Wolfs-Abschuss: Die Wald-Lobby wird ignoriert
«Der Schuss auf den Wolf trifft auch den Wald», kommentierte der Schweizerische Forstverein die Entscheide des National- und Ständerats, den Wolfsschutz stark zu lockern. Der Wolf soll in Zukunft präventiv geschossen werden können, das heisst bevor Schaden entstanden ist und auch dann, wenn keine Herdenschutzmassnahmen ergriffen wurden.
Wegen des Entscheids des Parlaments befürchtet der Forstverein «mögliche negative Folgen für unseren Wald – auch im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels». Denn der Wolf habe «eine positive indirekte Wirkung auf die Waldverjüngung, indem er insbesondere den Rothirsch bejagt und reguliert». Verschiedene Untersuchungen zeigten bei Luchspräsenz «eine positive Wirkung auf die Waldverjüngung» und das Wolfsrudel am Calanda habe «bereits die Wilddichte nach unten korrigiert».
Der Forstverein hat «bei jeder Gelegenheit betont, dass die Beurteilung der Waldverjüngung für das Management von Grossraubtieren als entscheidende Grundlage miteinbezogen werden muss». Doch seine Rufe verhallten sprichwörtlich im Wald.
Der Schweizerische Forstverein ist bestens mit den Ämtern vernetzt
Diese krasse Ignoranz der Forstinteressen erstaunt sehr. Denn der Schweizerische Forstverein ist fachlich bestens bestückt, vernetzt in Kantons- und Bundesämtern sowie in Forschungsanstalten und nicht irgendein extremes Grüpplein. Zu den Mitgliedern zählen rund 800 Fachleute aus den Bereichen Wald, Wildtiere, Landschaft, Naturgefahren, Naturschutz, Biodiversität, Raumplanung, Recht, Bauwesen, Soziologie und Gesundheit. Präsident des Forstvereins ist Jean Rosset, Forstinspektor im Kanton Waadt, und im Vorstand sitzen auch zwei Vertreter des Bundesamts für Umwelt (Bafu).
Allein in der Arbeitsgruppe Wald und Wild, welche unter anderem die Position des Forstvereins zum Wolf formuliert, sitzen 35 Fachpersonen. Die Arbeitsgruppe wird von Maurus Frei, Leiter der Fachstelle Wald der Abteilung Wald und Naturgefahren des Kantons Glarus, präsidiert. Er ist gleichzeitig Leiter und Mitglied der fünfköpfigen Kerngruppe der Arbeitsgruppe. Zur Kerngruppe gehören auch Sandro Krättli vom Bündner Amt für Wald und Naturgefahren, Michiel Fehr von der Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald, Olivier Schneider vom Bafu und Claudio Signer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Gebirgswaldpflegegruppe ist gegen Wolfs-Abschuss
Neben dem Forstverein gibt es eine weitere Gruppe, die den Wolf als indirekten Waldschützer befürwortet und sich gegen einen erleichterten Abschuss ausspricht, nämlich die Gebirgswaldpflegegruppe (GWG), in der die Forstdienste aller Schweizer Kantone zusammengeschlossen sind, aber auch die Professur Waldökologie der ETH Zürich, die Abteilung Wald des Bafu, die Fachstelle für Gebirgswaldpflege in Maienfeld, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf sowie diverse weitere Bildungszentren.
Präsident der Gebirgswaldpflegegruppe ist Beat Fritsche, Vize-Chef der Abteilung Wald und Natur des Kantons Appenzell Ausserrhoden. In der Gebirgswaldpflegegruppe vertreten ist auch die Konferenz der Kantonsförster (KOK) und der Schweizerische Forstverein. Selbst die beiden wolfskritischen Gebirgskantone Graubünden und Wallis stellten Vertreter, nämlich Marco Vanoni vom Bündner Amt für Wald und Naturgefahren sowie Roland Métral und Philipp Gerold von der Walliser Dienststelle für Wald, Flussbau und Landschaft. Letzterer wurde kürzlich zum neuen Chef der Walliser Dienststelle für Wald, Flussbau und Landschaft ernannt.
Grosses Misstrauen gegen die Kantonsverwaltungen
Infosperber wurde bereits 2013 ein internes Arbeitspapier der GWG zugespielt, in dem die GWG «die natürliche Rückkehr des Wolfes in die Schweiz» begrüsste: «Die GWG betrachtet den Einfluss des Wolfes auf die Schalenwildarten als erwünschten Beitrag zur Regulierung der Wildbestände.»
Doch was hält die Gebirgswaldpflegegruppe heute davon, dass der National- und Ständerat den Wolf zum Abschuss freigeben will, und zwar auf Druck der Walliser Hardliner-Ständeräte Jean-René Fournier (CVP) und Beat Rieder (CVP) sowie – etwas moderater – des Bündner CVP-Ständerats Stefan Engler?
Wer die GWG-Internetseite durchsucht, findet zum Thema Wolf und Wald kein einziges Wort. Dennoch wurde Infosperber fündig, und zwar in der Stellungnahme der GWG zum revidierten Jagdgesetz, gut versteckt in einem 648-seitigen Dokument auf der Internetseite des Bafu. Darin redet die GWG, in der notabene viele Kantonsbeamte Mitglied sind, Klartext:
«Die Sicherstellung der Verjüngung in den Schutzwäldern und in den Gebirgswäldern allgemein, sowie die vom Bund empfohlene Anpassung der Baumartenmischungen an den Klimawandel ist nur möglich, wenn der Einfluss des Wildes gegenüber heute stark reduziert wird. Vor diesem Hintergrund begrüsst die Schweizerische Gebirgswaldpflegegruppe die derzeit stattfindende Rückkehr der Grossraubtiere Luchs und Wolf in die Schweiz.»
