage durch Bombenangriffe «lösen» wollte. Bolton, der empfahl, Iran zu bombardieren. Bolton, der forderte, den gordischen Knoten des Konflikts Israel/Palästinenser mit einer Politik zugunsten der radikalsten Kräfte in Israel zu lösen. Bolton, der sehr gerne Bomben auch auf Venezuela geworfen hätte und der nichts von Verhandlungen mit einzelnen Nato-Mitgliedern hielt – ebenso wenig wie mit der russischen Führung.
Als ich mich rund gut zwei Drittel lang durch das Buch gequält hatte, blitzte mir ein Gedanke auf, der mich selbst schockierte: Wie gut, dass es Donald Trump gibt. Gut, weil Trump in einem entscheidenden Moment, haarscharf, noch rechtzeitig, erkannte: Diesen Mann muss ich (wieder) los werden. Tue ich das nicht, reisst er die USA, ja die Welt, in einen breitflächigen Krieg um Iran. Und Donald Trump will ja nirgendwo einen Krieg mit Waffen – er liebt Handelskriege, Wirtschaftskriege (egal, ob bei diesen Millionen Menschen verelenden wie etwa in Syrien oder Iran). Und er liebt es, Europäer, Chinesen oder Russen einzuschüchtern. Das alles mag schlimm enden – aber wohl (?) nie in einen veritablen Krieg münden. Hätte er John Bolton nicht entlassen (oder ihm eine halbwegs ehrenvolle Kündigung erlaubt), stände heute der ganze Mittlere Osten in Flammen. Und die USA hätten sich aus noch mehr internationalen Verträgen verabschiedet.
Ich hole, nach der ganzen Lektüre, kurz Atem – und meine, dass dies das Irritierendste ist: Da erlaubt es das «System» in den USA, einem total a-historisch denkenden Rabauken, bis ganz nach oben in der Hierarchie zu kommen – Fehlentscheidungen in früheren Jahren (Provokation des Irak-Kriegs 2003) hin oder her.
Dass Bolton nicht willig oder nicht fähig ist, in irgendwelcher Weise geschichtliche Prozesse in sein Denken mit einzubeziehen, enthüllt sich bei der Lektüre beständig: Kein Wort, dass Iran grenzüberschreitend (relativ) mächtig wurde, aufgrund des fehlgeleiteten Irak-Kriegs der US-Regierung von George W. Bush im Jahr 2003 (den Bolton als damaligen Unterstaatssekretär angestachelt hatte); kein Wort über die Entstehung des IS (Terrororganisation Islamischer Staat) als Folge dieses Kriegs. Keine Reflexion über den Grund des Konflikts zwischen den USA/der Nato und Russland – da sieht Bolton nur von Moskau provozierte Verletzungen von Verträgen mit dem Westen und die «Notwendigkeit», die entsprechenden Verträge zu vernichten.
Das ist’s, was bleibt: ein Plädoyer zum Vernichten.
Darüber hinaus – dies zumindest als Vermutung: In zehn, zwanzig Jahren, werden sich Historiker sehr für diese Publikation interessieren. Weil sie im Detail zahlreiche Entscheidungen der Trump-Administration akribisch beschreibt. Und weil man dann, aus zeitlicher Distanz, vielleicht vieles nachvollziehen kann, das uns, den Zeitzeugen, schleierhaft bleibt. Auch – wiederum vielleicht – weshalb wir haarscharf noch an einigen globalen Katastrophen vorbei schlittern konnten. Mit und trotz Trump, der Bolton in seinen Bannkreis zog, ihn aber gerade noch rechtzeitig «entsorgte».
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Siehe dazu auch:
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
o.k., Trump hat Bolton gefeuert. Aber wie werden wir alle ihn selbst los?
Alle sind sich so einig. Also immer schön in der Spur bleiben.
Da schreibt einer ein Enthüllungsbuch aus dem innersten Kern des Machtzentrums der Freien Welt. Seine Ausführungen basieren auf akribischen zeitnah erstellten Notizen. Statt sich über diesen unerhörten Fundus zu freuen, disqualifiziert man den Autor als Polit-Buchhalter. Ich würde sagen: nichts verstanden.
Bolton eine Kriegsgurgel. Das ist ja ganz neu! Wer hätte das denn gedacht? Aber warum soll das wichtig sein? Weil nur Engel die Wahrheit verkünden dürfen und bornierte Kriegsgurgeln nicht? Und wenn sie es doch tun, lehnen wir die Kenntnisnahme ab. So schön einfach geht es in unseren Gehirnen zu und her.
