Sperberauge
Walliser Boten der Pressefreiheit
Die Pressefreiheit im Wallis ist in Gefahr, weil der Sportreporter des «Nouvelliste» die Spiele des FC Sitten nicht mehr von seiner bequemen Presse-Loge aus anschauen darf, sondern selber ein normales Eintritts-Billett kaufen muss. Der FC-Sitten-Präsident Christian Constantin hat einen einjährigen Boykott gegen die Unterwalliser Zeitung ausgesprochen, weil er und der Chefredaktor des «Nouvelliste» sich in den Haaren liegen.
Umgehend hat der «Walliser Presseverein» Alarm geschlagen und in einem Artikel im «Nouvelliste» von «einem inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit» gesprochen. Denn es ist klar, dass der Sportreporter des «Nouvelliste» sofort seine Kritikfähigkeit und seine Unabhängigkeit verliert, wenn er auf einem normalen Zuschauer-Sitz Platz nehmen muss. Denn er kann nur frei und kritisch schreiben, wenn er in der Sportreporter-Loge sitzt, die ihm König Constantin grosszügig zur Verfügung gestellt hat.
Boykott-Traditon des «Walliser Boten»
Wenn es um die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse geht, kann traditionsgemäss auch der «Walliser Bote» (WB) ein Wörtchen mitreden, denn das ist seit Jahrzehnten eines seiner Steckenpferde. Den Boykott gegen den «Nouvelliste» hält das Oberwalliser Blatt für «unglaublich und nicht akzeptierbar» sowie einen «Schlag gegen die freie Meinung». Es brauche «kritische und unabhängige Medien mehr denn je», denn «Constantins» gebe es im Wallis viele.
Tatsächlich: «Constantins» gab und gibt es im Wallis viele. Beim Thema «Boykott» spricht der WB sozusagen aus eigener Erfahrung, denn im Jahr 2007 weigerte sich der WB-Verleger weiterhin Inserate der «Roten Anneliese» (RA) im WB zu publizieren, und zwar nicht nur für ein Jahr, sondern auf immer und ewig.
Zwei Jahre später übte sich das Regionalblatt erneut im Boykott: Nachdem der WB die Angriffe der Walliser Justiz gegen mich als RA-Redaktor kritiklos weiterverbreitet hatte und das Bundesgericht mich schliesslich in allen Punkten freisprach, boykottierte die WB-Redaktion meine Pressemitteilung zum Freispruch und druckte einzig die Medienmitteilung der unterliegenden Walliser Justiz ab.
Kantonalbank-PR vom Feinsten
Apropos «kritische und unabhängige Medien»: Am 13. Juli publizierte der WB einen langen PR-Beitrag über die Kantonalbanken. Alles, was dem WB zu den Kantonalbank-Löhnen einfiel, war der Satz: «Gut bezahlte Arbeitsplätze». Über die Millionen-Saläre der Kantonalbank-Manager schwieg sich das Lokalblatt vornehm aus.
Kein Wunder: Im Verwaltungsrat der «Mengis Druck und Verlag AG», die den WB herausgibt, sitzen der VR-Präsident der WKB, Pierre-Alain Grichting, und der langjährige WKB-Verwaltungsrat Jean-Pierre Bringhen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war von 2000 bis 2010 Redaktor der «Roten Anneliese» und hat darüber das Buch «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz» geschrieben.
Ja ja, die Pressefreiheit. Ein grosses Wort – ein weiter Begriff. Der nicht allerorts in seiner wirklichen Bedeutung erfasst wird. Zum Beispiel beim Walliser Presseverein, der einen «inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit» ortet, weil dem Sportreporter des «Nouvelliste» der Zutritt zur Presseloge in einem Fussballstadion verwehrt und er verpflichtet wurde, ein normales Eintrittsticket zu erwerben.
Nun denn: Adressat der in Art. 17 der Bundesverfassung garantierten Medienfreiheit (sie umfasst nicht nur die Presse, sondern auch Radio und TV) und übrigens aller anderen Grundrechte in der Bundesverfassung ist immer DER STAAT. Es ist DER STAAT, der an allen Fronten, bei der Rechtsetzung, dem Vollzug und in der Jurisdiktion, die Grundrechte respektieren muss. Der PRIVATE hingegen ist (abgesehen von der sog. Drittwirkung der Grundrechte, d.h. der Ausdehnung auf Private, die aber – gelinde gesagt – einigermassen umstritten ist), nicht an die Grundrechte gebunden. Es steht dem FC Sion als privatrechtlichem Verein also frei, einem Medienschaffenden den Eintritt in sein Stadion ganz zu verwehren bzw. – wie hier – Eintritt zu verlangen. Damit ist die Pressefreiheit überhaupt NICHT verletzt. Etwas erstaunlich, dass ein Presseverein, von dem man eine gewisse Professionalität erwarten dürfte, hier von einem «Angriff auf die Pressefreiheit» schwadroniert.