Wir ergänzen Medien mit relevanten Informationen
In die weltweite Finanzkrise schlitterten die Medien halbblind. Von ihrer «Wachhund»-Funktion war nichts zu spüren. Im Gegenteil: Warner hatten wenig Chancen, sich beim Fernsehen und bei den Zeitungen Gehör zu verschaffen – sie wurden in die Rolle der Rufer in der Wüste verdrängt. Die Hoheit der Information blieb bei der Bankenlobby. Symptomatisch: Noch heute darf eine Bank die Börsensendung sponsern, die das Schweizer Fernsehen zur besten Sendezeit vor der Tagesschau ausstrahlt.
Medien in finanziellen Nöten verlieren an Freiheit. Faits divers, PR-Meldungen und People-Klatsch verdrängen über den Unterhaltungsteil hinaus relevante Informationen, auf die Bürgerinnen und Bürger angewiesen wären, um sich gut informiert eine eigene Meinung zu bilden. Darum braucht es eine unabhängige Plattform, welche die grossen Medien mit relevanten Informationen ergänzt. Das zeigen folgende weitere Beispiele:
China kontrolliert Piräus
2008 reiste Chinas Präsident Hu Jintao nach Griechenland und brachte dort den Containerhafen von Piräus für die nächsten 35 Jahre unter die Kontrolle Chinas. Die chinesische Staatsfirma Cosco Pacific Ltd übernahm bis 2044 die Pacht und das Management. Mit Investitionen von über vier Milliarden Franken baut China den griechischen Hafen zur zweitwichtigsten Container-Drehscheibe Europas aus; grösser wird nur Rotterdam bleiben. Logistikzentren und neue Eisenbahnlinien sollen Piräus zum Umschlagplatz des chinesischen Handels im ganzen östlichen Mittelmeer machen. Chinas Einstieg im Piräus war typisch für Chinas wirtschaftliche Expansionspolitik auch in Afrika und Südamerika.
Doch über die Handelsexpansion Chinas in Griechenland informierten damals lediglich die Zeitung «Le Temps» mit einem grösseren Artikel sowie die Basler Zeitung mit wenigen Zeilen. Mit zweijähriger Verspätung kam auch ein Bericht in der NZZ. Das war’s. Die Tagesschau und andere Medien fanden das Ereignis nicht erwähnenswert.
Keine neuen Pisten in London
Die Lobby des Luftverkehrs war schockiert: Die britische Koalitionsregierung unter Premierminister David Cameron hatte 2010 den Bau neuer Flugpisten im Raum London verboten. Das Land könne sich nicht auf Klima-Ziele verpflichten und gleichzeitig das «Party-Fliegen» fördern. Wochenendflüge an spanische Strände oder Studentenreisen nach Prag oder Reykjavik rechtfertigten weder die zusätzliche Klimabelastung noch den zusätzlichen Lärm, begründete Cameron.
Das Bauverbot für neue Pisten gilt sowohl für die internationale Drehscheibe von Heathrow, deren Ausbau seit Jahren umstritten ist, als auch für Londons Flughäfen Gatwick und Stansted. «Grossbritannien ist das erste Land, das den Flugverkehr wegen der Klimabelastung einschränkt», sagte Peder Jensen, Verkehrsspezialist bei der Europäischen Umweltagentur in Kopenhagen. In Schweizer Medien war das Ausbauverbot für Londons Pisten kaum eine Zeile wert, obwohl neue Pisten und Pistenverlängerungen auch in Zürich die Bevölkerung intensiv beschäftigen. Journalisten, die jubeln, wenn der Flughafen und die Swiss die Zahl der Passagiere steigern können, waren offensichtlich verunsichert, ob sie die Meldung aus London als Hiobs- oder als Frohbotschaft vermitteln sollten.
Strom: Beispiel Kalifornien
In der Schweiz ist der Stromverbrauch pro Kopf seit 1978 um fünfzig Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum blieb er in Kalifornien stabil, so dass Kalifornien heute pro Kopf weniger Strom verbraucht als die Schweiz. Als ich 1983 als Chefredaktor der Berner Zeitung zusammen mit Hans Haldimann einen Stromreport veröffentlichte, der die kalifornische Strompolitik mit derjenigen der Berner BKW verglich, trug dies wesentlich zu meiner Absetzung als Chefredaktor bei. Der Verlag machte klar, dass die Stromlobby nicht anzutasten sei. Bis heute ist das Beispiel Kalifornien in Schweizer Medien weitgehend tabu geblieben.
