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Irans Präsident Hassan Rohani droht mit der Wiederaufnahme des Atomprogramms © YouTube/Iran.gov.tv

«Bedauern und Sorge» über Trumps Iran-Entscheid

Andreas Zumach /  Weltweit gibt es Kritik am Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran. Zustimmung kommt nur aus Israel und Saudiarabien.

Nach dem angekündigten Rückzug der USA aus dem Nuklearabkommen mit Iran und der Wiedereinsetzung umfassender Sanktionen gegen Teheran macht die dortige Regierung ihre weitere Bindung an das Abkommen von der Haltung der fünf anderen Vertragsstaaten Russland, China, Frankreich, Grossbritannien und Deutschland abhängig. Am kommenden Montag wollen die Aussenminister der drei EU-Staaten in Brüssel mit ihrem iranischen Amtskollegen zusammentreffen.
«Wir müssen in den nächsten Wochen sehen, wie es ohne die USA mit dem Abkommen weitergehen kann. Wir wollen die Umsetzung des Abkommens, nur auf Papier reicht uns nicht», erklärte der als gemässigt geltende iranische Präsident Hassan Rohani. Falls die Konsultationen mit dem restlichen Quintett scheitern sollten, werde der Iran sein Atomprogramm und die Urananreicherung wieder unbegrenzt aufnehmen, warnte Rohani. Dies sei mit der iranischen Atomorganisation auch bereits koordiniert worden.
Laut Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif gehe es beim Treffen in Brüssel «in erster Linie um die vertragsgerechte Umsetzung des Abkommens». Es müsse «versichert werden, dass der Iran voll und ganz von den wirtschaftlichen Vorteilen des Abkommens profitieren kann», teilte Sarif mit.
Zwar hatten die Regierungen in Moskau, Peking, Paris, London und Berlin unmittelbar nach der Rede Trumps ihre Absicht bekräftigt, an dem Abkommen mit Teheran festzuhalten. Das schliesse «den Erhalt von wirtschaftlichen Vorteilen» der Vereinbarung «für das iranische Volk ein», betonten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die britische Premierministerin Theresa May und Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer gemeinsamen Erklärung. In dieser äussern sie «Bedauern und Sorge» über Trumps Entscheidung.
Europäern drohen US-Sanktionen
Schon vor Trumps Iran-Rede hatte die EU-Kommission mitgeteilt, sie bereite zusammen mit dem Iran Massnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen vor. Doch über die Verlässlichkeit dieser Zusagen bestehen in Teheran Zweifel, denn die Trump-Administration versucht, die anderen fünf Vertragsstaaten ebenfalls zum Abbruch von Wirtschaftsbeziehungen mit Iran und zur erneuten Verhängung der seit Frühjahr 2016 ausgesetzten Sanktionen gegen Teheran zu nötigen.
Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, forderte bereits wenige Stunden nach der Rede Trumps, als Konsequenz aus den wiederverhängten US-Sanktionen sollten deutsche Unternehmen ihre Geschäfte im Iran «sofort» herunterfahren. Trumps Sicherheitsberater John Bolton gab in Washington bekannt, dass die Strafmassnahmen «ab sofort» für alle Neuverträge gelten würden. Ausländische Firmen, die bereits im Iran seien, hätten drei bis sechs Monate Zeit, um das Land zu verlassen. Ansonsten werde ihnen der Zugang zum US-Markt verwehrt. US-Finanzminister Steven Mnuchin machte klar, dass auch europäische Firmen betroffen sein könnten, wenn sie weiter mit dem Iran Geschäfte machten.
US-Rückzug stärkt Hardliner in Teheran
Irans Präsident Rohani und Aussenminister Sarif stehen nach der Entscheidung Trumps unter wachsendem Druck der Hardliner in Teheran, die von Beginn an gegen das Nuklearabkommen waren. Der Chef der einflussreichen Revolutionsgarden, Generalmajor Mohammed Ali Dschafari, hält das Ende des Atomabkommens nach dem US-Ausstieg für praktisch besiegelt. Die Europäer seien «zu eng mit den Amerikanern verbunden, als dass sie eine unabhängige Entscheidung treffen könnten», erklärte er laut der Nachrichtenagentur Fars News. Ähnlich äusserte sich Parlamentspräsident Ali Laridschani. Der iranische Armee-Chef Sejed Abdul Rahim Mussawi kritisierte Präsident Rohani und Aussenminister Sarif gegenüber der Nachrichtenagentur Isna für den «grossen Fehler, sich überhaupt mit den USA hingesetzt und das Nuklearabkommen ausgehandelt zu haben». Dies habe «grossen Schaden verursacht».
China: USA geben «schlechtes Beispiel»
Die Kritik an Trumps Entscheidung in den anderen fünf Vertragsstaaten des Abkommens war einhellig. Das russische Aussenministerium reagierte «mit grosser Enttäuschung» auf Trumps Entscheidung. Die regierungsnahe chinesische Tageszeitung «China Daily» sprach am Mittwoch von einer «Bedrohung für die Weltordnung». Wenn der Iran-Deal auseinanderfallen sollte, könnte das auch Hoffnungen für eine Lösung ähnlicher Krisen und Verhandlungen wie über den Atomkonflikt mit Nordkorea einen Schlag versetzen.
