Vergiftung des Grundwassers*
«Damit die Qualität des Grundwassers in der Schweiz langfristig garantiert werden kann, sind die Kantone angehalten, raschmöglichst die Zuströmbereiche auszuscheiden. Mit einer angepassten Nutzung der Zuströmbereiche können ein nachhaltiger Schutz der Wasserversorgung und eine gute Trinkwasserqualität garantiert werden.» Das antwortete der Bundesrat auf zwei Motionen der Solothurner Nationalräte Felix Wettstein (Grüne) und Kurt Fluri (FDP). Sie hatten rasch finanzielle Mittel gegen die Chlorothalonil-Verschmutzung im Trinkwasser gefordert. Das Problem der bundesrätlichen Antwort: Mit diesem Vorgehen wird es Jahrzehnte dauern, bis das Chlorothalonil-verseuchte Wasser nicht mehr aus den Wasserhahnen läuft.
«Selbstverständlich unterstütze ich, dass die Kantone die Zuströmbereiche der Grundwasserfassungen schützen», sagt Motionär Wettstein. «Bloss können die Wasserversorger nicht darauf warten, bis die Wirkung der Schutzzonen greifen.» Er fordert deshalb einen Fonds, ähnlich dem Altlastenfonds, mit dem den Wasserversorgern finanziell unter die Arme gegriffen wird, damit sie mit dem Bau von Leitungen oder mit dem Erschliessen neuer Quellen schnell wieder für sauberes Wasser sorgen. In die gleiche Richtung zielte der Vorstoss Fluri, der eine verursachergerechte Finanzierung forderte. Auch er verlangte rasches Handeln und Geld vom Bund. «Für die längere Frist zeigen die beiden hängigen Volksinitiativen (Trinkwasserinitiative, Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide) und die Agrarpolitik 2022 den Weg zu sauberem Wasser auf.»
Pestizide, Fungizide, Herbizide – alles im Grundwasser
Chlorothalonil ist nur einer der Problemstoffe, mit denen das Trinkwasser verschmutzt wird: An mehr als der Hälfte der Grundwasser-Messstellen der Schweiz findet man Rückstände von Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden. In intensiv ackerbaulich genutzten Gebieten werden solche Rückstände gar in über 90 Prozent der Messstellen nachgewiesen. Chlorothalonil ist da nur das aktuellste Beispiel dafür: Von 2008 bis 2018 wurden in der Schweiz zwischen 32 und 66 Tonnen pro Jahr verkauft. Es war somit eines der meistverkauften Pestizide, eingesetzt vor allem in der Landwirtschaft aber auch auf Rasen oder Golfplätzen. Syngenta hat in der Zwischenzeit eine Beschwerde gegen das Verbot erhoben, da es gegenteilige Ansichten über die Gefährlichkeit gebe.
Chlorothalonil wird noch jahrelang im Wasser bleiben
Am stärksten ist das Grundwasser durch den Metaboliten Chlorothalonil R471811 belastet. (Quelle: Bafu)
Die EU hatte Chlorothalonil Anfang 2019 als wahrscheinlich krebserregend und die Abbaustoffe davon als potentiell gesundheitsgefährdend eingestuft, was sowohl in der EU und auch in der Schweiz zu einem Verbot führte. Für das Trinkwasser gilt seither ein Grenzwert für Abbauprodukte des Fungizids von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) Mitte Mai in der ersten landesweiten Messung herausfand, liegen die Konzentrationen von zwei schädlichen Chlorothalonil-Abbaustoffen (sogenannten Metaboliten) in einigen Fassungen sogar bei mehr als 1 Mikrogramm pro Liter. Basierend darauf könne abgeschätzt werden, dass an mehr als der Hälfte aller Messstellen im Mittelland der Wert von 0,1 Mikrogramm pro Liter überschritten werden dürfte, schreibt das Bafu. Und weiter: «Da sich Grundwasser relativ langsam erneuert und die Metaboliten von Chlorothalonil ausgesprochen langlebig sind, ist davon auszugehen, dass diese Verunreinigungen die Grundwasser-Qualität noch während Jahren in grösserem Ausmass beeinträchtigen werden.» Wie lange Giftstoffe in Grundwasservorkommen verbleiben, zeigt das Herbizid Atrazin: Obwohl seit mehr als zehn Jahren verboten, finden sich immer noch Rückstände davon.
