Wenn den Zugvögeln die Insekten davonfliegen
Zu den Verlierern unter den Vögeln gehören die Langstreckenzieher, die Insektenfresser, die Bodenbrüter, die Feuchtgebietsbewohner und die Klimaflüchtlinge. Etliche Angehörige dieser Gruppen figurieren schon länger in der Roten Liste der gefährdeten Arten. Wenn nichts zu ihrem Schutz unternommen wird, kommen sie uns abhanden.
Weit geflogen, schlecht gelandet
Vögel, die im Winter hier bleiben oder nur in den Mittelmeerraum ziehen, haben sich in den letzten zwanzig Jahren gut gehalten. Das gilt unter anderem für Buchfink und Kohlmeise, das Rotkehlchen und die Mönchsgrasmücke. Die Zugvögel hingegen, die es bis jenseits der Sahara und in den Süden Afrikas zieht, befinden sich in stetigem Sinkflug. Dazu gehören unter andern die Mehlschwalbe, der Gartenrotschwanz, der Grau- und der Trauerschnäpper.
Gartenrotschwanz: Sein Bestand ist im Mittelland eingebrochen. © M.Ruppen
Die Vögel sind auf dem langen Zugweg und in den Überwinterungs-Gebieten grossen Gefahren ausgesetzt: Ihnen drohen Wetterkapriolen, Jagd, Verlust von Rastplätzen und negative Veränderungen in den Winterlebensräumen. Ihr Ausbleiben liesse sich also mit allen problematischen Einflüssen ausserhalb unseres Landes erklären.
Die Fachleute der Vogelwarte sehen aber klare Indizien, dass der Hauptgrund für das Desaster nicht im Ausland, sondern hierzulande liegt: In den höheren Lagen der Schweiz haben die Langstreckenzieher, zu denen die Vogelwarte 30 Arten zählt, bei weitem nicht so viel Federn lassen müssen wie im intensiv bewirtschafteten und vom Menschen allgemein stärker beeinflussten Tiefland. Es ist somit hauptsächlich der Zustand der Lebensräume im Mittelland, der zu den grossen Verlusten führt.
Es fehlt an Insekten
Die Vögel, die im Winter das Weite suchen, sind Insektenfresser und bewohnen bei uns mehrheitlich offenes Land und Feuchtgebiete. Ihnen würde in Feld und Flur zum Überwintern die Insektennahrung fehlen. Inzwischen sind die Insekten aber in der intensiv bewirtschafteten Kulturlandschaft mit den wenigen geschützten Biotopinseln zunehmend auch im Sommer rar geworden. Es ist die Rede von einem grossen Insektensterben in der Kulturlandschaft, das durch langjährige Beobachtungen in Deutschland mit Zahlen belegt wurde. Bei uns fehlen solche Studien weitgehend. Aber eigentlich ist es nur logisch, dass die Nahrungsmasse sich verringert, wenn nachgewiesenermassen so viele Insektenarten – Schmetterlinge, Bienen, Käfer, Heuschrecken, Libellen – selten geworden sind. Ältere Menschen erinnern sich zudem: Früher war, im Gegensatz zu heute, die Frontscheibe nach einer Autofahrt voller totgefahrener Insekten.
Es hapert mit den Brutplätzen
Bei etlichen gefiederten Afrikareisenden kommt ein weiterer Faktor dazu, der ihren Bruterfolg schmälert: Als Folge des Klimawandels wird es im Frühling früher warm, die Insekten entwickeln sich schneller. So verfehlen Vögel, die von ihrer langen Reise erst relativ spät im Frühling zurückkehren, allenfalls den Zeitpunkt, wo am meisten Nahrung für ihre Brut verfügbar ist.
Je nachdem, wo die Vögel ihre Bruten aufziehen, kommen weitere Risikofaktoren dazu: Der Trauerschnäpper beispielsweise nistet in Höhlen und hat das Nachsehen, wenn diese bei seiner Rückkehr schon durch brütende Meisen oder Feldsperlinge besetzt sind.
Trauerschnäpper: Probleme mit Klimawandel, Insekten- und Höhlenangebot. © M.Ruppen
Die Mehl- und Rauchschwalben brauchen für ihre Nester Lehm, den sie auf unbefestigten Wegen und Plätzen früher in weit grösserem Umfang fanden als heute. Zwar lassen sie sich mit Nisthilfen fördern, aber dazu sind sie auf den Einsatz und die Toleranz von Menschen angewiesen.
Vögel fliehen aus Düngerland
Insektenfresser leiden unabhängig davon, ob sie kurz oder weit ziehen, unter der intensiven Landwirtschaft. Dünger lässt in Wiesen und Weiden das Gras und konkurrenzstarke Kräuter schnell und dicht wachsen. Die Vielfalt an Kräutern schwindet und damit die Insektenvielfalt. Der häufige Schnitt der gedüngten Wiesen schadet den Insekten zusätzlich. Neben dem Rückgang an Futter haben die Vögel damit zu kämpfen, dass sie in der lückenlosen Vegetation schlecht an die Insekten herankommen. Wendehals, Gartenrotschwanz, Heidelerche, Neuntöter und Feldlerche sind Opfer davon.
