Kommentar
USAID im Holzhäcksler
Das USAID, die führende staatliche Agentur der USA zur Entwicklungshilfe, ist unter der Trump-Regierung unter den Sparhammer gekommen. Ihr Berater Elon Musk spricht vom Holzhäcksler, in dem sie geschrottet werden soll. So wurde die Behörde über Nacht geschlossen und 10’000 Mitarbeitende entlassen. Auf der schon ausgeschalteten Website wurde ihnen mitgeteilt, dass sie beurlaubt seien und – sofern sie im Ausland waren – innert Monatsfrist in die USA zurückzukommen hätten.
Während der vom Aussenministerium verhängten 90-tägigen Arbeitsunterbrechung sollen nun die Verträge überprüft werden. Das bedeutet aber, dass für viele Projekte, die mit sehr knappen Budgets operieren, das Aus definitiv ist. Ein Bundesrichter hat mittlerweile die Regierung von Donald Trump aufgefordert, den Finanzierungsstopp vorübergehend aufzuheben. Der Richter verwies dabei auf die verheerende finanzielle Belastung, die der plötzlich erfolgte Zahlungsstopp für die Lieferanten und gemeinnützige Organisationen bedeute.
Natürlich war die Entwicklungszusammenarbeit schon immer nicht allein Ausdruck eines humanitären Hilfewillens, sondern auch ein Instrument der amerikanischen Aussenpolitik. Doch es ist ein Ärgernis, wenn der reichste Mann der Welt zusammen mit dem amerikanischen Präsidenten den Ärmsten auf der Erde die Unterstützung entziehen will. Mit der Politik der Administration Trump sind gerade Migrantinnen und Migranten doppelt bestraft. Sie werden aus den USA ausgewiesen und müssen in den Rückkehrländern erfahren, dass die Entwickungshilfe dort gerade mit der Abrissbirne beseitigt wird.
Auswirkungen des Aus von USAID
Die «New York Times» berichtete bereits im Verlauf der letzten Woche über die Auswirkungen des Kahlschlags und das Chaos, das damit bewirkt wird:
Rund 130’000 Frauen verlören in Simbabwe den Zugang zu Verhütungsmitteln (Kondome seien dort mittlerweile Mangelware). Wenn der Hilfsstopp drei Monate andauere und der Zugang zur Familienplanung in diesem Jahr nicht wiederhergestellt werde, käme es zu 4,2 Millionen ungewollten Schwangerschaften und 8300 Todesfällen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt.
In Sokoto (Nigeria) hungern Kleinkinder, weil die von USAID unterstützten Noternährungszentren die nährstoffreiche Paste, mit der schwer unterernährte Kinder gerettet werden, nicht mehr vorrätig haben. «Tausende Kinder können sterben», berichtet Erin Boyd, eine ehemalige Ernährungsberaterin der USAID.
Ein Ebola-Ausbruch in Uganda hat sich auf drei Städte ausgeweitet. Die ugandische Regierung hat medizinisches Personal, das zuvor von USAID bezahlt wurde, gebeten, «weiterhin im Geiste des Patriotismus als Freiwillige zu arbeiten».
Im somalischen Kismayo musste ein Krankenhaus, das jeden Monat 3000 Menschen versorgt, schliessen. Die Patienten wurden auf Eselskarren oder Schubkarren weggebracht.
Fake-News und politische Hintergründe
Für die US-Regierung sind dagegen die Missbräuche wichtiger, die sie kolportiert. So sollen 20 Millionen US-Dollar für Hollywood-Stars bezahlt worden sein, um in die Ukraine zu reisen und sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Allerdings handelt es sich hier um Fake-News, die aus Russland verbreitet wurden. Der Schauspieler Ben Stiller schrieb dazu auf der Plattform X: «Ich habe meine humanitäre Reise in die Ukraine vollständig selbst finanziert. Es gab keine Mittel von USAID und schon gar keine persönlichen Zahlungen.» Gemäss Donald Trump soll zudem das Portal «Politico» des Axel-Springer-Verlags mit 8,1 Millionen unterstützt worden sein – auch das wird von «Politico» ausdrücklich bestritten.
Viele Vorwürfe gegenüber USAIDS sind ideologisch begründet. So kritisieren Konservative die Unterstützung von LGBTQ-Rechten und Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern. Für sie propagiert USAID Ideen, die amerikanischen Interessen zuwiderlaufen. Besonders kritisiert werden Programme in den Bereichen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) sowie LGBTQ. Dahinter habe man enorme Summen in «Verschwendung» und «Missbrauch» gesteckt, erklärte die Trump-Regierung.
