Walliser Autobahn-Akteure unter Vormundschaft
Mit Pauken und Trompeten feierte die Walliser Polit-Prominenz im Beisein von Bundesrätin Doris Leuthard sieben Kilometer Oberwalliser Autobahn. Eine grandiose Lastwagen-Parade fuhr über das Teilstück zwischen Leuk und Gampel, als wäre die Autobahn im Oberwallis bereits fertig gebaut. Doch nach 40 Jahren sind erst 10 Kilometer befahrbar. Immer noch fehlen zwei Drittel der Strecke. Es herrschen sizilianische Verhältnisse, wie Infosperber bereits vor vier Jahren zeigte.
Anlässlich der Eröffnung des Teilstücks zwischen Leuk und Gampel stöhnten die Autobahn-Verantwortlichen über den sumpfigen Untergrund. Weit sumpfiger als der Walliser Boden gebärdete sich allerdings das kantonale Baudepartement, das seit jeher in CVP-Hand liegt und das seit Jahrzehnten mit Misswirtschaft beim Bau und der Planung der Autobahn A9 durchs Oberwallis auftrumpft.
Finanzkontrolle redet Klartext
Kaum waren die Motoren der Lastwagen-Parade verstummt, flogen dem Walliser Baudepartement – genauer gesagt dem Walliser Amt für Nationalstrassenbau (ANSB) – die Fetzen um die Ohren. Ausgerechnet am Nikolaustag zückte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Rute und publizierte ihren Prüfbericht zur Autobahn A9.
Laut EFK-Bericht ist das Walliser Amt für Nationalstrassenbau «noch nicht auf dem erwarteten Qualitätsniveau angekommen». Als Sofortmassnahme verlangt die EFK vom ANSB, «die Ausschreibungsreife wie auch die daraus folgenden Ausschreibungsunterlagen von Projekten gebührend zu prüfen, die ausreichende Dokumentation von Ausführungsprojekten sicherzustellen und den Prozess zur Behandlung von Nachträgen zu vervollständigen.»
Die sparsame Verwendung der Steuergelder (96 Prozent durch den Bund) sei «momentan durch eine überdurchschnittlich enge Begleitung des Astra (Bundesamt für Strassen; Anm. d. Red.) unterstützt und gewährleistet». Damit das Astra seine Projektbegleitung auf «ein normales Mass reduzieren» könne, verlangt die EFK vom Kanton Wallis, eine temporäre externe Führungsunterstützung einzusetzen. Und die EFK droht: Falls die ANSB das geforderte Niveau nicht innert nützlicher Frist erreicht, soll das Astra «weitere Massnahmen umsetzen.» Im Klartext: Das Wallis steht unter der Vormundschaft des Astra.
Mit der Kritik der EFK ist ein vorläufiger Höhepunkt in einer jahrzehntelangen dilettantischen Autobahn-Planung im Oberwallis erreicht. Dabei ist es der EFK hoch anzurechnen, dass sie noch nicht alle Hoffnung auf Besserung hat fahren lassen, wenn sie den Walliser Autobahn-Bauern mit wohldosiertem Lob sogar Mut macht: Das ANSB habe «immer wieder Verbesserungen und Optimierungen an seinen Strukturen und Prozessen vorgenommen».
Jahrelange Ignoranz und Omertà
Wer den Bau der Autobahn in den letzten 15 Jahren kritisch verfolgt hat, der hat grosse Mühe, an eine grundlegende Besserung zu glauben. Denn die Kritik des Bundes, aber auch des Walliser Finanzinspektorats, wiederholt sich zum x-ten Mal und immer ging es mehr oder weniger im selben Stil weiter.
Das Autobahn-Debakel hat seine Wurzeln im Walliser Baudepartement, in der CVP und in der jahrelangen Ignoranz und Omertà der regionalen Medien. Als ehemaliger Redaktor der «Roten Anneliese» (RA) habe ich erstmals im Jahr 2002 über die mangelhafte Ausschreibungspraxis des ANSB berichtet und danach immer wieder.
Das kantonale Baudepartement liess sich von den RA-Reports ebensowenig beeindrucken wie die Vertreter der CVP, die die Fäden zogen. Auch die regionalen Medien (Walliser Bote, Regionalzeitung, Regionaljournal und Schweiz aktuell von SRF sowie Radio Rottu) schwiegen. (siehe Autobahn-Kapitel im Buch «Tal des Schweigens: Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz»)
Anlässlich der Eröffnung des Teilstücks Leuk-Gampel legte CVP-Bundesrätin Doris Leuthard gegenüber dem Regional-TV «Kanal 9» ihre schützende Hand über ihre Walliser Parteifreunde aus: «Man sollte jetzt nicht mehr lange in die Vergangenheit schauen, sondern man kann aus all diesen Erfahrungen zehren und schauen, dass es in Zukunft klappt und besser gemacht wird. Ich glaube, das zählt am Schluss und nicht, dass man da sicher auch ein paar schwierige Fälle gehabt hat.»
