Merkel

Die deutsche Bundeskanzlerin in Israel © ARD

Befürwortet Merkel einen Angriff auf den Iran?

Christian Müller /  Angela Merkels Ausspruch, wonach Israels Sicherheit Teil der deutschen Staatsräson sei, bringt Deutschland zum Umdenken.

Israel ist seit Monaten in Versuchung, im Iran nukleare Anlagen zu bombardieren. Seine Luftwaffe ist dazu ohne Zweifel in der Lage, denn Israel gehört militärisch zu den bestgerüsteten Nationen der Welt. Internationale Beobachter rechnen damit, dass Israel tatsächlich zuschlägt – kurz vor den Präsidentschafts-Wahlen in den USA, um die Rückendeckung der USA zu haben. Denn kurz vor den Wahlen würde, so die Spekulation, weder Obama noch der Kandidat der Republikaner sich leisten können, Israel zu kritisieren. Zu stark ist die Israel Lobby in den USA.

Wie aber ist es mit Deutschland? Nach dem Holocaust ist Deutschland – nachvollziehbar – Israel sehr gewogen. Der Vorwurf des Antisemitismus soll Deutschland nie mehr treffen können. Das führt in der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern zu höchst problematischen Stellungnahmen. Als Angela Merkel 2008 in Israel war, sagte sie, die Sicherheit Israels gehöre «zur Staatsräson» Deutschlands.

»Staatsräson» ist das oberste Interesse des Staates

Nicht alle Polit-Kommentatoren waren ob dieser Formulierung begeistert. Denn unter «Staatsräson» versteht man seit den politischen Schriften des italienischen Philosophen Niccolò Macchiavelli um 1500 das oberste Staatsinteresse, dem alles Andere untergeordnet werden muss. So etwa wagte die «Süddeutsche Zeitung» einen Kommentar, in dem auch an die Interessen der Palästinenser erinnert wurde und für die Zweistaatenlösung plädiert wurde. Wörtlich stand dort zu lesen: «Deutschland aber muss sich hüten, nicht Bushs Kapitalfehler zu begehen und im Friedensprozess einseitig zu agieren. Merkel darf sich nicht von der Umarmung Israels erdrücken lassen. In ihrer Rede kamen die Palästinenser mit fast keinem Wort vor. Merkel muss ihre Unabhängigkeit bewahren und Israel ohne Phrasen und Verklausulierungen für dessen Besatzungs- und Siedlungspolitik kritisieren. Denn auch das ist ein Freundschaftsdienst: die Wahrheit zu sagen.»

Und der Schlusssatz in der «Süddeutschen» lautete: «Zur Staatsräson Deutschlands sollte auch die Verwirklichung der Zwei-Staaten-Lösung gehören: ein sicherer Staat Israel und ein sicheres Palästina ohne jüdische Siedlungen.»

Was aber, wenn Israel Iran bombardiert?

Jetzt, da ein Angriff Israels auf Iran Realität werden könnte, erhält der Ausspruch mit der «Staatsräson» neue Aktualität. Würde Deutschland auch eine Bombardierung Irans durch die israelische Luftwaffe vorbehaltlos gutheissen? Den Angriff einer Atom-Macht gegen einen anderen Staat, weil auch dieser zur Atom-Macht werden möchte?

Bemerkenswert ist, dass jetzt mehr und mehr auch deutsche Juden sich von der Politik Israels zu distanzieren beginnen. Besonders heftig und auch sehr emotional tat dies kürzlich Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter von Heinz Galinski, der von 1954 bis 1963 und von 1988 bis zu seinem Tod 1992 Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland war. Im Zweiten Weltkrieg war Galinski selber im KZ Auschwitz-Birkenau interniert, wo seine Frau und seine Mutter ermordet wurden. Später wurde er ins KZ Bergen-Belsen überführt, wo er 1945 von den britischen Truppen befreit wurde.

Evelyn Hecht-Galinski schreibt wörtlich: «Darf Kanzlerin Merkel/Machiavelli wirklich wie vor der Knesset 2008 durch ihre Rede den Begriff der deutschen Staatsräson so missbrauchen, wie jetzt geschehen? Sagte sie doch: ‹Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt die Sicherheit Israels ist für mich als Bundeskanzlerin niemals verhandelbar – und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.› Haben wir jetzt tatsächlich die Stunde der Bewährung, wenn das israelische Regime einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Iran plant?»

Später in Evelyn Hecht-Galinskis langem Kommentar heisst es: » Israel hat ja Erfahrung in Angriffskriegen und deren propagandistischer ‹Andersdarstellung› (Koscher-Macher) und Verschleierung. Schon 1981 flog Israel einen Luftwaffenangriff gegen den irakischen Leichtwasserreaktor Osirak und zerstörte die Anlage weitgehend. In der Nacht des 6. September 2007 bombardierten israelische Jets abermals eine angeblich mit Nordkoreas Hilfe gebaute Atomanlage in Syrien erfolgreich. Der Gaza-Angriff mit mehr als 1400 ermordeten Palästinensern wurde in der US-Wahlnacht des 4. November durch Ermordung von sechs Hamas Aktivisten auf deren Territorium vorbereitet. Und erst danach reagierte die Hamas mit einem Raketenbeschuss auf Südisrael. Soviel zum Märchen, dass die Hamas die Waffenruhe gebrochen hätte.»

Und Evelyn Hecht-Galinski schliesst ihren Text mit folgenden Sätzen: «Das israelische Regime, der jüdische Staat führt einen Krieg «mit Gottes Hilfe», d.h. der Geheimdienst Mossad führt Aktionen mit dem Namen «Zorn Gottes» durch, wie die Aktion gegen die palästinensischen Freiheitskämpfer, die das Attentat in München während der Olympiade 1972 verübt hatten. – So war es nur folgerichtig, dass israelische Journalisten den ehemaligen Geheimdienstchef Dagan fragten, ob vielleicht «Gott» bei den vielen «Unfällen» rund um das iranische Atomprogramm seine Hand im Spiel hatte. Dagan bejahte das. Der heimliche «Gotteskrieg» mit bei Attentaten zu Tode gekommenen Atomforschern ist voll im Gange, ebenso der Computerkrieg; jetzt fehlt Israel nur noch der ‹richtige› Krieg zu seiner ‹Endbefriedigung›. Israel wird und will wieder, wie schon so oft im Schatten eines US-Wahlkampfes die Handlungsunfähigkeit der US-Regierung ausnutzen.»


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