Kommentar

Bei der Auslegung des Völkerrechts gelten zweierlei Massstäbe

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Man stelle sich vor, das iranische Militär hätte den auf Truppenbesuch in Bagdad weilenden US-General Kenneth McKenzie getötet …

Einfach einmal angenommen, das iranische Militär hätte letzte Woche den auf Truppenbesuch in Bagdad weilenden US-General Kenneth McKenzie mit Hilfe einer Drohne getötet. Mit der Begründung, das von McKenzie geführte Zentralkommando der US-Streitkärfte für den Nahen und Mittleren Osten, CENTCOM, sei für vergangene Anschläge gegen iranische Ziele verantwortlich und der General habe weitere Angriffe vorbereitet. Im April 2019 wurde CENTCOM von der Führung in Teheran als Terrororganisation eingestuft, so wie zuvor die iranischen Revolutionsgarden durch die Trump-Administration in Washington.

Die Regierungen fast aller Mitgliedsstaaten der UNO hätten die Tötung McKenzies völlig zu Recht als Mord bezeichnet und als eklatanten Verstoss gegen das Völkerrecht verurteilt. Der Sicherheitsrat hätte – mit Zustimmung der Vetomächte Russland und China –, eine entsprechende Resolution verabschiedet und UNO-Sanktionen gegen Iran verhängt. Und Generalsekretär Antonio Guterres hätte nicht nur in allgemeiner Form alle Seiten zur Deeskalation ermahnt, sondern Täter und Opfer konkret beim Namen genannt.

Doch nichts dergleichen ist nach der von US-Präsident Donald Trump angeordneten Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani geschehen. Auch nicht, als Trump nachlegte mit der völkerrechtswidrigen Drohung, iranische Kulturgüter zu zerstören. Bundesaussenminister Heiko Maas bezeichnete das Verhalten des US-Präsidenten lediglich sehr zaghaft als «wenig hilfreich». Die Forderung der irakischen Regierung nach einer Resolution des Sicherheitsrates war völlig aussichtslos, denn nicht nur die Vetomacht USA, sondern auch ihre NATO-Partner Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Belgien und Estland hätten dagegen gestimmt.

Zweierlei Massstäbe bei der Auslegung des Völkerrechts ist auch ein Grund für das Scheitern der EU im eskalierenden Konflikt zwischen den USA und Iran. Hinzu kommt die fehlende Glaubwürdigkeit der EU vor allem in Teheran. Von den seit Sommer 2018 von Brüssel angekündigten Massnahmen, um Iran trotz der US-Sanktionen den weiteren Verkauf von Öl sowie den Import dringend benötigter ziviler Güter zu ermöglichen, wurde bis heute keine einzige umgesetzt.

Die Welt ist diese Woche nur haarscharf an einem grösseren militärischen Konflikt zwischen den USA und Iran vorbeigeschrammt. Nicht wegen erfolgreicher Vermittlungs-und Deeskalationsbemühungen der EU, sondern weil bei den iranischen Raketenangriffen auf zwei Militärbasen im Irak keine US-Soldaten oder Zivilisten getötet wurden. Das war reines Glück, auf das man sich leider nicht verlassen kann bei der nächsten Eskalation. Und die ist nur eine Frage der Zeit. Denn die Trump-Administration stärkt mit ihrem noch einmal verschärften Wirtschaftskrieg gegen Iran weiterhin die dortigen Hardliner und provoziert den endgültigen Ausstieg Teherans aus dem Nuklearabkommen.


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Keine

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8 Meinungen

  • am 13.01.2020 um 12:38 Uhr
    Permalink

    Dieses zweierlei Maß geht nur, wenn einer die Weltmacht spielt und genügend Vasallen dabei mitmachen !

    "Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft
    .
    .
    Im Gegensatz zu den früheren eurasischen Imperien sei die Macht der Vereinigten Staaten erstmals weltbeherrschend, wobei Eurasien erstmals von einer außereurasischen Macht dominiert werde: „Der gesamte (eurasische) Kontinent ist von amerikanischen Vasallen und tributpflichtigen Staaten übersät, von denen einige allzu gern noch fester an Washington gebunden wären.“ (S. 41)
    .
    .
    Brzezinski fasst die „Imperative imperialer Geostrategie“ zusammen: taktisch kluger Umgang mit den dynamischen Staaten und behutsamer Umgang mit den katalytischen. Was gemeint ist, erläutert er im Rückgriff auf politische Verhältnisse der Vergangenheit mit drei Imperativen:

    „Bedient man sich einer Terminologie, die an das brutalere Zeitalter der alten Weltreiche gemahnt, so lauten die drei großen Imperative imperialer Geostrategie: Absprachen zwischen den Vasallen zu verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu bewahren, die tributpflichtigen Staaten fügsam zu halten und zu schützen und dafür zu sorgen, dass die ‚Barbaren‘völker sich nicht zusammenschließen.“ (S. 65f.)"