Wie hat es Kalifornien fertig gebracht, den Stromverbrauch pro Kopf seit über dreissig Jahren stabil zu halten und damit mehrere Kernkraftwerke einzusparen? Der Staat hat dafür gesorgt, dass die Gewinne der privaten Energiekonzerne nicht mehr vom Stromabsatz abhängen. Folglich haben die Konzerne keinen Anreiz und kein Interesse mehr, ihren Stromabsatz zu steigern. Mit den eingeführten Regeln können sie ihre Gewinne nur noch steigern, wenn sie mit finanziellen Anreizen dafür sorgen, dass ihre Kunden weniger Strom verbrauchen.
Wäre der Pro-Kopf-Verbrauch auch bei uns stabil geblieben, könnten die drei Kernkraftwerke Mühleberg, Leibstadt und Gösgen ersatzlos stillgelegt werden. Dem Beispiel Kalifornien sind einzelne andere US-Bundesstaaten unterdessen gefolgt – gegen den Willen der Stromlobby. Die meisten Schweizer Stromunternehmen dagegen belohnen mit ihren Tarifen wachsenden Verbrauch weiterhin mit beträchtlichen Mengenrabatten.
Hochgestecktes Ziel
Solche Beispiele übersehener, verdrängter oder im schlimmsten Fall aus Rücksicht auf Wirtschaftsinteressen unterdrückte Informationen haben mich bewogen, eine unabhängige Plattform zu realisieren. Diese soll die Auftritte grosser Medienkonzerne mit relevanten Informationen ergänzen. Dieses ambitiöse Ziel werden wir nur schrittweise erreichen können, am Anfang nur punktuell. Die Mittel sind bescheiden, das Projekt gemeinnützig. Es ist auf lange Frist angelegt. Wer dafür arbeitet, tut dies weitgehend unentgeltlich. Diesem Idealismus steht eine Garantie gegenüber: Infosperber gehört weder einem Unternehmen noch einer Einzelperson, die das publizistische Konzept eines Tages verändern oder die Plattform sogar verkaufen könnte.
Damit Infosperber seine Ziele unabhängig von Personen langfristig verfolgen kann, habe ich die «Schweizerische Stiftung zur Förderung unabhängiger Information» SSUI gegründet, die unter Aufsicht des Eidgenössischen Departements des Innern steht. Lesen Sie Näheres via Link «Über uns» unten auf der Webseite. Im Impressum finden Sie auch die engagierten Redaktorinnen und Redaktoren, die bereits beim Start dabei sind.
Offen für alle
Infosperber ist in zweierlei Hinsicht eine offene Plattform. Erstens ist sie offen für alle Journalistinnen und Journalisten, welche die publizistischen Richtlinien akzeptieren und die Ziele der Plattform unterstützen (Kontaktadresse: redaktion@infosperber.ch). Es ist eine Plattform für Recherchen, übersehene oder vernachlässigte, aber relevante Informationen, sowie für pointierte Kommentare. Infosperber will die dominierenden Medien in der Schweiz nicht konkurrenzieren, sondern ergänzen. Es gibt keinen Pflichtstoff.
Zweitens ist Infosperber für alle kostenlos zugänglich. Die Beiträge auf dieser Plattform dürfen in ungekürzter Form weiter verbreitet werden, sofern sie mit einer korrekten Quellenangabe gekennzeichnet werden. Infosperber schafft damit ein Gemeingut, das dem Gemeinsinn verpflichtet ist.
Am 29. März 2011 startet Infosperber offiziell. An der Vorbereitung waren viele Köpfe beteiligt. Als Stiftungsratspräsident möchte ich allen, die am optischen Auftritt, dem Programmieren und an der Erarbeitung des inhaltlichen Konzepts beteiligt waren, meinen grossen Dank aussprechen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Präsident des Stiftungsrats der Schweizerischen Stiftung zur Förderung unabhängiger Information SSUI.
Ich begrüsse das Ansinnen des Infosperbers und wünsche der Unternehmung alles Gute.
MfG Uwe Böhm