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Betretene Gesichter bei den Befürwortern der Pensionskassen-Reform nach der vernichtenden Niederlage. Die erste SRG-Umfrage hatte noch ein Ja vorausgesagt. © SRF

SRG sagte Ja zur BVG-Reform voraus – schon vergessen?

Marco Diener /  Noch im August sagte die SRG ein Ja zur Pensionskassen-Reform und zur Biodiversitäts-Initiative voraus. Sie lag kolossal daneben.

Wer über ein einigermassen intaktes Erinnerungsvermögen verfügt, staunte gestern Abend über SRF-Tagesschau-Moderator Florian Inhauser. Er sagte: «Die Umfragen hatten ein Nein zur Reform der 2. Säule vorausgesagt, aber mit so einer klaren Ablehnung haben wohl selbst die Gegner der Vorlage nicht gerechnet.»

Was Inhauser sagte, ist falsch. Die erste SRG-Umfrage hatte im August nicht ein Nein, sondern ein Ja vorausgesagt. Inhauser und seine Chefs täten gut daran, die Umfrage aus der Schublade zu holen und die daraus abgeleitete Prognose genau zu studieren.

Aus 44 Prozent wurden deren 67

Laut der damaligen SRG-Umfrage sagten im August nämlich 56 Prozent derjenigen, die sich bereits entschieden hatten, Ja zur Pensionskassen-Reform. 44 Prozent waren dagegen. (Infosperber hat die Unentschiedenen herausgerechnet, weil auch der Bund die leeren und die ungültigen Stimmen nicht mitrechnet. Siehe auch Tabelle.)

An der Urne resultierte gestern aber nicht ein Ja, sondern ein Nein. Es waren nicht die prognostizierten 44 Prozent dagegen, sondern satte 67 Prozent.

Die zweite SRG-Umfrage vom September war auch nicht viel besser. Immerhin sagte sie ein Nein voraus. Aber auch sie lag daneben. Sie prognostizierte nämlich bloss eine Nein-Mehrheit von 55 Prozent.

Ein bisschen besser lag der Tamedia-Verlag mit seinen beiden Umfragen. Diese sagten sowohl im August als auch im September ein Nein voraus. Doch das Ausmass der Niederlage von Bundesrat und Parlament sahen auch die Tamedia-Zeitungen nicht kommen.

Pensionskassen-Reform

Ja (in Prozent)Nein (in Prozent)
SRG, 1. Umfrage5644
SRG, 2. Umfrage4555
Tamedia, 1. Umfrage3664
Tamedia, 2. Umfrage3961
Abstimmungsresultat 3367

Noch schlechter als zur Pensionskassen-Reform waren die Prognosen zur Biodiversitäts-Initiative. Im August gingen sowohl SRG als auch Tamedia von einem recht deutlichen Ja aus. Im September kehrten sie ihre Prognosen ins Gegenteil um. Doch auch da lagen sie noch weit neben dem tatsächlichen Abstimmungsergebnis (siehe Tabelle).

Biodiversitäts-Initiative

Ja (in Prozent)Nein (in Prozent)
SRG, 1. Umfrage5446
SRG, 2. Umfrage4753
Tamedia, 1. Umfrage5545
Tamedia, 2. Umfrage4357
Abstimmungsresultat3763

Der Gerechtigkeit halber sei gesagt: SRF hatte schon im August betont, dass «Initiativen bis zum Urnengang erfahrungsgemäss Federn lassen» müssten. «Der Vorsprung könnte sich als zu knapp erweisen.» Und auch Tamedia betonte. «Grundsätzlich gilt es zu bedenken, dass die Zustimmungswerte bei Volksinitiativen im Verlauf der Abstimmungskampagnen üblicherweise sinken.»

Doch nicht die Relativierungen bleiben haften, sondern die Zahlen. Und überhaupt: Was sollen Umfragen und Prognosen, wenn im Voraus schon klar ist, dass es ganz anders herauskommt?

Keinerlei Nutzen

Eigentlich müssten SRG und Tamedia den Mut haben, mit den Umfragen aufzuhören. Sie stiften keinerlei Nutzen. Sie verwirren nur. Vor allem dann, wenn – wie im August bei den Prognosen zur Pensionskassen-Reform geschehen – die SRG ein deutliches Ja voraussagt, Tamedia dagegen ein deutliches Nein.