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_einzige_Weltmacht:_Amerikas_Strategie_der_Vorherrschaft

  • am 13.01.2020 um 14:44 Uhr
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    Diese A(nti)moral der in meinen Augen suizidalen Europäer: ihre Unaufrichtigkeit dürfte sie selbst einholen als «Freunde» (Komplizen) der USA – auch ein Fehler, denn Kissinger offenbarte, dass «die USA keine Freunde, einzig Interessen haben» (was die ganze US-Historie belegt, Beispiel: Freund Saddam führte seinen Angriffskrieg gegen Iran im US-Auftrag; gegen Saddams Giftgas-Einsätze im Iran protestierten die Mainstreammedien meines Wissens nicht).
    Weiteres Beispiel Doppelmoral:
    https://www.youtube.com/watch?v=qW5tEVN_BEA
    https://www.austrianwings.info/2013/07/vor-25-jahren-abschuss-von-iran-air-flug-655/
    Zitat: Am 3. Juli 1988 wurde ein Passagierflugzeug der Iran Air (Flugnummer Iran Air 655) abgeschossen: Die widerrechtlich in iranischen Hoheitsgewässern operierende «USS Vincennes (CG-49)» schoss einen Airbus A300B2 der Fluggesellschaft Iran Air ab. Alle 290 Menschen an Bord starben. ► Bis heute lehnen die USA es ab, sich für diesen Akt zu entschuldigen, zeichneten dafür aber den Kapitän der «Vincennes» «für außerordentliche Pflichterfüllung im Einsatz» mit einem Orden aus und beförderten außerdem einige weitere beteiligte Offiziere.
    USA/GB hetzen im Iran (Hongkong, Taiwan, remember Ukraine) «Protestierende» auf via CIA, Twitter (Trump) oder mitmarschierend (britischer Botschafter in Teheran, Rob Macaire).
    Die Schweiz sollte sofort die Gründung einer Alternativen UNO initiieren, denn die bestehende ist ein USA-Konstrukt.

  • am 13.01.2020 um 15:00 Uhr
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    In der «Arena» von SFR hat Markus Somm die USA als «Ordnungsmacht» bezeichnet, die halt zuständig sei für Recht und Ordnung im Mittleren Osten, vor allem mit dem Auftrag, Israel zu beschützen. Kein Diskussionsteilnehmer hat widersprochen. Die Tatsache, dass dank der iranischen Revolutionsgarde die IS-Flagge nicht in Damaskus und Bagdad gehisst werden konnte, wurde nicht erwähnt. Die Folgen für Europa, das sich über die Flüchtlingswelle beklagt, wären im Fall des Erfolgs des IS verheerend gewesen. Die imperialistische Ordnung ist ein Programm des Chaos und der Spaltung in der Region. Die USA brauchen nicht das Öl, aber das Geld, um den militärisch-industriellen Komplex und Israel zu füttern.

  • am 13.01.2020 um 17:01 Uhr
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    …und dann kommen Trump und seine Kollegen noch nach Davos an’s WEF. Meiner Meinung nach dürfte die Schweiz die Verantwortlichen für die Ermordung von Soleimani und ca. 5 weiteren Menschen, und kürzlich ca. 25 anderen, nicht einreisen lassen, und iranische Regierungsvertreter auch nicht. Diese Menschen muss man entweder als Staatsterroristen oder als Kriegsführende bezeichnen. Der einzige Grund, der ein Besuch in der Schweiz rechtfertigen würde, wären Verhandlungen über Frieden und die Reduzierung von Atomtechnologie, aber darum geht es in Davos kaum.

  • am 13.01.2020 um 18:31 Uhr
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    Ein Beweis mehr, wie Europa, ja der gesamte Westen am Gängelband des von einem völlig Gestörten geführten Landes hängt. Man kann gespannt sein, wie sich der Wind drehen wird, wenn Russland und insbesondere China in absehbarer Zeit dieses primitive und unzivilisierte Land ins Abseits stellen werden.

  • am 13.01.2020 um 19:21 Uhr
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    Dass es so ist, wie der Autor dieses guten Artikels es beschreibt, steht ausser Zweifel. Die Frage für mich ist : wie geht man mit diesem Tatbestand um ? Der einzige, eigentlich eher hilsflose Einfall, der mir kommt , wäre: indem wir unsere Medien immer wieder in die Strippe nehmen – Leserbriefe, Ankündigungen von Abo-Stornierungen – und «dergl». Aber gegenüber den US-hörigen Konzerne, welche die Meisten unserer Medien besitzen, ist das ein «Schuss» mit einer «Wasser-Pistole». Hat Jemand eine Idee ?

  • am 14.01.2020 um 04:08 Uhr
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    Andreas Zumach hat recht. Nur ist seine Feststellung leider nicht neu. Sowohl die USA wie die EU respektieren die UN-Charta seit Jahrzehnten nicht mehr. Die zwei fundamentalen Prinzipien der Staatengemeinschaft – Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker (Artikel 1 der UN-Charta) – werden fast täglich verletzt.

  • am 14.01.2020 um 15:17 Uhr
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    @Bernhard Sartorius
    Herr Sartorius, ich teile Ihre Meinung zu 100%! Ihr EinfalI ist nicht hirnlos! Es gibt viele Wege, sich gegen diese Ohnmacht zu stellen. Nur, als Einzelkämpfer wird das nicht gehen! Ich habe viele Ideen. Leider kann ich diese alleine nicht umsetzen. Wir sollten die Menschen in unserem Umfeld mit differenzierten Informationen erreichen. Die Hirnwäsche der öffentlich-rechtlichen Medien funktioniert seit Jahren perfekt! Ich möchte gerne Mahnwachen organisieren (zum Beispiel für Julian Assange, für den Abzug der USA Armee aus Europa und allen anderen Teilen der Welt, für die Auflösung der NATO, usw.). Soviel ich weiss gibt es in der Schweiz keine solchen Aktionen. Leserbriefe ja, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass diese nicht sehr viel bringen. Den Mainstreammedien sollte man Links schicken mit Berichten, die ein anderes Licht auf deren Berichterstattungen werfen. Habe ich auch schon gemacht, ohne eine Antwort zu erhalten. Wir sollten uns zusammenschliessen, um gegen das Schwarz/Weiss denken der meisten Medien und Menschen friedlich anzukämpfen. Falls Sie, oder auch andere Leser dieser Zeilen, auch der Meinung sind, dass wir gemeinsam etwas unternehmen können, dann würde es mich sehr freuen, wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen würden, um Ideen auszutauschen (danielzenklusen@gmx.ch)!

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