Kommentar
Söder ist ein Zeitgeist-Surfer
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will erst noch Kanzler werden: Der CSU-Vorsitzende Markus Söder war es schon – nicht sehr lang, aber immerhin für eine Nacht. Zur Frankenfastnacht 2024 kam Söder nämlich als Reichskanzler Otto von Bismarck. Das sah gut aus, das sorgte für einschlägigen Gesprächsstoff, und das fügte sich prächtig in das Verwandlungsprogramm des CSU-Politikers, der beim fränkischen Fasching in Veitshöchheim auch schon als Mahatma Gandhi, als Marlene Dietrich oder als Zauberer Gandalf aufgetreten war.
Söder lässt sich nicht auf eine Rolle festlegen – im Fasching nicht und im politischen Alltag auch nicht. Das macht ihn im Fasching sympathisch, in der Politik aber unberechenbar. Söder ist berechenbar unberechenbar – hat dabei aber ein geniales Gespür für Stimmungen. Dieses Gespür hat ihm in der vergangenen Woche eingegeben, dass es Zeit ist, die Kanzlerkandidatur in der Union dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu überlassen.
Was Strauss und Söder gemeinsam haben
Es hätte Söder geschadet, die offene Konkurriererei fortzusetzen. Das hält ihn aber nicht davon ab, dem Kandidaten Merz ein künftiges Kanzlerleben schon vorab schwer zu machen – und eine Koalition mit den Grünen kategorisch auszuschließen. Man muss das aber nicht so ernst nehmen, weil die gesamte politische Karriere von Markus Söder zeigt, dass es einen kategorischen Imperativ bei ihm nicht gibt. Er ist ein Meister der Kehrtwenden.
Die Zeit, in der er sich grün gab, in der er Themen wie Klimaschutz und regenerative Energien als primäre Ziele seiner Politik ausgab, ist noch nicht so lange her. In dieser Zeit umarmte er Bäume so innig, wie es sein politisches Vorbild Franz Josef Strauss früher mit Mao gemacht hatte. In dieser Zeit – noch nicht lange her – übernahm er das höchst erfolgreiche Bienen-Volksbegehren der kleinen ÖDP und machte «Rettet die Bienen» zu seinem eigenen Gesetzesvorhaben. Söder ist ein Zeitgeist-Surfer.
Prinzipienfestigkeit hat ihm noch keiner nachgesagt. Bei Merz ist das anders. Der CDU-Mann orientiert sich, seitdem er Politiker wurde, verlässlich am Neoliberalismus. Das ist zwar eher freidemokratisch als christdemokratisch, aber es ist so. Über solche Bindungen verfügt Söder nicht. Das Verlässlichste an ihm ist seine Lust an der Inszenierung, an der Selbstdarstellung, am kleinen und grossen Auftritt. Das gilt, wenn es zur Eröffnung des Oktoberfests geht. Das gilt, wenn er als Kanzlerkandidat abtritt. Söder versuchte, den Abtritt zum Auftritt zu machen. Weil aber auch der nunmehrige Kanzlerkandidat Friedrich Merz den Auftritt liebt, wird man noch viel Auftrittskonkurrenz erleben.
Am 22.9. begann der Herbst, das Oktoberfest ist schon im Gange – der Bundestagswahlkampf ebenfalls. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Dieser Kommentar des Kolumnisten und Autors Heribert Prantl erschien zuerst als «Prantls Blick» in der «Süddeutschen Zeitung».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ich komme zurück auf einen Vorschlag unseres verstorbenen Baierischen Heimatpatrioten Georg Lohmeier, der einst vorschlug, Edmund Stoiber zum Ersatzkönig zu ernennen: „Die Heimat seufzt nach einem schönen König – nicht, weil wir unbedingt einen brauchen, sondern weil es schöner wär!“
Anstatt Stoiber könnten wir Markus Söder zum König machen. Er könnte sich dann in einer der goldenen Kutschen aus dem Schloss Nymphenburg vom Volk bejubeln lassen. Das Volk könnte sich dann an seinem «schönen König» erfreuen und er könnte seine Wunschrolle als «Möchtegern Wittelsbacher» nach Belieben ausleben 😉
Vielleicht hat H.Prantl gar nicht so unrecht mit seiner Hypothese vom wandlungsfähigen Bayern.
Funktionieren wird es aber sicher nicht. Das könnte durchaus anders aussehen, wenn er nicht nur optisch im Fasching, sondern auch persönlich-intrinsisch ein Bismarck wäre. Sieht man mal von allen der damaligen Zeit zuzuschreibenden politischen Handlungen Bismarcks ab, dann wäre heute ein solcher Mann als Kanzler nicht die schlechteste Wahl. Haben wir einen solchen Mann ? Also F.Merz ist es nun ganz sicher NICHT – und M.Söder natürlich auch nicht, selbst wenn er sich um 180° wandeln würde. Seien wir froh, einen Mann wie Kanzler Scholz zu haben – auch wenn ich einige Dinge entschieden anders machen würdeals er.
letzten endes bestimmen die transatlantiker was hier abläuft