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Zu viele verschiedene Listen für die Mitte: Hauptliste sowie Unterlisten «Junge», «Best Agers», «Exekutiv», «Wirtschaft» und «Landwirtschaft» im Kanton Bern. © Marco Diener

Wahlen 2023: Der Unfug mit den Unterlisten

Marco Diener /  FDP und Mitte treten in Luzern mit je elf Listen zu den Nationalratswahlen an. Kein Wunder, verleidet den Wählern das Wählen.

Zuerst ein paar Zahlen: Die Parteien treten zu den Nationalratswahlen in zwei Wochen mit insgesamt 618 Listen an. Das sind 107 mehr als vor vier Jahren. Am buntesten treibt es die Mitte: Sie dient sich den Wahlberechtigten in den Kantonen Luzern und Thurgau mit je elf Listen an, im Kanton Aargau mit deren zehn. Ebenfalls auf elf Listen kommt die FDP im Kanton Luzern.

«Für Brugg und das Zurzibiet»

Das Bild, das sich den Wählern bietet, ist grotesk:

  • Die Mitte tritt im Aargau mit einer Hauptliste sowie Unterlisten «Für Aarau Regio», «Für den Bezirk Baden», «Für Land- & Ernährungswirtschaft», «Für die Städte und Gemeinden», «Für das Freiamt», «Für das Fricktal», «Für Kulm und Lenzburg», «Für Brugg und das Zurzibiet» sowie «Für den Bezirk Zofingen» an. Das ist bereits beim Lesen ermüdend. Geschweige denn beim Wählen.
  • Im Thurgau tritt die Mitte mit «Den Jungen und Erfahrenen Mitte Region Kreuzlingen – Bodensee» an. Was auch immer das heissen soll.
  • Die FDP Luzern ist offenbar die Partei der Spezialisten. Da gibt es unter anderem Listen mit Namen wie «Wirtschaft und Bildung», «Umwelt und Energie», «Kultur und Sport», «Gemeinden», «Landwirtschaft», «Generationen», «Frauen Stadt-Land» und «Sozial-Liberal».
  • Spezialisten gibt es auch bei der Aargauer SP: «Energie und Klima», «Familie und Jugend», «Gesundheit», «Kunst und Kultur».
  • Die Walliser SVP präsentiert seine Kandidaten auf Listen wie «Oberwallis Power», «Oberwallis Üfbrüch» oder «Oberwallis Chrampfer».
  • Die Zuger SVP scheint sich eher für Partikularinteressen als fürs Wohl unseres Landes zu interessieren. Davon zeugen Listen mit Namen wie «Für eine starke Stadt Zug», «Für einen dynamischen Ennetsee», «Für unser schönes Ägerital» oder «Für ein lebenswertes Baar».

Zugunsten der kleinen Parteien

Die Unterlisten-Flut ist eine Folge unseres Wahlsystems. Es ist darauf ausgerichtet, dass kleine Parteien auch in kleinen Kantonen eine Chance auf einen Sitz haben. Ursprünglich bildeten die Parteien mit ihren Jungparteien eine Unterlistenverbindung. Doch inzwischen haben sie gemerkt, dass sich mit mehr Unterlisten auch mehr Sitze holen lassen. Daher die ständig steigende Zahl an Unterlisten. Gegenüber 1971 hat sich die Zahl der Listen vervierfacht. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die grossen Parteien das System ausnützen.

Mittlerweile ist es auch der Bundeskanzlei zu bunt geworden. Sie hat Unterlistenverbindungen zwischen den Parteien verboten. Unterlistenverbindungen innerhalb einer Partei sind aber weiterhin zulässig.

Der Doppelte Pukelsheim

Dabei gäbe es durchaus auch andere Lösungen, damit die kleinen Parteien in kleinen Kantonen nicht leer ausgehen. Zum Beispiel den Doppelten Pukelsheim. Bei diesem System würde zuerst die ganze Schweiz als ein einziger Wahlkreis behandelt. Dabei würden die Sitze auf die Parteien verteilt. Und erst danach würden die Sitze unter den Kantonen aufgeteilt.

Das Verfahren hat sich in einigen Kantonen bei kantonalen Wahlen bewährt. Das System ist transparenter und gerechter. Aber die grossen Parteien sträuben sich auf nationaler Ebene dagegen, weil sie Sitzverluste fürchten.

Nur noch 30 Gramm

Nicht nur der Bundeskanzlei, auch den Kantonen wird es langsam zu viel. Der Kanton Aargau akzeptiert fürs Wahlcouvert nur noch zwei Flugblätter pro Partei – egal mit wie vielen Listen sie antritt. Der Kanton Bern lässt nur noch 30 Gramm Propagandamaterial pro Partei zu.

Weiterführende Informationen: Wahlen: Die grossen Parteien reden um den heissen Brei herum


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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