Indem die USA einseitig ein multilaterales Abkommen aufkündigten, gäben sie ein «sehr schlechtes Beispiel». «In einer Welt der gegenseitigen Abhängigkeiten ist kein Raum für reinen Egoismus», schrieb die Zeitung. «Wenn Trumps Amerika-Zuerst-Doktrin bedeutet, dass die USA ihre eigenen Interessen auf Kosten anderer Länder verfolgen, werden die USA früher oder später zunehmend isoliert auf der Weltbühne dastehen.»  
Das Nuklearabkommen sei «wichtig für unsere gemeinsame Sicherheit», deshalb habe der Ausstieg der USA «Bedauern und Sorge» ausgelöst, heisst es in der gemeinsamen Erklärung des EU-Trios. Auch die Türkei, NATO-Partner der USA sowie die politisch mit den USA eng verbündeten Staaten Australien und Japan kritisierten Trumps Entscheidung. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die übrigen Unterzeichnerstaaten des Abkommens dazu auf, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
In den USA sprach Ex-US-Präsident Barack Obama, unter dessen Regierung das Abkommen ausgearbeitet worden war, von einer «fehlgeleiteten» Entscheidung und einem «schwerwiegenden Fehler» seines Nachfolgers. Ähnlich äusserten sich führende Demokraten im US-Kongress.
Netanjahu lobt Trumps «historischen Schritt»
Israels Premieminister Benjamin Netanjahu hingegen lobte Trumps Entscheidung als «historischen Schritt». Das Abkommen unverändert zu lassen, wäre dagegen «ein Rezept für eine Katastrophe, eine Katastrophe für unsere Region, eine Katastrophe für den Frieden der Welt» gewesen. In den israelischen Medien stiess Trump neben überwiegender Zustimmung jedoch auch auf Kritik. «Der Rückzug der USA aus dem Abkommen erhöht die Gefahr einer Konfrontation in der Region» kommentierte die Zeitung «Haaretz». Die Tatsache, dass Regierungschef Netanjahu öffentlich gegen das Iran-Abkommen vorgeht, könnte «den Eindruck erwecken, dass Israel die Welt zu einem Krieg drängt. Der Ministerpräsident denkt vielleicht, die Israelis sollten Trump dankbar sein, aber gegenwärtig gefährdet der Ausstieg der USA die Welt und bedroht Israel.»
Die vom Regime in Riad kontrollierte saudische Zeitung «Arab News» forderte, «die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump sollte Applaus erhalten und unterstützt, nicht kritisiert werden». Trumps Entscheidung sei «definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, weil er die Sicherheit und Interessen der regionalen US-Verbündeten an die erste Stelle rückt – etwas, was von seinem irregeleiteten Vorgänger Barack Obama umstrittenerweise ignoriert wurde».
Deutliche Kritik aus Deutschland
In Deutschland reagierten Politiker von Regierung und Opposition sowie Sicherheitsexperten mit deutlicher Kritik auf Trumps Entscheidung. Der aussenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, bezeichnete die Entscheidung gegenüber dem MDR als falsch und erklärte: «Wir haben als Deutsche keine Erkenntnisse, dass der Iran gegen dieses Abkommen verstösst. Und deswegen sind wir der Meinung, man sollte unbedingt an dem Abkommen festhalten und werden das als europäische Seite auch tun.» Hardts Fraktionskollege Roderich Kiesewetter warf den USA in einem Interview mit dem SWR vor, mit ihrem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen den Westen zu spalten. «Wir stehen am Vorabend einer krisenhaften Entwicklung, die USA werden nur von Israel und Saudi-Arabien unterstützt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht am Vorabend einer kriegerischen Entwicklung stehen».
Der aussenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, warnte vor einem atomaren Wettrüsten im Nahen Osten. Im rbb-Inforadio sagte Nouripour am Mittwoch, man müsse «nur eins und eins zusammenzählen, um zu sehen, was passiert», wenn das Abkommen mit dem Iran nach dem Ausstieg der USA nicht doch noch gerettet werden kann. Das werde «dazu führen, dass die Iraner ihre Zentrifugen weiter hochfahren. Das wird dazu führen, dass die Inspektionen zurückgefahren werden. Das ist der schnellste Weg des Irans zu einer Bombe». Man könne «jetzt schon sehen und zugucken, wie andere Staaten in der Region auch eine Bombe haben wollen».
Das Verhalten der USA sei «unverzeihlich», so Nouripour. Trump schiebe die Europäer «in eine Situation, in der wir die Wahl haben, auf der einen Seite zu verhindern, dass unsere Nachbarregion mit immer mehr Staaten versehen ist, die Atomwaffen haben. Und auf der anderen Seite proaktiv versuchen müssen, amerikanische Politik zu unterwandern.»
Kritik zu Trumps Entscheidung äusserten in Deutschland auch Politikerinnen von Linkspartei und FDP sowie der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger und der Direktor der Stifttung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Eine Meinung zu

