Sturm auf das Gewerkschaftshaus in Odessa im Jahr 2014

Protestierende gegen den Maidan-Putsch flüchteten in Odessa ins Gewerkschaftshaus. Ukrainische Nationalisten zündeten es an. © Unbekannter Zeuge

Ukraine für ihr Versagen beim Odessa-Brand 2014 verurteilt

Red. /  Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof fordert die Ukraine auf, die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen.

Red. – Dies ist ein Gastbeitrag von Pressenza.com, einer Nachrichtenagentur von ehrenamtlich tätigen Freiwilligen, die sich den Themen Humanismus, Gewaltfreiheit, Menschenrechte, Abrüstung und Nicht-Diskriminierung widmet.

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Ukraine am 13. März für ihr Versagen bei der Verhinderung und Aufarbeitung der schweren Ausschreitungen in Odessa vom 2. Mai 2014 verurteilt. Das Gericht stellte fest, dass der ukrainische Staat gegen das Recht auf Leben verstossen hat, indem er keine wirksamen Massnahmen zur Verhinderung der Gewalt ergriff, die Sicherheit der Menschen nicht gewährleistete und die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen vernachlässigte.


Infosperber hatte über das Massaker von Odessa informiert

upg. Zwei Monate nach dem Putsch in Kiew gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch gab es am 2. Mai 2014 in Odessa Demonstrationen. Fussball-Hooligans und Rechtsradikale setzten absichtlich ein Gewerkschaftsgebäude in Brand, in dem Demonstranten vor den Rechtsradikalen und Neonazis Zuflucht gesucht hatten. Mindestens 48 Menschen wurden getötet. Die Polizei schritt nicht ein. Die Regierung in Kiew hat die Verantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen.
Siehe Infosperber vom 20. September 2019: Die USA fallen im Ukrainekrieg auf ihre eigene Propaganda herein.

Mangelnde Schutzmassnahmen und unterlassene Rettungseinsätze

Laut Urteil des EGMR haben die zuständigen Behörden es versäumt, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um die Eskalation der Gewalt zwischen proukrainischen und prorussischen Gruppen zu verhindern. Besonders kritisiert wurde das Verhalten der Sicherheitskräfte, die trotz ihrer Anwesenheit nicht eingegriffen haben, um die Ausschreitungen zu stoppen und Menschen aus dem brennenden Gewerkschaftshaus zu retten.

Infolge der Gewalt starben 48 Menschen, die meisten von ihnen in dem Feuer, das in dem Gebäude ausbrach. Hunderte weitere wurden verletzt. Berichte legen nahe, dass viele Opfer in unmittelbarer Nähe der Polizei gefangen waren, als sie vergeblich versuchten, dem Flammeninferno zu entkommen.

Fehlende strafrechtliche Konsequenzen

Das Gericht rügte zudem die unzureichende strafrechtliche Aufarbeitung des Vorfalls. Die ukrainischen Behörden hätten es versäumt, eine effektive Untersuchung der Vorfälle durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der EGMR betonte, dass die Untätigkeit der Justiz eine weitere Verletzung der Menschenrechte darstellt und das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt.

Entschädigungen für die Opfer

Auf Grundlage der Klagen von 28 Überlebenden und Hinterbliebenen wurden Entschädigungen in unterschiedlicher Höhe für immateriellen Schaden sowie für Kosten und Auslagen zugesprochen. Der EGMR erklärte, dass die Ukraine die Pflicht habe, die Versäumnisse aufzuarbeiten und sicherzustellen, dass solche Ereignisse in Zukunft verhindert werden.

Politische Dimension

Das Gericht stellte fest, dass Desinformation und Propaganda aus verschiedenen Quellen zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben. Dennoch wurde die Verantwortung der ukrainischen Regierung betont, die ihrer Schutzpflicht nicht nachgekommen sei.

Das Urteil des EGMR ist ein mahnendes Signal an die Ukraine, die Ereignisse von 2014 nicht weiter zu ignorieren und die dringend notwendige strafrechtliche Aufarbeitung voranzutreiben.


Die Verurteilungen im Wortlaut

«Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die zuständigen Behörden nicht alles in ihrer Macht Stehende getan hatten, um die Gewalt zu verhindern, sie nach ihrem Ausbruch zu stoppen und rechtzeitig Rettungsmassnahmen für die im Gewerkschaftshaus eingeschlossenen Personen zu gewährleisten. Es gab daher Verstösse gegen den wesentlichen Aspekt von Artikel 2 der Konvention.»

«Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die zuständigen Behörden es versäumt hatten, eine wirksame Untersuchung der Ereignisse vom 2. Mai 2014 in Odessa einzuleiten und durchzuführen. Daher lag ein Verstoss gegen den Verfahrensaspekt von Artikel 2 der Konvention vor.»

Und zur Klage einer Frau, die Behörden hätten den Leichnam ihres Vaters monatelang nicht übergeben:

«Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Aufbewahrung des Leichnams für diese zusätzlichen Monate sinnlos gewesen sei und einen Verstoss gegen Artikel 8 der Konvention in Bezug auf Frau Vyacheslavova darstelle.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Dieser Artikel erschien zuerst bei Pressenza.com, einer Nachrichtenagentur von ehrenamtlich tätigen Freiwilligen, die sich den Themen Humanismus, Gewaltfreiheit, Menschenrechte, Abrüstung und Nicht-Diskriminierung widmet.
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Eine Meinung zu

  • am 20.03.2025 um 11:27 Uhr
    Permalink

    Das war kein Odessa-Brand, das war ein Pogrom. Auf Menschen, die sich aus dem angezündeten Gewerkschaftshaus ins Freie retten wollten, wurde geschossen! Auch Polizisten haben geschossen. Das war ein Massaker.

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