Nitrat – Problem erkannt, aber nicht gelöst
Grösstes Problem – und das seit mehr als 40 Jahren – ist aber das Nitrat. Es ist diejenige Substanz, welche Grenzwerte mit Abstand am häufigsten übersteigt.
Unzählige Wasserfassungen haben zu hohe Nitratwerte – und das seit Jahrzehnten! (Quelle: Bafu)
In Gebieten, die massgeblich von Acker- und Gemüsebau geprägt sind, lagen die Werte an 40 Prozent der Messstellen über dem Grenzwert von 25 Milligramm pro Liter. Über das ganze Land verteilt wurde der Grenzwert an deutlich mehr als jeder zehnten Messstelle überschritten. Nitrat wird kaum an Bodenpartikel gebunden, löst sich gut in Wasser und ist daher hoch mobil. Überschüssiges Nitrat, das nicht von den Pflanzen aufgenommen wird, kann rasch aus dem Boden ausgewaschen werden und ins Grundwasser einsickern.
Seit Jahrzehnten weiss man, dass weniger Düngeraustrag das Problem lösen würde. Aber offenbar reichen auch die strengeren Vorgaben des Bundes nicht aus, das Wasser sauber zu halten. Der Bund fordert die Kantone auf, die Grundwasservorkommen zu schützen, diese wiederum geben die Verantwortung an die Gemeinden und die Wasserversorger weiter.
Beim Nitrat hat man sich derart an die Verschmutzung gewöhnt, dass die Wasserversorger eine Karte mit Suchfunktion aufschalten, über die der Nitratgehalt der lokalen Wasserfassung in Erfahrung gebracht werden kann. Die Wasserversorger warnen auch: «Nitrate werden im Körper von Säuglingen und Kleinkindern teilweise zu Nitrosaminen umgewandelt. Diese können krebserregend sein.» Mit dieser öffentlich kundgegebenen Information leitet man die Verantwortung nochmals weiter – dorthin, wo auch das belastete Wasser hinfliesst – in die einzelnen Haushalte.
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* Der Titel wurde abgeändert, nachdem ein Leser den ursprünglichen Titel als antisemitisch konnotiert angemahnt hat.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine (wird mit Wasser mit einer Nitratbelastung von 29,1 Milligramm pro Liter beliefert)
Im Mittelalter wurden Brunnenvergifter gehängt! Wir haben heute unsere Bundesverfassung, darin steht unmissverständlich, wer für sauberes Wasser verantwortlich ist. Bereits in den 60-er Jahren, als damals die Schlächtereien zur Klärung ihrer Abfälle gezwungen wurden, war das Thema akut. «Man muss sich langsam daran gewöhnen, Mineralwasser zu trinken», suggerierte damals eine nicht ganz unbekannte Lobby. Bis ein engagierter Bürger, die Gemeindebehörde einklagte und vor Bundesgericht Recht erhielt.
Alles vergiftet: das Wasser, das Gemüse, die Früchte, das Fleisch, der Fisch. Wem solches Gewinn bringt, kann man aus den Aktienkursen ersehen. Aber in etwa 30 Jahren wird das alles vorbei sein. Die Meere liefern dann auch keinen Sauerstoff mehr in die Atmosphäre. Die Shareholders dieses Frevels besteigen dann die Arche, wohin?
In meinem Bekanntenkreis habe ich einen Menschen, dessen Onkel im Alter von gut 80 Jahren leider an Covid-19 verstorben ist, von zwei weiteren indirekt Bekannten habe ich erfahren, dass sie daran erkrankt und wieder genesen sind.
