Zweite Gotthardröhre: Dieses war der erste Streich
In seinem neuesten «Infrastrukturbericht» macht der Schweizer Wirtschaftsdachverband Economiesuisse klar, wie es nach einem allfälligen Ja zum Bau einer zweiten Autobahnröhre am Gotthard in der Abstimmung vom 28. Februar weitergehen soll. An einer Medienkonferenz präsentierte Verbandspräsident Heinz Karrer das Papier mit «Prioritäten für die nächsten Monate» und «Forderungen für die neue Legislatur» des Bundesparlaments.
Unter dem Titel «Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für den Strassengüterverkehr» fordert Economiesuisse eine Aufhebung des in der Schweiz generell geltenden Nachtfahrverbots für Lastwagen (22.00–05.00 Uhr). Wörtlich heisst es im Papier: «Das Nachtfahrverbot für den Binnen- und Import-/Exportverkehr auf der Strasse soll flexibilisiert werden. Der Wechsel vom Nacht- auf ein Tagfahrverbot für den Transitgüterverkehr auf vordefinierten Korridoren wäre eine innovative Massnahme, um die bestehenden Kapazitäten effizienter auszulasten.»
Raum für Mehrverkehr
Im Infrastrukturbericht setzt der Wirtschaftsdachverband zwei zusammenhängende verkehrspolitische Ziele mit sich summierenden Wirkungen: Bauliche «Engpassbeseitigungen» im Strassen- und Autobahnnetz – zum Beispiel der jetzt im Abstimmungskampf von der Tunnelbau- und Transportlobby mit massivem Aufwand propagierte Bau einer 2. Autobahnröhre am Gotthard –sollen auf Schweizer Autobahnen und Strassen physisch Raum für Mehrverkehr schaffen. Organisatorische Massnahmen, z.B. die geforderte Aufhebung des Nachtfahrverbots für Lastwagen, sollen eine rationellere Nutzung der Strassen bringen und so eine weitere Steigerung des Lastwagenverkehrs ermöglichen. Beide Massnahmen erhöhen die Anziehungskraft der Schweizer Autobahnen im europäischen Massen-Transportgeschäft und lassen den Transitverkehr weiter zunehmen. Mit Folgen für den Autoverkehr.
In den Interessenabwägungen der Schweizer Verkehrspolitik spielt der Grundsatz des Nacht-und Sonntagsfahrverbots für Lastwagen zwischen 22 und 5 Uhr seit langem eine wichtige Rolle. Dass der Wirtschaftsdachverband jetzt die Liquidation dieser Sonderregelung in Angriff nehmen will setzt ein deutliches Zeichen, was vom zentralen Versprechen der Tunnellobby im laufenden Abstimmungskampf, die neue Röhre würde ohne Kapazitätssteigerung nur einspurig genutzt, zu halten ist. Nach der im Infrastrukturbericht von Economiesuisse deklarierten Logik gehört diese Nutzungsbeschränkung zu den produktivitätshindernden Regulierungen. Deren zügige Aufhebung wäre voraussehbar eine neue «innovative Massnahme zur Effizienzsteigerung».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.