Wendehals: Er lenkt Feinde mit Verdrehen des Halses ab, hat aber keinen Trick gegen Nahrungsmangel. © M.Ruppen
Die Feldlerche ist besonders verletzlich, weil sie am Boden brütet und ihre Bruten wegen der kurzen Mähintervalle nicht mehr hochbringt. Das Braunkehlchen, das als Bodenbrüter bereits vor längerer Zeit in höhere Lagen umgezogen ist, hat sogar dort im Bergland grosse Mühe; mehr darüber hier auf Infosperber. Ein weiterer Bodenbrüter, die Grauammer, brütet nur noch in geringer Zahl in der Schweiz. Als Samenfresser fehlen ihr Brachflächen im Ackerland, aber auch genügend Insektennahrung während der Jungenaufzucht. Ähnlich ergeht es dem Rebhuhn, das sich in der Schweiz kaum mehr halten kann.
Wenn die strukturreichen Weiden und mageren Rasen auch in den Alpen und im Jura zunehmend gefährdet sind, lässt das einen weiteren Rückgang der Vogelbestände und der Biodiversität befürchten. Deshalb sind Naturschützer alarmiert, dass dort neuerdings eine besonders brachiale Intensivierungsmethode zu beobachten ist: Unebene, strukturreiche Naturwiesen werden mit Steinfräsen ausgeebnet, um sie, neu angesät, intensiver nutzen zu können. Es ist das Gegenteil dessen, was zur Förderung der Kulturlandvögel zu tun wäre.
Düngerland ist überall
Übermässig gedüngt werden nicht nur Wiesen und Äcker. Der Stickstoff verflüchtigt sich auch in die Luft und düngt damit flächendeckend alle Böden, selbst Magerwiesen und Feuchtgebiete. Darauf reagiert beispielsweise der Wiesenpieper, der aus intensiv beweideten Gebieten und verbuschten Mooren verschwindet. In Wäldern, wo der Dünger aus der Luft am Boden einen dichten Bewuchs aus Brombeeren und Brennesseln fördert, verabschiedet sich der Waldlaubsänger. Dessen Bestand hat sich aus nicht vollständig geklärten Gründen seit der letzten Atlaserhebung (1993-96) halbiert.
Waldlaubsänger: Der Bewohner von Buchenwälder ist selten geworden. © M.Ruppen
Die Vögel der Feuchtgebiete zählen am meisten Vertreter in der roten Liste der gefährdeten Arten: Bekassine und Grosser Brachvogel sind am Verschwinden, andere Bewohner von Ried und Schilf sind selten geworden. Sie haben viel Lebensraum verloren, aber nicht erst in den letzten zwanzig Jahren. Die grossen Moore sind schon früher geschwunden – fragmentiert und vernichtet durch Siedlungen, Strassen und Äcker.
Der Mensch übergeht alles
Für den Verlust nicht nur an Vögeln, sondern an Biodiversität insgesamt sind Politik und Gesellschaft als Ganzes verantwortlich: Die wirtschaftliche Entwicklung ist heilig, menschliche Ansprüche gehen über alles, wie wenn die Natur nicht unsere Lebensgrundlage wäre. Neue Strassen, neue Bahntrassen, Radwege, Mountainbike-Trails, Skigebiete, Ställe, Gewächshäuser, Windräder, Kraftwerke, Deponien, Endlager, Flugobjekte aller Art, Schottergärten usw. lassen den Raum für pflanzliches und tierisches Leben schmelzen. Auf dem reduzierten Boden für die Nahrungsmittelproduktion holen auch die Bauern alles heraus, um irgendwie mitzukommen. In diesem Courant normal hat die Natur einen geringen Stellenwert. Für bedrohte Pflanzen und Tiere einzustehen, wird an die unterdotierten Naturschutz-Fachstellen der Kantone und die Umweltorganisationen delegiert.
Quelle: Knaus Peter et al., Schweizer Brutvogelatlas 2013-2016, Schweizerische Vogelwarte Sempach
Nächste Folge: Wie Wohnumfeld und Freizeitbetrieb sich auswirken
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Das liegt auch an unserem Tierschutzgesetz, da geht es immer um Güterabwägung und wer gewinnt? Immer der Mensch. Als ausgebuffter Egoist macht er immer seine Rechte und Ansprüche geltend!
Die Insekten sind gar nicht geschützt und werden durch Dünger, Bläser usw die immer mehr zunehmen und die Biodiversität gegen Null steuern! Das Tierschutzgesetz müsste dementsprechend auch bei Nicht Säugetieren einen Grundschutz zugestehen um das Schlimmste zu verhindern!
Die Bauwirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus, Freizeit, Chemie und Pharma haben eine super Lobby die Natur hat keine Lobby und wird bedenkenlos verpestet, reguliert, kaputt gemacht und zerstört.
Erst wenn die Bienen sterben und die Böden verseucht sind und wir keine Nahrung mehr produzieren können werden die Menschen erwachen. Wir sollten aber schon lange diese irrsinnigen Entwicklungen in der Landwirtschaft (ersetzen mit terra Preta und Permakultur, dh. Bio Produkte), vergiften des Bodens und des Wassers, die kriminelle Verseuchung durch die Chemie sollte die Chemie bezahlen und nicht die Bürger die nutzlosen Nano Partikel Filtern in der Abwasser Reinigung Anlagen betreiben. Die Ursachen dieses Wahnsinns müssen sofort gestoppt werden: Verbot von: Kunstdüngern und Pestiziden, Nano Partikeln, Plastik reduzieren, unnütze Medikamente verbieten.
Die Schauspieler Politiker könnten sich einmal beweisen, ob es Ihnen gleichgültig ist die Natur noch mehr zu zerstören oder endlich einmal einen Halt zu machen um etwas zu ändern !