Wärme-Kraft-Kopplung: Stromkonzerne sind gefordert
Red. Der Wirtschaftshistoriker Wolfgang Hafner beschäftigt sich seit Jahren mit den Energie- und Finanzmärkten. Er war als Marktexperte Mitglied der Arbeitsgruppe «Marktmacht und Transparenz» des Bundesamtes für Energie BFE.
Gigantische Staumauern, kilometerlange unterirdische Stollen, riesige Kavernen mit Turbinen, dampfende Atommeiler: Es sind diese Kathedralen des Industriezeitalters, die als Zeugen vergangener grosser Zeiten noch immer die Strategien der Schweizerischen Elektrizitätswirtschaft bestimmen. Dieses Weltbild hatte in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts seine Berechtigung als die Elektrizitätswirtschaft eng verbunden mit den grossen Industrieunternehmen des Landes (BBC, Sulzer, Georg Fischer, von Roll) war.
Doch diese grossen Industrieunternehmen gibt es heute kaum mehr oder dann haben sie sich zu high-tech- oder spezialisierten Unternehmen gewandelt. Die Schwerindustrie und mit ihr andere energieintensive Branchen sind in der Schweiz weitgehend verschwunden. Entstanden ist eine vielfältige, sich dezentral, aber auch global orientierende Dienstleistungs- und high-tech-Schweiz.
Konsumenten haben sich gewöhnt
Wider die vielfältige, auch häufig unübersehbare Entwicklung, setzen die grossen Elektrizitätsunternehmen weiterhin auf grosstechnologische Lösungen, wie der jüngsthin erfolgte Bau von kostspieligen Speicheranlagen zeigt. Es ist das Denken der Schwerindustrie mit deren Vorstellung von der Effizienz grosser Anlagen, welche das Verhalten der Strom-Manager der grossen Strom-Unternehmen prägt. Dass jeweils bei der Übertragung auch Verluste entstehen, wird nicht miteinberechnet. Der stark von staatlichen Einflüssen abhängigen Stromwirtschaft fällt es offensichtlich sehr schwer, sich an die sich wandelnde Wirtschaft zu adaptieren.
Diese Haltung wird von der Mehrheit der Konsumenten unterstützt, da sie sich an die Situation gewöhnt haben, dass der Strom einfach aus der Steckdose bezogen werden kann. Und doch, so erklärte Ursula Sladek, Gründerin des alternativen deutschen Elektrizitätswerks Schönau, anlässlich einer Tagung zur Wärme-Kraft-Kupplung in Brugg, es sei wichtig, dass sich die Konsumenten aus dieser allseits akzeptierten Bevormundung durch die Stromproduzenten und -lieferanten lösen würden. Nur so würde sich ein verändertes Bewusstsein zu Elektrizität herausbilden.
WKK-Anlagen produzieren Strom und Wärme
Mit der Photovoltaik sind erste Schritte hin zu teilweiser Eigenständigkeit unternommen worden. Daneben haben sich aber in einem allerdings geringeren Umfang auch andere Formen der dezentralen Stromerzeugung etabliert wie etwa die Wärme-Kraft-Kopplung, bei der aus der gleichen (meistens fossilen) Energiequelle gleichzeitig sowohl Wärme als auch Strom gewonnen werden können, was den Wirkungsgrad der eingesetzten Brennstoffe beträchtlich erhöht.
Diese kleinen, auf dezentrale Nutzung – der Transport von Wärme ist teuer – ausgelegten Anlagen haben in der letzten Zeit in der Schweiz in Abhängigkeit von der Förderungspolitik der einzelnen Elektrizitätswerke an Bedeutung gewonnen. Zunehmend wird etwa der Eigenverbrauch von selbst produziertem Strom gefördert und die Rückspeisung ins Netz besser vergütet. Allerdings rechnen sich WKK-Anlagen bei den heutigen Energiepreisen und insbesondere dem geringen Preisunterschied zwischen Gas und Elektrizität vor allem bei mittelgrossen Anlagen. Diese Anlagen lohnen sich dort, wo ein konstanter Wärmebedarf besteht. Das begünstigt eine lange Betriebszeit der Anlage, was wiederum die Rentabilität merklich verbessert.
