Kommentar

Wenn der Walliser Vulkan nur noch raucht

Kurt Marti © Christian Schnur

Kurt Marti /  Zur Zeit wundern sich die Deutschschweizer Printmedien über die Zustände im Wallis. Ein Blick in den Spiegel kann nicht schaden.

Darbellays Seitensprung, Freysingers Eskapaden und jetzt noch ein Wahlbetrug. Das Wallis hat in den Deutschschweizer Printmedien Hochkonjunktur. Vorläufig, denn sobald der Vulkan nur noch raucht, haben sie das Wallis längst wieder ausgesteuert und sich aufs Matterhorn und den Wolf reduziert.

Dann bleibt der Walliser Patient wieder sich selbst überlassen. Wie in der Vergangenheit als das Schweigen der Walliser Medien durch das Schweigen der Deutschschweizer Medien ergänzt wurde. Kein Wunder, dass das Wallis zur Bananenrepublik degenerierte.

In den Jahren von 2000 bis 2010 habe ich in der «Roten Anneliese» reihenweise über Missstände im Wallis berichtet. Mit wenigen Ausnahmen zeigten die Schweizer Medien daran kein Interesse.

Und als ich 2012 das Buch «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz» veröffentlichte, hat keine einzige, grosse Deutschschweizer Zeitung ihre Leserschaft mit einer Rezension darauf hingewiesen.

Im krassen Gegensatz zu diesem Desinteresse der Deutschschweizer Zeitungsredaktionen waren die LeserInnen des «Beobachters» der Meinung, es brauche solchen investigativen Regionaljournalismus, und haben mit ihren Stimmen dafür gesorgt, dass ich 2013 den «Prix Courage» erhielt.

Die meisten Deutschschweizer Zeitungen betreuen das Wallis aus der Ferne. Während die Medienkonzerne saftige Gewinne schreiben, werden die Redaktionen finanziell schmal gehalten und personell ausgedünnt. Eigene JournalistInnen vor Ort sparen sich die meisten Redaktionen. Viele Berichte über das Wallis zeugen deshalb von beschränkter regionaler Kenntnis.

Nicht selten versuchen die RedakteurInnen ihr Wissens-Manko mit schnellen Telefonaten oder Mails zum freien Journalisten vor Ort zu kompensieren. So haben mich in der Zeit des Walliser Wahlkampfs zahlreiche Journalisten von Printmedien kontaktiert und versucht, mein Informations-Reservoir anzuzapfen – alles zum Nulltarif versteht sich.

Wenn die Deutschschweizer Printmedien heute ob der Walliser Verhältnisse staunen, dann könnte gelegentlich der Blick in den Spiegel nicht schaden, damit sie erkennen, dass auch ihre Redaktionen durch bequeme Abstinenz zum Malaise beigetragen haben.

Die Schweiz hört eben nicht an der Grenze von Zürich beziehungsweise Züri West auf. Und auch wenn der Walliser Vulkan nur noch raucht, brodelt es darunter immer noch weiter.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war von 2000 bis 2010 Redaktor der Oberwalliser Zeitung «Rote Anneliese». Er ist Autor des Buches «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz».

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 28.03.2017 um 16:02 Uhr
    Permalink

    Das Wallis und Graubünden interessieren in der Restschweiz (aka «Üsserschwyz», das sagt ja auch etwas) für Ferien und sonst nicht viel. Es muss in der Peripherie, sei es im Wallis oder in Graubünden, gesellschaftlich sehr schräg abgehen, dass dies in der Restschweiz interessiert. Das ist schon sehr auffällig. Warum nur? Ich denke es liegt daran, dass die Medien in diesen Kantonen — Kurt Marti ausgenommen —, selbst sehr auffällig obrigkeitsgläubig und konfliktscheu sind. Anders ist das kaum erklärbar. Das Argument in diesem Beitrag ist zwar anders herum und das Argument hat schon auch etwas, denn die Lokalmedien könnten sich nicht so leicht bedeckt halten, wenn die nationalen Medien den Kanton thematisierten, aber die freiwillige Gleichschaltung der lokalen Medien ist als Hauptursache kaum zu übersehen: Warum sollen sich Leute und Medien anderswo dafür interessieren, was im Wallis oder in Graubünden schief läuft, wenn sich nicht einmal die Walliser oder Bündner (Medien) selbst dafür interessieren? Tun sie nicht. Und das ist schon halbwegs verständlich. Gut ist es nicht.

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