Eine stärkere Bejagung der Grossraubtiere lehne die Gebirgswaldpflegegruppe derzeit «strikt ab». Mit der Lockerung des Wolfschutzes werde eine weitere Ausbreitung des Wolfes in unserem Land verhindert und «bereits erkennbare positive Auswirkungen der Präsenz des Wolfes auf unsere Ökosysteme werden leichtfertig aufs Spiel gesetzt.»
Auffallend ist das grosse Misstrauen, das die mit Kantonsbeamten gespickte Gebirgswaldpflegegruppe den eigenen Kantonsregierungen entgegenbringt, die künftig mehr Kompetenzen beim Wolfs-Abschuss erhalten sollen: «Wir lehnen die Verschiebung der Kompetenzen vom Bafu zu den Kantonen darum klar ab.» Sonst sei zu befürchten, dass «Kantone nach Anhörung des Bafu gegen dessen Empfehlungen handeln und unter dem Druck von Partikularinteressen» Wölfe abschiessen.
Wallis und Graubünden frontal gegen die Wald-Lobby
Im krassen Widerspruch zu den Argumenten des Forstvereins und der Gebirgswaldpflegegruppe steht die Stellungnahme des Kantons Wallis:
«Der Kanton ist aufgrund der bisher im Zusammenhang mit dem Wolf gemachten Erfahrung der Ansicht, dass ein langfristiges Zusammenleben mit dem Grossraubtier Wolf nur möglich ist, wenn dieser jagdbar ist. Der Wolf wird nur so konsequent lernen, sich von Menschen und Siedlungen sowie Nutztieren fern zu halten. Mit der Jagdbarkeitserklärung des Wolfes übernimmt der Kanton die alleinige Verantwortung für diese Tierart und kann deren Management den regionalen und lokalen Gegebenheiten anpassen. Jeder Kanton behält damit seine Eigenständigkeit im Umgang mit dieser Tierart.»
Die Argumente der Wald-Lobby werden in der Stellungnahme des Kantons Wallis, dessen Wälder notabene zu 90 Prozent Schutzwaldfunktion haben, komplett ignoriert und am Schluss sogar «als nicht bewiesen» abgekanzelt:
«Ohne Zweifel beeinflussen Wolfsbestände die Lebensraumnutzung und -beanspruchung der Schalenwildbestände. Dass dadurch Probleme bei der Waldverjüngung gelöst werden, ist nicht bewiesen. Dieser Einfluss beruht auf Annahmen und Vermutungen und wurde bisher weder empirisch noch wissenschaftlich bewiesen.»
Auch der Kanton Graubünden erwähnt in seiner Stellungnahme mit keinem Wort die Sicht der Wald-Lobby, insbesondere die Sicht der Wald-Experten der Fachstelle für Gebirgswaldpflege am Bildungszentrum Wald in Maienfeld (GR), aber auch der eigenen Beamten im Amt für Wald und Naturgefahren. In der Formulierung sind die Bündner allerdings zurückhaltender als die Walliser.
Die Proteste des Forstvereins blieben ungehört
Innerhalb der kantonalen Verwaltungen der Kantone Wallis und Graubünden haben sich die Wolfsgegner, also die Jäger- und Schäfer-Lobby, zu 100 Prozent durchgesetzt. Die Wolfsgegner heulten lauter und animierten die Vertreter der Kantone zu radikalen Vorstössen im National- und Ständerat und das Walliser Parlament sogar zu einer Standesinitiative mit dem Titel: «Wolf. Fertig lustig!».
Unter dem Druck der Wolfsgegner ist auch der Bundesrat eingeknickt und ist ihnen mit dem Entwurf des Jagdgesetzes sehr weit entgegengekommen. Trotzdem hat das Parlament den Wolfsschutz noch weiter aufgeweicht.
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Siehe dazu auch:
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
So werden leider auch andere Interessenkonflikte in der Gesellschaft zunehmend entschieden (nicht gelöst), mit Wortgewalt und autoritärer Macht ohne Auctoritas, Vernunft u. Verstand.
So geht der innere Frieden im einzelnen und der Gesellschaft zunehmend verloren.
Die allergrössten Grossraubtiere sind grenzenlos habgierige Menschen, um mit den Machtmitteln ihre nie zu stillende Macht- und Geltungs-Sucht auszutoben.
Wölfe sind dagegen wenigsten innerhalb des Rudels vorbildlich sozial.
Die nährende Wölfin war das Wappentier des republikanischen Roms.
Der Mensch ist ein Gott für den Menschen,
wenn sich Menschen durch Gerechtigkeit, Liebe und alle Tugenden des Friedens der Ähnlichkeit mit Gott (als Axion für DAS Gute) nähert.
Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen,
wenn bei der Verdorbenheit der bloss Eigennützigen selbst die Guten ihres Schutzes wegen, die kriegerischen Methoden, die Gewalt und die Arglist, d. h. die Raubsucht der wilden Tiere nach aussen, zu Hilfe nehmen müssen.
( Versuch einer zeitgemässen Interpretation von Thomas Hobbes – Homo homines lupus-. Der Unterschied von innerhalb und zwischen Staaten ist heute aufgehoben. )