Bolton wollte Krieg gegen den Iran, und Trump habe das verhindert? Dabei ist eines sicher: Trump tut alles für seine Wiederwahl. Im Krieg werden US-Präsidenten nicht abgewählt. Und für den Irankrieg ist das mise-en-place perfekt gemacht. Nicht durch Vertragsbrüche des Irans (wie Gisling schon titelte), sondern durch den Vertragsbruch der USA und die massiven Eingriffe in die Souveränität der europäischen Länder (vgl. Sanktionen gegen Instex) sowie Bruch des Seerechts durch USA und die «Koalition der Willigen» etc. Ohne Corona wäre es sicher nicht beim Anschlag auf den iranischen Divisionär Soleimani geblieben. Was würde passieren, wenn ein Land einen US-General mit einer Drohne ermordete?
Und dann ist das Buch viel zu lang. Klar doch, wenn man meint, man müsse eine Kompilation wie einen Roman lesen.
Wer immer einen 3. Weltkrieg auslösen sollte, der Einsatz von Atomwaffen ließe sich nicht vermeiden und Europa wäre das erste vom Planeten weggeblasene Schlachtfeld. Trump ist unsympathisch und intellektuell sicher nicht der Staatsmann, der bei dieser weltbedrohenden Gefahr durch das weitaus aggressivste Land, dessen Präsident er im Augenblick ist, wünschenswert weitsichtige Politik zu betreiben imstande ist. Dass er Bolton als „Sicherheitsberater“ eingestellt hatte und ihn wieder gefeuert hat, lässt aber auf denkende Berater des Präsidenten schließen. Bolton wurde in dieser Funktion der ganzen Welt als äußerst bedenkliches Sicherheitsrisiko öffentlich vorgeführt und entlassen, bevor es zu spät war. Leute wie Bolton gehören zur obskuren Struktur der Vereinigten Staaten, die unter der Maßgabe der „Nationalen Sicherheit“ buchstäblich alles tun können, ohne sich um die Gesetze der Vereinigten Staaten kümmern zu müssen: Geheimgehaltene Akten trotz FOIA gehören ebenso zu dieser „Nationalen Sicherheit“ wie Naziverbrecher, Kollaborateure oder Völkermörder aus allen Ländern unter US-Sold zu stellen, „Exilregierungen“ einzurichten oder Diktatoren wie Pinochet zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie nicht verurteilt werden – im Unterschied z.B. zu Milosevic, dessen Farce-Prozess in Den Haag seine Schuld schon vorher festschrieb und erst zehn Jahre nach dessen Tod im Jahr 2016 verhalten mitgeteilt wurde, dass keines der Verbrechen, die ihm unterstellt worden waren, auf ihn zutraf.
Habe Boltons Buch nicht gelesen. Bin froh, dass es Erich Gysling getan hat. Sein Kommentar erstaunt mich nicht, denn genau so, wie Gysling ihn beschreibt, schätze ich Bolton ein, nach allem, was man über ihn weiss. Auch das Bild von Trump bestätigt, was man von aussen beobachten kann: «Und Donald Trump will ja nirgendwo einen Krieg mit Waffen – er liebt Handelskriege, Wirtschaftskriege (egal, ob bei diesen Millionen Menschen verelenden wie etwa in Syrien oder Iran). Und er liebt es, Europäer, Chinesen oder Russen einzuschüchtern. Das alles mag schlimm enden – aber wohl (?) nie in einen veritablen Krieg münden.»
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Ausgezeichneter Artikel von Erich Gysling!
Danke Erich Gysling für den Lesedienst. Nun kann ich mir die 588 Seiten sparen ohne die wichtigen Einsichten verzichten zu müssen. Nicht auszudenken, wenn Bolton auch noch Präsident geworden wäre. Wann wird die US-Machtpolitik ihren Meister finden?
Ist das auf demokratischem Weg überhaupt noch erreichbar?
Ganz einfach: «Sauhäfeli – Saudeckeli». Gibt es mehr dazu zu sagen? Und weiter achtsam sein, was diese Regierung(en) Schlimmes beabsichtigen.
Besten Dank für diese Feststellungen.
Leider gibt es noch Pompeo…
Fazit: ich hätte gehofft, dass die USA nicht so tief gesunken wären. Die Erfahrung der letzten Jahre bestätigt aber meinen Eindruck am ersten Tag auf dem Logan-Airport von Boston vor fast 50 Jahren. Respekt gehört nicht zum DNA in diesem Land.
Die Tea-Party-Leute können ihre Kriterien offenbar nicht auf einen Bully wie Trump anwenden. Wo liegt Trumps Chappaquiddick ?
Woher kommt mein Gefühl von pensionierten Journalisten besser und umfassender informiert zu werden, als von Angestellten grosser Medienhäuser? Es bleibt ein rein subjektives Empfinden.
Ich gehöre vermutlich zu den 99.9% der Leser die weder Trump noch Bolton jemals gegenübergestanden sind, es nie werden, und auch das Buch nicht lesen werden.
Das Zitat, «Wie gut, dass es Donald Trump gibt», in Kombination mit meiner Eingangsfrage beruht vermutlich ebenfalls auf einer Kombination von Intuition sowie dem Schweizerischen Demokratie- und Rechtsverständnis. Die lange Erfahrung sich genau eben nicht für Personen, sondern für ein konkretes Ja oder Nein in der Sache entscheiden zu müssen ist bestimmt relevant.