Fast täglich geraten neue Projekte ins Zwielicht – nicht zuletzt über Musks Portal X. So werden angeblich verschwenderische Projekte wie 47’000 Dollar für eine Transgender-Oper in Kolumbien, 32’000 Dollar für einen Comic dazu in Peru, 2 Millionen Dollar für Geschlechtsumwandlung und «LGBT-Aktivismus» in Guatemala etc. aufgezählt.
Solche Vorwürfe gegen USAID sind schwer zu beurteilen, zumal die Website von USAID abgeschaltet wurde und nicht mehr zugänglich ist. Aber die Unterstützung von Frauen und Projekten zur Geschlechtergleichstellung sollte nicht als Grund angesehen werden, diese generell von der Förderung auszuschliessen.
Ungerechtfertigte Demontierung
Es kann gut sein, dass sich die amerikanische Regierung mit der Demontierung von USAID keinen Gefallen tut – auch nicht, wenn man dies politisch einschätzt. Zwar war Entwicklungshilfe auch in der Vergangenheit nie frei von verdeckter Politik und Einflussnahme. USAID, 1961 von Präsident John F. Kennedy ins Leben gerufen, war immer auch als Mittel der «Soft Power» gedacht.
Aber die Entwicklungszusammenarbeit nur negativ zu sehen, ist ebenso problematisch. So ist die US-Senatorin Amy Klobuchar überzeugt, dass eine Welt ohne USAID gefährlicher für die Amerikaner wäre. Sie wäre «ein Geschenk an China und Russland», die nur darauf warten würden, in das entstehende Vakuum vorzustossen.
Auch der Caritas-Weltdachverband hat in Rom vor «katastrophalen Folgen» einer Zerschlagung der US-Entwicklungsbehörde gewarnt. Die geplante Massnahme stelle einen Affront gegen die Menschenwürde dar, der unermessliches Leid verursachen würde. Die plötzliche Einstellung von USAID werde Millionen Menschen das Leben kosten und Hunderte Millionen weitere zu einem Leben in unmenschlicher Armut verurteilen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Der Propaganda-Arm der BBC, welcher pro-westliche Journalisten finanziert und «ausbildet» in Ländern, welche den USA nicht gehorchen, hat nicht bestritten, dass rund 8% ihrer Finanzen von USAID kamen. Die Chefin der China-Abteilung des Propagandainstituts ASPI, mit Sitz in Australien, aber stark finanziert durch US Rüstungskonzerne, bekannt für belegte Falschinformation über China, schrieb auf Twitter X, es sei ein «apokalyptischer Kahlschlag» für anti-KPCh «NGOs». Das NGOs von US Staatsorganen Geld erhielten, ist an sich schon ein Oxymoron. Dieser Artikel ist höchst einseitig geschrieben. Man würde sich etwas Recherche zu den veröffentlichten Daten von USAID wünschen.
»Doch es ist ein Ärgernis, wenn der reichste Mann der Welt zusammen mit dem amerikanischen Präsidenten den Ärmsten auf der Erde die Unterstützung entziehen will.»
Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich:
«Wär› ich nicht arm, wärst Du nicht reich»
(Bertold Brecht)
Als jemand, der seit 35 Jahren in Afrika privat versucht, das Leben in einer mikrokleinen Region auf dem Land wenigstens etwas zu erleichtern, muss ich Ihnen widersprechen. Sorry. Ihre Beispiele von humanitären Aktionen sind zwar löblich, können aber von jedwelcher staatlicher Entwicklungshilfe vorgeschoben werden; sie treffen den Kern nicht. USAID wurde von Anfang an als eine globale Krake genutzt, die im Dienst der amerikanischen geopolitischen Interessen zu stehen hatte. In unzähligen Fällen in Afrika, wie übrigens auch im Osten Europas, insbesondere in der Ukraine, waren die Ziele rein politischer Art: der vorgeschobene «demokratiefördernde» Ansatz diente als Vorlauf für den jeweiligen «Regime Change». Wo ich selber aktiv bin, ist dies auch so. Wikileaks präsentiert alle notwendigen Dokumente. Das mutmassliche Eigengoal der USA böte eine Chance für Europa, etwa als Migrationsprävention. Vorausgesetzt, die EZ würde – ohne Beratermafia – neu konzipiert. Auch in der Schweiz.