  • am 10.05.2018 um 12:07 Uhr
    Permalink

    In diesem Fall ist die EU, insbesondere Deutschland Opfer seiner eigenen Politik.
    Die EU, besonders Deutschland braucht aufgrund seiner starken Exportausrichtung und seiner extrem hohen Exportüberschüsse, die USA als Absatzmarkt.

    siehe auch
    http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/deutscher-aussenhandelsueberschuss-ist-kapitalexport-und-schadet-d-a-1111265.html

    "Deutschland wirtschaftet wie die Eichhörnchen"

    Die Chinesen können sich da viel entspannter zurück lehnen.
    Ausgerechnet die Regierung unter Führung der kommunistischen Partei machte ihre Hausaufgaben und fuhr den extremen Exportüberschuss zurück.
    Wenn die USA mit Sanktionen droht, kann China also den Spiess umdrehen.

    Die Sanktionen gegen Iran stören die US Firmen wenig, da sie nur ein handelsvolumen von 180 Millionen Euro pro Jahr mit Iran haben. Die EU hat ein Handelsvolumen von 21 Milliarden Euro pro Jahr mit Iran.
    Alleine Airbus hat einen Auftrag von 23 Milliarden Euro ( 100 Flugzeuge ).
    Zum Vergleich, der Jahresumsatz von airbus beträft 67 Milliarden Euro !

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