Und die Angestellten der grossen Medienhäuser?
Es bleibt ihr Geheimnis. Auf jeden Fall versuchen sie sich mit immer noch verrisseneren Worten ihre Konkurrenz zu überbieten, was sie eigentlich nur noch vom gegenseitigen Abschreiben unterscheidet.
Gut das es Trump gibt, echt jetzt? Warum war Bolton denn erst im Weissen Haus? Mag sein das Boltons Hass auf Trump eine absurde Sympathie bewirkt, aber aus etwas Distanz betrachtet sollte klar sein, dass beide nur verschiedene Typen der gleichen White Supremacy sind.
Schade, dass solche ‹Selbstenthüllungen› bzw. ‹Bloßstellungen› KEINE rechtlichen – bzw. überhaupt KONSQUENZEN nach sich ziehen. Weder für Bolton, noch für Trump, die USA und Politiker, die sich NICHT geweigert haben sich Bolton, Trump & der USA zu ‹verweigern› … Wirkliche ‹Verantwortung› LEIDER – wie immer – FEHLANZEIGE !
Nach allem was ich bisher über B. gelesen habe, ist dieser ein stahlharter Israël-first-er und ich denke er wurde genau aus diesem Grund dem T. untergeschoben.
B’s Buch werde ich nicht lesen, denn B. ist Partei und deshalb als Zeuge a priori unglaubwürdig
Frau Küster, mit den Worten » Diktatoren wie Pinochet zu fördern» liegen Sie ien bischen falsch.Bin CH – Chilene und waren froh dass es so kam, Her Allende hat Chile an die Wand gefahren.Heute wäre Chile das armste Land SM: Das alles mit Herrn Castro, informieren Sie mal MIR,PNR etc. die extrem Kommuisten was die angerichted haben. Leure executiert.Heute wollen die wieder alle mit Hilfe von Maduro dasselbe anrichten.Senadoren waren im Foro Sao Paulo und haben das beschlossen, unterstützen den Komm. verdienen bis 15 000.00 sfr Monatlich plus und der min mal Lohn ist 400 sfr.Zu ihrer info wir hatten jetzt 30 Jahre Sozis and der Regierung und was ist passiert, nichts, vor allem unsere ex.Bachelet, die ihren Sohn in einem grossen Korruptions Skandal gedeckt hat. Sitzt jetzt in der UNO, einfach bescämend.
Frau Küster Ergänzung
Die mehrfachen Verbrechen, die die LASO-Agenten zwischen 1968 und 1970 in Chile begangen haben, werden zu blassen Beispielen im Vergleich zu dem, was im letzten Jahr geschehen ist. In anderen Ländern gipfelte der Prozess glücklicherweise nicht in der fast vollständigen Unterwerfung der Regierung unter den Einfluss und die Methoden von LASO. In der Erklärung des Botschafters von Uruguay wurde jedoch ebenfalls ausdrücklich erklärt, dass dies das ständige und ständige Ziel der kubanischen Regierung ist. Im Prinzip war Pinochet ein Weisen Knabe im Vergleich zu Castro, Guevara denn er war ein Patriot.
Frau Küster Ergänzung
Die mehrfachen Verbrechen, die die LASO-Agenten zwischen 1968 und 1970 in Chile begangen haben, werden zu blassen Beispielen im Vergleich zu dem, was im letzten Jahr geschehen ist. In anderen Ländern gipfelte der Prozess glücklicherweise nicht in der fast vollständigen Unterwerfung der Regierung unter den Einfluss und die Methoden von LASO. In der Erklärung des Botschafters von Uruguay wurde jedoch ebenfalls ausdrücklich erklärt, dass dies das ständige und ständige Ziel der kubanischen Regierung ist. Im Prinzip war Pinochet ein Weisen Knabe im Vergleich zu Castro, Guevara denn er war ein Patriot.
Danke, vielen Dank, Erich Gysling für den Lesedienst! Warum hat man sich jahrzehntelang Illusionen über die US-amerikanischen Regierungen gemacht? Das erstaunlichste ist, dass die Europäer, im Verbund mit der NATO, all das immer mittragen: die Sanktionen, die Kriege, Wirtschaftskriege, die inszenierten oder beabsichtigten Regimewechsel usw. Die Europäer sind Mitläufer der US- Politik, wer auch immer dort an der Spitze steht. Sie tragen das alles mit: die Sanktionen gegen Russland, Iran, Venezuela. Sie haben die NATO-Osterweiterung entgegen anders lautenden Versprechungen mitgetragen und gerechtfertigt. Ausser Deutschland und Frankreich haben sie auch den Irakkrieg mitgemacht. Die Europäer wollen glauben, dass irgendein anderer US-Präsident besser wäre als seine Vorgänger im Amt.