CO2-Ausstoss kann gegen null reduziert werden
Die Wärme-Kraft-Kopplung hat in den Augen vieler Anhänger einer umweltfreundlicheren und sicheren Energieproduktion einen wesentlichen Nachteil: WKK-Anlagen werden meistens mit fossilen Brennstoffen betrieben. Deren Verbrennung führt zu einem CO2-Austoss. Entsprechend werden WKK-Anlagen von den Vertretern einer dem absoluten Umweltschutz verpflichteten Energiepolitik abgelehnt. So etwa verlangten kürzlich 43 Wissenschafter der ETH in einem Vorstoss, dass die Emissionsgrenzwerte für CO2 bei beheizten Wohnflächen schrittweise auf null gesenkt werden. Neubauten sollen diesem Ziel innert sechs und bestehende Gebäude innert 18 Jahren nachkommen. Konkret würde dies den Einsatz beispielsweise von WKK-Anlagen in Neubauten praktisch verunmöglich.
Woher jedoch der Strom stammen soll, der die von den Wissenschaftern unter anderem vorgeschlagenen Wärmepumpen antreiben soll, bleibt offen. Offen bleibt auch wieviel «graue Energie» in den einzelnen Anlagen steckt. Dabei kommt den Vorstufen, beziehungsweise der Prozesskette, die der eigentlichen Energieerzeugung vorgelagert ist, eine entscheidende Bedeutung zu. Je nach dem wie die Uran-Brennstäbe hergestellt worden sind, kann beispielsweise der Strom aus Atomenergie einen beträchtlich höheren CO2-Ausstoss pro erzeugte Strommenge erreichen als etwa der Strom aus WKK-Anlagen. Der Anteil an CO-2-Austoss kann bei diesen Anlagen ohnehin durch die Beimischung oder den ausschliesslichen Betrieb mit Biogas stark und im Extremfall gegen null reduziert werden.
So haben viele vorgeschlagene «Lösungen» für die Energiewende aus umweltpolitischer Sicht ihre Vor- und Nachteile. Bedingt durch den vor allem in den Sommermonaten anfallenden Strom aus Photovoltaikanlagen und die gleichzeitig weiterbetriebenen Atom- und Kohlekraftwerken besteht zur Zeit ein Strom-Überfluss in der sonnenreichen Jahreszeit. So konnten dieses Jahr in den Sommermonaten alle schweizerischen Atomkraftwerke vom Netz gehen, ohne dass sich die oft erwähnte Stromlücke zeigte. Gedeckt wurde diese Stromlücke jedoch zumindest teilweise auch durch Stromimporte von Kohlekraftwerken aus Deutschland mit ihrem hohen CO2-Ausstoss. Je nach Rechnungsart – wird bloss der Anteil des CO2 an der Stromproduktion oder auch ein erhöhter Anteil für die Wärmeproduktion verrechnet – liegt der CO2-Austoss bei Braunkohlekraftwerken rund 3 bis 10mal so hoch wie bei Wärme-Kraft-Kopplung.
Atomausstieg ohne Import von deutschem Kohlestrom
Doch sollen einmal die schweizerischen Atomkraftwerke abgeschaltet und nicht auf den in den deutschen Kohlekraftwerken produzierten Strom zurückgegriffen werden, so bleibt als Ausweichsmöglichkeit vor allem für die kalten Wintermonate nur die Wärme-Kraft-Kopplung. Der ständige Bedarf an neuen Heizungen ist gegeben, bestehen doch zur Zeit viele Ölheizungen mit über 20 Betriebsjahren, die – laut dem CEO der Industriellen Betriebe Brugg, Eugen Pfiffner – in nächster Zukunft ersetzt werden müssen. Daneben besteht als eine weitergehende Perspektive die Möglichkeit der Konvergenz der Netze, wie die Direktorin des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie, Daniela Decurtins, erklärte: Damit ist vor allem die Aufspaltung von überschüssigem Strom durch die Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gemeint, wobei der Wasserstoff dem Erdgas beigemischt werden kann.
Wesentlich für die Umsetzung dieser Zukunftsmodelle ist jedoch die Bereitschaft auch der stromproduzierenden Branche, sich von den bisherigen Vorstellungen zu lösen und neue Versorgungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Während dieser Prozess vor allem bei verschiedenen Stadtwerken und industriellen Betrieben bereits in der Praxis erprobt wird, zeigen die grossen Strom-Konzerne eher Mühe, sich auf diesen Prozess einzulassen, bedeutet er doch auch einen Macht- und Kontrollverlust ihrer bisherigen Positionen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Wolfgang Hafner ist Wirtschaftshistoriker und beschäftigt sich seit Jahren mit den Energie- und Finanzmärkten.