Sperberauge
Weniger Neat-Züge als möglich
«Ab Ende 2016 gilt folgendes Konzept: Mit der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels (GBT) können tagsüber pro Stunde und Richtung 2 Personenzüge und 4 Güterzüge verkehren». Das teilte SBB-Mediensprecher Reto Schärli am 19. Mai auf Anfrage mit (siehe Infosperber «Die Neat im Konflikt zwischen Tempo und Kapazität»). Er bestätigte damit frühere Informationen.
Doch «können» heisst offenbar nicht, dass es tatsächlich so sein wird. In ihrer Medienmitteilung vom 30. Mai unter dem Titel «Eine halbe Stunde früher im Süden» schreiben die SBB zum Neat-Fahrplan-Entwurf: «Ab Ende 2020 fahren die Züge zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin halbstündlich statt stündlich und zwischen Zürich und Mailand stündlich statt zweistündlich.» Erst ab Ende 2020? Und wie steht es ab Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels Ende 2016?
Eine Rückfrage bei den SBB ergibt: Gemäss Fahrplan-Entwurf fahren ab 11.Dezember 2016 (Fahrplanwechsel) alle zwei Stunden nur drei (statt vier) Züge pro Richtung durch den neuen Gotthard-Basistunnel nämlich:
- Ein EC Zürich—Mailand
- Ein IC Zürich—Lugano
- Ein IC Basel—Lugano
«Am Wochenende», so heisst es schwammig weiter, «werden am Morgen und Abend zusätzliche Züge eingesetzt.»
Im Vergleich zu heute wird das Angebot für den alpenquerenden Personenverkehr also nicht erweitert. Denn schon heute fahren in der Regel alle zwei Stunden zwei Intercity- und ein Euro-City-Zug von Arth Goldau über die Gotthard-Bergstrecke ohne Halt bis Bellinzona.
Neu erzielen die drei erwähnten Züge auf der Strecke Arth-Goldau—Bellinzona immerhin einen Zeitgewinn von einer halben Stunde.
Auf der Gotthard-Bergstrecke verkehrt – wie heute – weiterhin jede Stunde ein Interregio-Zug, wobei die Benutzer in Erstfeld in einen Regionalzug umsteigen und zusätzliche Halte in Kauf nehmen müssen. Die direkte Verbindung von der Deutschschweiz nach Locarno fällt damit weg.
Auch die angekündigten «vier Güterzüge pro Stunde und Richtung», welche der Gotthard-Basistunnel ab 2016 aufnehmen «kann», sind nicht in Fels gemeisselt. Dazu schreiben die SBB: «Im Güterverkehr wird der Markt entscheiden, wie das Angebot genutzt wird.»
Bei diesem Fahrplan handelt es sich allerdings erst um einen Entwurf. Einwände dagegen sind möglich und können im endgültigen Fahrplan berücksichtigt werden.
Nachtrag: Als obiger Text nach Veröffentlichung der SBB-Medienmitteilung geschrieben wurde, war der SBB-Fahrplan-Entwurf ab Ende 2016 noch nicht online. Jetzt ist er. Damit lässt sich folgendes präzisieren:
– Die oben angegebene Verteilung der drei Züge stimmt nicht ganz: Von den zwei IC-Zügen alle zwei Stunden fahren die meisten ab Zürich. Das heisst: Die Passagiere, die ab Basel/Luzern ins Tessin reissen, müssen in Arth Goldau öfter umsteigen als die Zürcher.
– Schon heute fahren alle zwei Stunden zwei Intercity-Züge über die Bergstrecke von der Deutschschweiz nach Lugano. Dazu kommen pro Tag mehrere EC-Züge, die schon heute direkt nach Mailand weiter fahren. Gegenüber heute bringt die Neat in der Regel also keine zusätzlichen Personenzüge.
– Etwas grösser als die erwähnte «halbe Stunde» ist der Zeitgewinn, den der Gotthard-Basistunnel den Reisenden aus dem Raum Zürich bringt: Ab Ende 2016 verkürzen die schnellsten Züge die Fahrt von Zürich nach Lugano um 33 Minuten auf noch zwei Stunden und acht Minuten, von Basel nach Lugano um 30 Minuten auf 3 Stunden 13 Minuten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Leider ist der Titel «weniger NEAT-Züge als möglich» ziemlich missverständlich. Auf den Personenverkehr bezogen ist er sogar eindeutig falsch. Statt zu spekulieren wann wo vielleicht wieviele Züge fahren würden und dann in die schwammigen Aussagen etwas falsches hinein zu interpretieren, könnte man auch ganz einfach nachsehen: http://www.fahrplanentwurf.ch/fileadmin/sta_pdf_fields/2017/600.pdf
Hier ist klar erkennbar, dass nicht drei, sondern vier Züge in zwei Stunden verkehren.
Ein ganz anderes Kapitel ist der Güterverkehr. Auch hier ist die Aussage falsch:
der Gottahrd-Basistunnel könnte je nach Geschwindigkeit und Anzahl der Reisezüge eine unterschiedliche Anzahl Güterzüge aufnehmen. Bei dem jetzt gewählten Fahrplangangebot wären es theoretische sechs Güterzüge (3 mit 100km/h und 3 mit 120km/h). Da man allerdings auf die notwendige Sortieranlage vor den Portalen verzichtet hat (aus regionalpolitischer Rücksichtnahme in Uri), sind davon nur 4-5 nutzbar. Gegenwärtig sind es nur vier; dies liegt jedoch an den Kapazitätsbeschränkungen auf den Zufahrtsstrecken wegen dem laufenden Ausbau des 4m-Korridors (der zu spät beschlossen und gebaut wurde).
Interessant zu wissen ist, dass die Gotthard-Bergstrecke 6 GZ pro Stunde und Richtung bewältigen konnte (4 Regel- und 2 fakultative Züge). Dieser Wert sank mit der Einführung der Neigezüge und dem um 30min versetzten EC auf 4 Züge.
Somit bringt der sündhaft teure Basistunnel nicht die geringste Steigerung bei der Zugzahl…
Federico Rossi irrt. Es sind – über den ganzen Tag betrachtet – tatsächlich pro zwei Stunden und Richtung nur drei Personenzüge, die durch den Gotthard-Basistunnel verkehren. Zur Illustration aus dem Fahrplan-Entwurf die Züge ab Tagesbeginn, die ab Ende 2016 werktags von Arth-Goldau durch den Gotthard-Basistunnel ohne Halt bis Bellinzona fahren:
Arth Goldau ab: 6.50, 7.50, 8.18. 8.50, 9.50, 10.18. 10.50, 11.50, 12.18. 12.50, 13.50, 14.18. Etc. Ergibt also zum Beispiel von 6.49 bis 14.49 über acht Stunden 12 Züge oder eben pro zwei Stunden drei Züge.
Bezüglich Güterzüge gibt es zwischen den Aussagen von Rossi und meinen Neat-Artikeln «Neat im Konflikt zwischen Tempo und Kapazität» vom 25. Mai und «Weniger Neat-Züge als möglich vom 31. Mai» keinen Widerspruch. Es ist also nichts «falsch».
Hanspeter Guggenbühl