Ganz neue Töne vom «Walliser Boten»
Auffallend kritisch berichtete der «Walliser Bote» (WB) über die Eröffnungsfeier: Dem Oberwallis sei «nicht zum Feiern zumute». Zu viel sei «in den vergangenen Jahrzehnten schiefgelaufen». Die «unschöne Vergangenheit» verlange «nach einer lückenlosen Aufarbeitung». Gleichzeitig dürfe «für den restlichen Autobahnbau keine Zeit mehr vergeudet werden».
Keine Freude an dieser Kritik hatten offenbar die Autobahn-Verantwortlichen, denn drei Tage später begründete der WB seine Kritik im Editorial auf der Frontseite: «Alle jubeln. Der WB ist kritisch. (…) Wir applaudieren am Wegrand unserer Protagonisten jahrein, jahraus gewiss genug. Es ist aber genauso unsere Aufgabe, ja Pflicht, Projekte und Tätigkeiten mit einer unabhängigen Meinung zu begleiten und die Auswirkungen kritisch zu hinterfragen. Es ist der Job ernst zu nehmender Medien, auf vermeintliche Schwachstellen und Fehler hinzuweisen. Die Erfahrung lehrt, dass diese Rolle grundsätzlich niemand bestreitet. Ausser die jeweils Kritisierten, die sich rasch missverstanden und unkorrekt behandelt fühlen.» Das sind ganz neue Töne vom Oberwalliser Regionalblatt. Über den Prüfbericht der EFK berichtete der WB gar am Tag vor dessen offizieller Veröffentlichung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war von 2000 und 2010 Redaktor der Oberwalliser Zeitung «Rote Anneliese».
Ich lese Martis Artikel über das Wallis immer oder wenigstens fast immer mit Vergnügen und auch Gewinn. Die journalistisch vielleicht gewichtigste Kompetenz ist die Lokalkompetenz, sofern der Schreibende – wie Marti – nicht einfach Bestandteil des lokalen Filzes ist. Dies gilt letztlich auch global. Je nachdem müsste man die Krim, Kolumbien, Banat in Rumänien, Nebraska, Chiapa in Mexiko jeweils lokal kennen, um ein kompetentes Urteil jenseits von blosser «Weltmeinung» zu gewinnen. Selbst auch ein Milliardenreich wie China findet am Ende im lokalen Alltag statt. Noch von grossem Interesse wäre es zu wissen, wo in Nordkorea gehungert wird. Das ist aber schwieriger in Erfahrung zu bringen als die regionalen Verkehrsverhältnisse im Wallis und dass nun selbst der Walliser Bote offenbar etwas kritischer geworden sei. Dabei gab und gibt es dort mit Herrn Grichting einen kulturhistorisch sehr kompetenten Mitarbeiter. Nicht uninteressant wäre es ausserdem zu erfahren, wie es mit den Walliser katholischen Fundamentalisten weitergegangen ist. Selber habe ich mich mit denjenigen vor etwa 40 Jahren etwas näher befasst. Zugegebenermassen bin ich bei diesem Thema wohl nicht mehr ganz auf der Höhe.
Der Kanton Wallis ist der grösste Nehmer-Kanton der Schweiz. Da ist Filz und Korruption nicht weit entfernt. Die Mischung aus bigottem Katholizismus und freisinniger Clevernes muss zwangsläufig solche Auswüchse hervorbringen. Und wie in irgend einem afrikanischen Land werden munter Wildtiere getötet. Es passt alles zusammen. Das Wallis ist eine Schande für die Schweiz, und es wäre besser, man würde diese Üsserschwyz in die Unabhängigkeit entlassen. Das eingesparte Geld könnte man ja dann der Flüchtlingshilfe zu kommen lassen. Oder so.
@Eine lächerliche Beschimpfung eines Kantons und einer Bevölkerung mit kulturellem Profil, womit ich nicht nur den einzigartigen Geschichtenreichtum und die unglaubliche Victorine Biner aus Zaniglas meine, eine der originellsten und weisesten Frauen der Schweiz, wäre vielleicht vor Jahrhunderten in einen Hexenprozess geraten. Klar ist der Wolf in Baselstadt beliebter als bei den Schwarnasenschafzüchtern, deren Kultur ich im Buch «Magisch Reisen Schweiz» zu beschreiben versuchte. Im übrigen hat das Wallis stets auch seine eigene Opposition gehabt, womit ich nicht nur Bodenmann und Marti meine. Was die Flüchtingstradition betraf, so kamen die Hugenotten und Waldenser schon um 1688 über den Theodulpass, von dort in reformierte Kantone wie Waadt, Genf, Neuenburg und Bern weiterwandernd. Ihr Motto «lieber hungern, als dem Gastland zur Last fallen».