Atom-Abkommen mit Iran weiterhin unsicher
Die Zeit drängt: in genau einem Monat (am 30. Juni) läuft die Frist aus für ein endgültiges Abkommen über das iranische Nuklearprogramm. Doch die über sechsstündigen Verhandlungen zwischen Teherans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif und seinem US-Amtskollegen John Kerry am Samstag in Genf erbrachten in keiner der noch offenen Fragen substantielle Fortschritte. Schwierigster Streitpunkt war nach übereinstimmenden Informationen aus beiden Verhandlungsdelegationen die Forderung der USA sowie der anderen vier Vetomächte des UNO-Sicherheitsrates und Deutschlands (Ländergruppe 5 plus 1), wonach unter einem künftigen Abkommen auch sämtliche Militäranlagen Irans von Inspekteuren der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) kontrolliert werden dürfen.
Mit dieser Forderung will die 5 plus 1 für die bis auf 25 Jahre angelegte Laufzeit eines künftigen Abkommens auch alle jene Militäranlagen Irans regelmäßigen internationalen Inspektionen unterwerfen, die von Teheran gegenüber der IAEO nicht als Nuklearanlagen deklariert wurden.
Irans Religionsführer kategorisch dagegen
Der iranische Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei, hatte am 20. Mai eine Kontrolle von Militäranlagen durch ausländische Inspektoren ausgeschlossen. Der Ayatollah hat in allen staatlich relevanten Angelegenheiten das letzte Wort. Seitdem bekäftigten auch Präsident Hassan Ruhani sowie Aussenminister Sarif diese ablehnende Haltung. In dem Eckpunktepapier für eine künftiges Abkommen, das die 5+1 und Iran am 2. April in Lausanne vereinbart hatten und das weitreichende Beschränkungen für das iranische Nuklealprogramm vorsieht, war diese Streitfrage noch nicht im Detail geklärt worden.
Aktuell zielt diese Forderung der 5 plus 1 in erster Linie auf die südöstlich von Teheran am Kaspischen Meer gelegene Militärbasis Parchin. Die IAEO hegt den Verdacht, dass in dieser von den iranischen Revolutionsgarden betriebenen Anlage zumindest bis zum Jahr 2003 Sprengtest mit Zündern für Atomwaffen durchgeführt wurden. Von 1986 bis 2003 hatte Iran nach Darstellung von Oppositionsgruppen sowie Geheimdiensterkenntnissen der USA und Israels ein Entwicklungsprogramm für Atomwaffen betrieben. Eine Inspektion von Parchin und anderen Militäranlagen Anlage durch die IAEO hat die iranische Führung bislang stets abgelehnt obwohl ein von Teheran unterschriebenes Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag eine Kontrolle sämtlicher Militäranlagen vorsieht.
Kompromissvorschlag des iranischen Aussenministers
Aussenminister Sarif schlug Kerry am Samstag in Genf ein Verfahren vor, wonach IAEO-Inspekteure zwar «Zugang» zu Parchin und anderen Militäranlagen des Landes erhalten sollen, diese aber nicht uneingeschränkt «inspizieren» dürfen. Welche Teile der Militäranlagen von den IAEO-Vertretern kontrolliert werden dürfe, müsse in jedem konkreten Einzelfall mit der iranischen Seite vereinbart werden. Diesen Vorschlag lehnte Kerry ab.
Keine Einigung gab es auch über die von den 5 plus 1 unterstützte Forderung der IAEO, iranische Wissenschaftler zu befragen, die möglicherweise an einem militärischen Nuklearprogramm beteiligt waren. Erhebliche Differenzen gibt es weiterhin noch über die Modalitäten zur Aufhebung und eventuellen Wiedereinsetzung der Sanktionen, die die UNO sowie USA und EU seit 2006 gegen Iran verhängt haben.
Vertreter der der 5 plus 1 verständigten sich am Wochenende in New York nach Angaben westlicher Diplomaten auf ein Verfahren, wie einmal gelockerte Sanktionen gegen den Iran wieder eingeführt werden könnten, sollte das Land gegen Vereinbarungen eines künftigen Nuklearabkommes verstossen.
Uneinigkeit bei den Sanktionen
Den westlichen Diplomaten zufolge soll sich ein Sondergremium des UNO-Sicherheitsrates mit potenziellen Verstössen des Iran befassen. Dieses Gremium werde Anschuldigungen bewerten und eine nicht-verbindliche Empfehlung aussprechen. Die IAEA soll dem Sicherheitsrat zudem weiter regelmässig über das Atomprogramm im Iran Bericht erstatten. Sollten so Verstösse festgestellt werden, würden Sanktionen wieder in Kraft treten. Die technischen Details sind allerdings noch nicht bekannt.
Der Westen besteht darauf, dass Sanktionen ohne Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Bühne wieder in Kraft gesetzt werden können, um einem möglichen Veto von Russland oder China zu verhindern. Ein hochrangiger iranischer Diplomat des Landes erklärte zu den Berichten über eine Einigung unter den 5 plus 1 über das Verfahren, Teheran werde sich «mehrere Optionen dazu anschauen».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
«Sämtliche Militäranlagen Irans dürfen von Inspekteuren der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) kontrolliert werden», so die Forderung der «Ländergruppe 5 plus 1». Man sollte sich einmal vorstellen, eine solche Forderung würde beispielsweise an die USA oder an Israel, an Grossbritannien oder Frankreich gestellt! Warum nicht?
Die Antwort auf die Frage von Frau Obrist ist ganz einfach, auch wenn sie politisch nicht gefällt:
Die USA, Großbritannien und Frankreich sind (neben Russland und China) die durch den Atomwaffensperrvertrag (NPT) offiziell anerkannten Atomwaffenmächte. Logischerweise unterliegen diese fünf Staaten und ihre Militäranlagen daher keinerlei Inspektionen oder Verdachtskontrollen durch die IAEO. Im Unterschied zu Iran ist Israel (wie auch die anderen beiden inoffiziellen Atomwaffenmächte Indien und Pakistan) dem NPT bislang nicht beigetreten und unterliegt deshalb keinen IAEO-Kontrollen.
Andreas Zumach
Vielen Dank, Herr Zumach! Ist Iran nicht unter dem Schah dem NPT beigetreten? Und ist der Schah nicht nach dem Sturz Mossadeghs durch die CIA zurück zur Macht gekommen? Hat er nicht Israel bevorzugt behandelt? Weil ein Schützling der USA? Soweit ich weiss, ist das so.