Hingegen sind in den letzten drei Jahren drei meiner persönlichen Bekannten an Krebs verstorben, sieben weitere kämpfen schon länger gegen diese Krankheit, darunter junge Menschen und auch ein Kind.
Möglich, dass dies nicht repräsentativ ist, vielleicht sollte sich trotzdem jede(r) fragen, wie das in seinem Umfeld aussieht und welche Gefahr bedrohlicher ist und sich einfacher vermeiden lässt.
Von umsichtiger Politik erwarte ich, dass sie eine langfristige Prävention betreibt sowie bekannte und vermeidbare Gefahren erkennt und eindämmt. Es scheint aber, dass die Gesundheit der Bevölkerung den Profiten der Agro- und Pharmaindustrie bedenkenlos geopfert wird.
Im Kontrast dazu verfallen unsere Politiker dann in Kopflosigkeit und Hysterie, wenn die jährliche Grippewelle einmal stärker ausfällt und betreiben so nochmals die Geschäfte von finanziell interessierten Kreisen, diesmal jene der Informatik- und wieder der Pharmaindustrie. Dafür werden dann persönliche Freiheiten, soziale und wirtschaftliche Bedürfnisse sowie die Grundrechte der ganzen Bevölkerung bedenkenlos geopfert.
Ich frage mich, ob und wann die Politik es fertigbringen wird, die Bedürfnisse und die Gesundheit der Bürger höher zu werten und besser zu schützen als jene der Grosskonzerne.
Erst wenn der letzte Baum gefällt, die letzte Biene gestorben, der letzte Ort mit gesunder Luft und reinem Wasser verschwunden ist, wird die Menschheit erkennen (müssen), dass man Geld – vor allem das digitale – nicht essen kann.
@WalterSchenk: Ich kann es Ihnen genau sagen: In die Arche zur Hölle! LG
Ich filtriere mein Trinkwasser (Mehrschichtiger Filter, 99.9% der Giftstoffe werden laut Labortest darin aufgehalten) und einen Teil kaufe ich als Mineralwasser ein. Da unsere Haut ein Resorptionsorgan ist, geht auch durch unsere Haut beim Baden oder Duschen einiges in den Körper. Wer es sich leisten kann, kann mittels einer Plasmaphorese sein Blut filtrieren lassen und den Inhalt des Filters in einem Flüssigchromatographen analisieren. Wenn man eine Ahnung von Stoffwechsel und Toxikologie hat, ist man nach dem Auswerten der Resultate reif für den Psychiater. Die Komposition der Toxine, auch wenn diese einzeln unter den erlaubten Grenzwerten sind, so sind diese im Orchester ihrer Wechselwirkungen für viele eine grosse Belastung, wenn nicht gar der letzte Tropfen, den es braucht, um einen Krebs zu entwickeln. Wie gewissenlos müssen die Verantwortlichen sein, um solche Missstände einfach bestehen zu lassen. Allein schon die vernachlässigte Tatsache, das Aluminium stark toxisch ist bei den Werten, wie sie derzeit in unserer Umgebung vorkommen. Was ist aus dem Staat geworden, welchen wir mit Steuergeldern bezahlen, damit wir sauberes Wasser haben und eine Umwelt welche uns nicht krank macht. Eine sehr traurige Sache, ich fürchte es wird noch schlimmer werden, als würden alle guten Werte zerbröckeln, als wäre es egal wenn Menschen vergiftet werden, Hauptsache der Lohn stimmt und es geht einem selber gut, es ist tödlicher Zynismus.
In diesen Zeiten wäre es für den «durchschnittlichen» aber interessierten Leser wesentlich objektiver, wenn sie die grundsätzliche Problematik des Trinkwasserschutzes beschreiben würden und nicht nur die Pestizide und die Bauern als quasi allein verantwortliche Akteure darstellen. So einfach funktioniert der Schutz des Trinkwassers nicht, wenn wir weitere 20 Jahre mit diesem Bevölkerungswachstum haben.
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