Und nebenbei: Im Juni kündigte die SRG den Abbau von 70 Vollzeitstellen an «um ab 2025 weiterhin ein ausgeglichenes Budget sicherzustellen». Im August teilte Tamedia dann mit, sogar 290 Vollzeitstellen streichen zu wollen. Umso fragwürdiger ist, dass die beiden Medienhäuser nach wie vor viel Geld in Prognosen stecken, die mal zutreffen, mal nicht.

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6 Meinungen

  • am 23.09.2024 um 14:33 Uhr
    Permalink

    Gestatten Sie mir den Kommentar, Herr Diener, aber gemäss dem Link den Sie geteilt haben, erreichte die BVG-Reform doch nur 49% und eine relative Mehrheit, worauf die Studienautoren auch hinweisen. Oder nicht?

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 23.09.2024 um 16:02 Uhr
      Permalink

      Die erste SRG-Umfrage sagte tatsächlich 49 Prozent Ja-Stimmen und 39 Prozent Nein-Stimmen voraus. Das ergibt aber zusammen nur 88 Prozent. 12 Prozent waren unentschlossen. Diese 12 Prozent haben wir herausgerechnet, weil auch der Bund die leeren und die ungültigen Stimmen nicht berücksichtigt.
      Das heisst: Von denen, die sich bereits entschieden hatten, wollten 56 Prozent Ja stimmen und 44 Prozent Nein.
      In der gestrigen Abstimmung sagten dann 33 Prozent Ja und 67 Prozent Nein.

      • am 24.09.2024 um 08:51 Uhr
        Permalink

        Gut, aber die nackten Zahlen machen ja keine Voraussage aus. Die Einordnung dieser Zahlen ist meines Erachtens genau so wichtig und dort wird sowohl der Ja-Anteil relativiert (Stichwort Regressionsanalyse) und ein Sinken des Ja-Anteils prognostiziert, falls die Gegnerschaft ihre Argumente vermitteln kann. Etwas mehr Genauigkeit wäre hoch geschätzt.

  • am 23.09.2024 um 15:31 Uhr
    Permalink

    Die Umfragen werden jeweils als «repräsentativ» bezeichnet und sollen oft eine Genauigkeit von +/- 3% o.ä. aufweisen (z.B. bei GFS Bern)! Lachhaft. Eher eine automatische Geldmaschine für die Umfrageinstitute, die danach dickfellig und frech erst noch so tun, als wäre nichts gewesen.

  • am 23.09.2024 um 23:32 Uhr
    Permalink

    Was interessant wäre ist, ob Herr Inhauser seine Ansagen und Mitteilungen von seinen Chefs vorgegeben werden oder ob er auch seine persönliche Meinung einfliessen lässt. Da meine ich nicht eine einfache Ansage zum Themawechsel, sondern zu einem politischen aktuellen Thema. Wen dem so ist, wo bleibt dann die Neutralität der SRG? Für politische Meinungen vom Sender gibt es sicher andere Sender- Gefässe..

  • am 24.09.2024 um 16:36 Uhr
    Permalink

    All diese Umfragen lassen sich derart einfach fälschen (ich könnte jetzt einen Link publizieren, mit dem ich es vor einigen Jahren ja auch belegte), dass weder SRF noch infosperber sich darauf berufen sollten/dürften. Ich habe damals versucht aufzuzeigen, dass diese Umfragen (im besten) Fall ein Witz sind.

    Damals, als ich es offensichtlich aufzeigen konnte, ein kurzer Aufschrei. Es gab gar eine Pressekonferenz von den zuständigen Personen, es kam in den Medien (Blick et al), selbst Infosperber berichtete darüber. Nur, was passierte danach? Nichts, einfach nichts.

    Dabei beeinflussen die Resultate das Wahlverhalten recht markant, bei der BVG-Abstimmung war es aber dann doch so, dass die Prognosen derart unstimmig waren, dass es nicht mehr funktionierte. Ich mein, wer mag schon freiwillig den Umwandlungssatz von 6.8 auf 6.0 senken? So blöde sind die Menschen in diesem Land dann auch wieder nicht. Das ändert aber nichts daran, dass es diese Umfragen so nicht geben dürfte.

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